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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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den zum Mitglied' der Versassungscommission ernannt.--Die starken Worte, welche
gegen die treulose Regierung von Hannover gefallen sind, in einer Konferenz von Ge¬
sandten, in einem diplomatischen Aktenstück, unter dem Vorsitze Preußens, bedürfen kei¬
nes weiter" Commentars, es waren nicht nur Verwahrungen, sondern offenbare Drohun¬
gen, nicht daraus berechnet einzuschüchtern, sondern ausgesprochen in dem festen Ent¬
schluß, den Bundesstaat durchzusetzen. Die beiden lauen Mitglieder, Churhessen und
Mecklenburg-Strehlitz werden, wie die Sachen jetzt stehen, dem Strome folgen müssen.
Von Strchlitz, dem kleinen Torynest, das von Anfang an eine gewisse Kratzbürstigkeit
nicht verleugnet hat, kann das nicht zweifelhaft sein, und der Churfürst von Hessen ist
durch seinen schlechten Einfall, ein Ministerium Hasscupflug zu octroyiren, zu seinem eige¬
nen Lande in eine so schwierige Stellung gerathen, daß er ohne die Konsistenz, welche
der Bundesstaat seinem Sammetsessel gibt, schwerlich diesen Sommer überstehen würde.
Trotz allen bösen Launen, weiche Churhessen beherrschen, werden die regierenden Köpfe
dort einsehen, daß bairisches oder östreichisches Militär, selbst wenn es den guten Wil¬
len und die Möglichkeit hätte, einzurücken, der schlechteste Alliirte ist, welchen sie finden
können. --.Das Protokoll des Verwaltungsrathes wird seine Wirkung zu Gunsten des
Bundesstaates nicht verfehlen. Mochten wir von jetzt ab allwöchentlich ähnliche Zeichen
eines kräftigen Wollens erhalten. -- Es wird jetzt endlich Ernst mit Erfurt, Ernst
mit der Union, und bald wird ein, organisirter Staat seinen unschlüssiger Nachbarn zu¬
rufen: Ihr Brüder kommt zu uns! --

Msarä Kistoirv 6e Is, titel'ature ?ra.vyai8k. Wir richten bei unserer franzö¬
sischen Lectüre unsere Aufmerksamkeit noch immer viel zu ausschließlich aus die Belle¬
tristen, und lernen von der Kritik nur das kennen, was uns im Journal des Dvbats
oder in der Presse begegnet. Diese Feuilletonisten " l,4 Jules Janin, so allerliebst sie
zu schreiben verstehn, sind aber die schlechtesten unter den französischen Kritikern, und
man würde sehr Unrecht thun, wenn man die übrigen nach ihnen abmessen wollte. Die
I^Iierminie!, die Villnniun, die Hi. I^IIVV, die ?I"N^>IV -- kurz die Kritiker der livvue
"1e äeux morale" übertreffen unsere Nötscher u. s. w., ebenso wie das moderne franzö¬
sische Theater das deutsche. Trotz unserer großen Prätensionen sind wir in unserer
Kritik in diesem Jahrhundert ebenso zurückgekommen wie in unserer Poesie. Männer
wie Bischer, Gervinus u. s. w. geben sich nicht die Mühe, die Erscheinungen der Ge¬
genwart ins Auge zu fassen, sie überlassen dies Geschäft den Journalisten von Pro¬
sesston, und werden dadurch auf ihre Art ebenso einseitig als diese, denn nur durch
eine starke, organische Verbindung zwischen dem Studium des Alten und dem Interesse
für das Neue kann eine lebendige Kritik hervorgehn.

