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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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ihrer staatlichen Wirksamkeit. Nur inftcirt in der Regel das Eine das Andere.
Als Mitglied des Märkischen Landtags -- der bekanntlich stets "wußte, was er
wollte," d. h. was er nicht wollte, nämlich eine selbstständige politische Meinung
der Krone gegenüber aussprechen, zeigte Manteuffel stets den Bureaukraten; in
seinem Amt den Edelmann. Aber er war es nicht übermäßig; sein Bruder, der
sich aus den Landrathposten beschränkte, blieb reiner in seiner torystischen Richtung ;
ans dem Vereinigten Landtag standen sie zusammen in der Opposition gegen die
modernen, constitutionellen Ideen, aber als Mitglied der ersten Kammer hat der
Landrath von Manteuffel in manchen Schritten deö Ministeriums so revolutionäre
Maßregeln gefunden, daß selbst die Democratie es nicht ärger treiben könne, und
der Minister hat dem "ehrenwerthen Abgeordneten" mit seiner bekannten Ironie
geantwortet. -- Uebrigens hat Manteuffel von der pietistischen Färbung der
Staatsmänner vou 1840 uicht mehr gezeigt, als was unumgänglich nöthig war;
ebenso von dem romantischen Doctrinäriömns der historischen Schule. Wie wenig
er die Doctriuärs liebt, haben wir in einem frühem Aufsätze gezeigt. Doch hat
er von der universellen Bildung der preußischen Bureaukratie soviel, um Laien
gelegentlich zu imponiren; des Vogel Phönix haben wir schon gedacht. Charak¬
teristisch ist eine Unterredung mit Arnold Rüge, in der diese Universalität den
durch Einzelheiten leicht zu bestechenden Philosophen so frappirte, daß er Herrn
von Manteuffel für deu geistreichsten aller preußischen Staatsmänner erMrte, in
demselben Augenblick, als dieser das Decret seiner Ausweisung schon ausgefer¬
tigt hatte.

Die Märzministerien haben den Stamm der alten Bureaukratie nicht wehend?
lich verändert. Es war nicht allein ein cvnservatives Interesse, gleichsam ein
Nechtsbedcnken, das sie bestimmte, in dieser Rücksicht dem Drängen der Demo¬
cratie zu widerstreben; die parlamentarische" Kapacitäten fühlten doch in vielen
Punkten des Bedürfniß, sich durch die geschäftliche Routine des alten Systems
zu ergänzen. Es war dies übrigens in der alten Zeit nicht anders gewesen. Zu
den höchsten Stellen des Staats hatte mau die universelle Bildung gebraucht;
mau hatte einen geistreichen Manu, oder einen gottesfürchtiger General, oder einen
großen Edelmann als die politischen Träger des Systems vorangestellt; das ei¬
gentliche Geschäft dagegen wurde von den Departemcntschefs verwaltet. So ist
es z. B. erklärlich, daß von den Finanzministern vor dem März kein einziger ein
eigentlicher Finanzmann war; man gab diesen Posten als Auszeichnung für an¬
derweitige Verdienste, wie das Geld geschafft werden sollte, das blieb den Män¬
nern von Fach, den Rother u. s. w. überlassen. Die Administration ist daher in
gewisser Beziehung in Preußen immer etwas Selbstständiges gewesen, das durch
die augenblicklichen Ideen, die sich in der höheren Region geltend machten, nicht
wesentlich alterirt wurde.

Als null in der Hofpartei die Novemberentschlüsse gereift waren, galt es, in


ihrer staatlichen Wirksamkeit. Nur inftcirt in der Regel das Eine das Andere.
Als Mitglied des Märkischen Landtags — der bekanntlich stets „wußte, was er
wollte," d. h. was er nicht wollte, nämlich eine selbstständige politische Meinung
der Krone gegenüber aussprechen, zeigte Manteuffel stets den Bureaukraten; in
seinem Amt den Edelmann. Aber er war es nicht übermäßig; sein Bruder, der
sich aus den Landrathposten beschränkte, blieb reiner in seiner torystischen Richtung ;
ans dem Vereinigten Landtag standen sie zusammen in der Opposition gegen die
modernen, constitutionellen Ideen, aber als Mitglied der ersten Kammer hat der
Landrath von Manteuffel in manchen Schritten deö Ministeriums so revolutionäre
Maßregeln gefunden, daß selbst die Democratie es nicht ärger treiben könne, und
der Minister hat dem „ehrenwerthen Abgeordneten" mit seiner bekannten Ironie
geantwortet. — Uebrigens hat Manteuffel von der pietistischen Färbung der
Staatsmänner vou 1840 uicht mehr gezeigt, als was unumgänglich nöthig war;
ebenso von dem romantischen Doctrinäriömns der historischen Schule. Wie wenig
er die Doctriuärs liebt, haben wir in einem frühem Aufsätze gezeigt. Doch hat
er von der universellen Bildung der preußischen Bureaukratie soviel, um Laien
gelegentlich zu imponiren; des Vogel Phönix haben wir schon gedacht. Charak¬
teristisch ist eine Unterredung mit Arnold Rüge, in der diese Universalität den
durch Einzelheiten leicht zu bestechenden Philosophen so frappirte, daß er Herrn
von Manteuffel für deu geistreichsten aller preußischen Staatsmänner erMrte, in
demselben Augenblick, als dieser das Decret seiner Ausweisung schon ausgefer¬
tigt hatte.