Nisard, aus dessen Literaturgeschichte wir das deutsche Publikum aufmerksam
machen möchten, geht von seinen Vorträgen auf der IZ0oI>! vorm.no aus; strenge Dis¬
ciplin ist der Charakter seines Stils und seiner Methode. Er ist entschiedener Klassiker,
ohne mit dieser einseitigen Richtung die mangelhafte Bildung zu verbinden, die wir
Zöglinge der romantischen Schule darin vorauszusetzen geneigt sind. -- Er will in
seiner Literaturgeschichte nichts anderes geben, als die Rechtfertigung der öffentlichen
Meinung, welche, wo sie lobt, wo sie tadelt, und wo sie ignorirt, überall richtig ur¬
theilt. Er findet den vollkommensten Ausdruck dieser öffentlichen Meinung über die
Literatur in Boileau, und bis zum Ende des 17. Jahrhunderts ist seine Kritik nichts
weiter als ein Nachweis, daß Boileau in seiner -u-t, vo^lique immer richtig geurtheilt
hat. -- Die Herrschaft des "gesunden Menschenverstandes" ist in dieser Exposition so
überwiegend, daß er oft genng zu Parodvxicn führt. Das zeigt sich namentlich in den
Definitionen. -- Die Literatur fängt ihm an, wo die Kunst anfängt; Kunst aber ist
der Ausdruck allgemeiner Wahrheiten in einer vollendeten Sprache, d. h. einer Sprache
die vollkommen mit dem Geist des Volkes, das sie redet, und dem menschlichen Geist
übereinstimmt. Composttion ist die Kunst, alle Theile eines Gegenstandes mit Ordnung


den zum Mitglied' der Versassungscommission ernannt.--Die starken Worte, welche
gegen die treulose Regierung von Hannover gefallen sind, in einer Konferenz von Ge¬
sandten, in einem diplomatischen Aktenstück, unter dem Vorsitze Preußens, bedürfen kei¬
nes weiter» Commentars, es waren nicht nur Verwahrungen, sondern offenbare Drohun¬
gen, nicht daraus berechnet einzuschüchtern, sondern ausgesprochen in dem festen Ent¬
schluß, den Bundesstaat durchzusetzen. Die beiden lauen Mitglieder, Churhessen und
Mecklenburg-Strehlitz werden, wie die Sachen jetzt stehen, dem Strome folgen müssen.
Von Strchlitz, dem kleinen Torynest, das von Anfang an eine gewisse Kratzbürstigkeit
nicht verleugnet hat, kann das nicht zweifelhaft sein, und der Churfürst von Hessen ist
durch seinen schlechten Einfall, ein Ministerium Hasscupflug zu octroyiren, zu seinem eige¬
nen Lande in eine so schwierige Stellung gerathen, daß er ohne die Konsistenz, welche
der Bundesstaat seinem Sammetsessel gibt, schwerlich diesen Sommer überstehen würde.
Trotz allen bösen Launen, weiche Churhessen beherrschen, werden die regierenden Köpfe
dort einsehen, daß bairisches oder östreichisches Militär, selbst wenn es den guten Wil¬
len und die Möglichkeit hätte, einzurücken, der schlechteste Alliirte ist, welchen sie finden
können. —.Das Protokoll des Verwaltungsrathes wird seine Wirkung zu Gunsten des
Bundesstaates nicht verfehlen. Mochten wir von jetzt ab allwöchentlich ähnliche Zeichen
eines kräftigen Wollens erhalten. — Es wird jetzt endlich Ernst mit Erfurt, Ernst
mit der Union, und bald wird ein, organisirter Staat seinen unschlüssiger Nachbarn zu¬
rufen: Ihr Brüder kommt zu uns! —

Msarä Kistoirv 6e Is, titel'ature ?ra.vyai8k. Wir richten bei unserer franzö¬
sischen Lectüre unsere Aufmerksamkeit noch immer viel zu ausschließlich aus die Belle¬
tristen, und lernen von der Kritik nur das kennen, was uns im Journal des Dvbats
oder in der Presse begegnet. Diese Feuilletonisten » l,4 Jules Janin, so allerliebst sie
zu schreiben verstehn, sind aber die schlechtesten unter den französischen Kritikern, und
man würde sehr Unrecht thun, wenn man die übrigen nach ihnen abmessen wollte. Die
I^Iierminie!, die Villnniun, die Hi. I^IIVV, die ?I»N^>IV — kurz die Kritiker der livvue
«1e äeux morale« übertreffen unsere Nötscher u. s. w., ebenso wie das moderne franzö¬
sische Theater das deutsche. Trotz unserer großen Prätensionen sind wir in unserer
Kritik in diesem Jahrhundert ebenso zurückgekommen wie in unserer Poesie. Männer
wie Bischer, Gervinus u. s. w. geben sich nicht die Mühe, die Erscheinungen der Ge¬
genwart ins Auge zu fassen, sie überlassen dies Geschäft den Journalisten von Pro¬
sesston, und werden dadurch auf ihre Art ebenso einseitig als diese, denn nur durch
eine starke, organische Verbindung zwischen dem Studium des Alten und dem Interesse
für das Neue kann eine lebendige Kritik hervorgehn.