Die Märzministerien haben den Stamm der alten Bureaukratie nicht wehend?
lich verändert. Es war nicht allein ein cvnservatives Interesse, gleichsam ein
Nechtsbedcnken, das sie bestimmte, in dieser Rücksicht dem Drängen der Demo¬
cratie zu widerstreben; die parlamentarische» Kapacitäten fühlten doch in vielen
Punkten des Bedürfniß, sich durch die geschäftliche Routine des alten Systems
zu ergänzen. Es war dies übrigens in der alten Zeit nicht anders gewesen. Zu
den höchsten Stellen des Staats hatte mau die universelle Bildung gebraucht;
mau hatte einen geistreichen Manu, oder einen gottesfürchtiger General, oder einen
großen Edelmann als die politischen Träger des Systems vorangestellt; das ei¬
gentliche Geschäft dagegen wurde von den Departemcntschefs verwaltet. So ist
es z. B. erklärlich, daß von den Finanzministern vor dem März kein einziger ein
eigentlicher Finanzmann war; man gab diesen Posten als Auszeichnung für an¬
derweitige Verdienste, wie das Geld geschafft werden sollte, das blieb den Män¬
nern von Fach, den Rother u. s. w. überlassen. Die Administration ist daher in
gewisser Beziehung in Preußen immer etwas Selbstständiges gewesen, das durch
die augenblicklichen Ideen, die sich in der höheren Region geltend machten, nicht
wesentlich alterirt wurde.

Als null in der Hofpartei die Novemberentschlüsse gereift waren, galt es, in


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[0463] ihrer staatlichen Wirksamkeit. Nur inftcirt in der Regel das Eine das Andere. Als Mitglied des Märkischen Landtags — der bekanntlich stets „wußte, was er wollte," d. h. was er nicht wollte, nämlich eine selbstständige politische Meinung der Krone gegenüber aussprechen, zeigte Manteuffel stets den Bureaukraten; in seinem Amt den Edelmann. Aber er war es nicht übermäßig; sein Bruder, der sich aus den Landrathposten beschränkte, blieb reiner in seiner torystischen Richtung ; ans dem Vereinigten Landtag standen sie zusammen in der Opposition gegen die modernen, constitutionellen Ideen, aber als Mitglied der ersten Kammer hat der Landrath von Manteuffel in manchen Schritten deö Ministeriums so revolutionäre Maßregeln gefunden, daß selbst die Democratie es nicht ärger treiben könne, und der Minister hat dem „ehrenwerthen Abgeordneten" mit seiner bekannten Ironie geantwortet. — Uebrigens hat Manteuffel von der pietistischen Färbung der Staatsmänner vou 1840 uicht mehr gezeigt, als was unumgänglich nöthig war; ebenso von dem romantischen Doctrinäriömns der historischen Schule. Wie wenig er die Doctriuärs liebt, haben wir in einem frühem Aufsätze gezeigt. Doch hat er von der universellen Bildung der preußischen Bureaukratie soviel, um Laien gelegentlich zu imponiren; des Vogel Phönix haben wir schon gedacht. Charak¬ teristisch ist eine Unterredung mit Arnold Rüge, in der diese Universalität den durch Einzelheiten leicht zu bestechenden Philosophen so frappirte, daß er Herrn von Manteuffel für deu geistreichsten aller preußischen Staatsmänner erMrte, in demselben Augenblick, als dieser das Decret seiner Ausweisung schon ausgefer¬ tigt hatte. Die Märzministerien haben den Stamm der alten Bureaukratie nicht wehend? lich verändert. Es war nicht allein ein cvnservatives Interesse, gleichsam ein Nechtsbedcnken, das sie bestimmte, in dieser Rücksicht dem Drängen der Demo¬ cratie zu widerstreben; die parlamentarische» Kapacitäten fühlten doch in vielen Punkten des Bedürfniß, sich durch die geschäftliche Routine des alten Systems zu ergänzen. Es war dies übrigens in der alten Zeit nicht anders gewesen. Zu den höchsten Stellen des Staats hatte mau die universelle Bildung gebraucht; mau hatte einen geistreichen Manu, oder einen gottesfürchtiger General, oder einen großen Edelmann als die politischen Träger des Systems vorangestellt; das ei¬ gentliche Geschäft dagegen wurde von den Departemcntschefs verwaltet. So ist es z. B. erklärlich, daß von den Finanzministern vor dem März kein einziger ein eigentlicher Finanzmann war; man gab diesen Posten als Auszeichnung für an¬ derweitige Verdienste, wie das Geld geschafft werden sollte, das blieb den Män¬ nern von Fach, den Rother u. s. w. überlassen. Die Administration ist daher in gewisser Beziehung in Preußen immer etwas Selbstständiges gewesen, das durch die augenblicklichen Ideen, die sich in der höheren Region geltend machten, nicht wesentlich alterirt wurde. Als null in der Hofpartei die Novemberentschlüsse gereift waren, galt es, in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/463>, abgerufen am 23.06.2024.