Nisard, aus dessen Literaturgeschichte wir das deutsche Publikum aufmerksam
machen möchten, geht von seinen Vorträgen auf der IZ0oI>! vorm.no aus; strenge Dis¬
ciplin ist der Charakter seines Stils und seiner Methode. Er ist entschiedener Klassiker,
ohne mit dieser einseitigen Richtung die mangelhafte Bildung zu verbinden, die wir
Zöglinge der romantischen Schule darin vorauszusetzen geneigt sind. — Er will in
seiner Literaturgeschichte nichts anderes geben, als die Rechtfertigung der öffentlichen
Meinung, welche, wo sie lobt, wo sie tadelt, und wo sie ignorirt, überall richtig ur¬
theilt. Er findet den vollkommensten Ausdruck dieser öffentlichen Meinung über die
Literatur in Boileau, und bis zum Ende des 17. Jahrhunderts ist seine Kritik nichts
weiter als ein Nachweis, daß Boileau in seiner -u-t, vo^lique immer richtig geurtheilt
hat. — Die Herrschaft des „gesunden Menschenverstandes" ist in dieser Exposition so
überwiegend, daß er oft genng zu Parodvxicn führt. Das zeigt sich namentlich in den
Definitionen. — Die Literatur fängt ihm an, wo die Kunst anfängt; Kunst aber ist
der Ausdruck allgemeiner Wahrheiten in einer vollendeten Sprache, d. h. einer Sprache
die vollkommen mit dem Geist des Volkes, das sie redet, und dem menschlichen Geist
übereinstimmt. Composttion ist die Kunst, alle Theile eines Gegenstandes mit Ordnung


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[0447] den zum Mitglied' der Versassungscommission ernannt.--Die starken Worte, welche gegen die treulose Regierung von Hannover gefallen sind, in einer Konferenz von Ge¬ sandten, in einem diplomatischen Aktenstück, unter dem Vorsitze Preußens, bedürfen kei¬ nes weiter» Commentars, es waren nicht nur Verwahrungen, sondern offenbare Drohun¬ gen, nicht daraus berechnet einzuschüchtern, sondern ausgesprochen in dem festen Ent¬ schluß, den Bundesstaat durchzusetzen. Die beiden lauen Mitglieder, Churhessen und Mecklenburg-Strehlitz werden, wie die Sachen jetzt stehen, dem Strome folgen müssen. Von Strchlitz, dem kleinen Torynest, das von Anfang an eine gewisse Kratzbürstigkeit nicht verleugnet hat, kann das nicht zweifelhaft sein, und der Churfürst von Hessen ist durch seinen schlechten Einfall, ein Ministerium Hasscupflug zu octroyiren, zu seinem eige¬ nen Lande in eine so schwierige Stellung gerathen, daß er ohne die Konsistenz, welche der Bundesstaat seinem Sammetsessel gibt, schwerlich diesen Sommer überstehen würde. Trotz allen bösen Launen, weiche Churhessen beherrschen, werden die regierenden Köpfe dort einsehen, daß bairisches oder östreichisches Militär, selbst wenn es den guten Wil¬ len und die Möglichkeit hätte, einzurücken, der schlechteste Alliirte ist, welchen sie finden können. —.Das Protokoll des Verwaltungsrathes wird seine Wirkung zu Gunsten des Bundesstaates nicht verfehlen. Mochten wir von jetzt ab allwöchentlich ähnliche Zeichen eines kräftigen Wollens erhalten. — Es wird jetzt endlich Ernst mit Erfurt, Ernst mit der Union, und bald wird ein, organisirter Staat seinen unschlüssiger Nachbarn zu¬ rufen: Ihr Brüder kommt zu uns! — Msarä Kistoirv 6e Is, titel'ature ?ra.vyai8k. Wir richten bei unserer franzö¬ sischen Lectüre unsere Aufmerksamkeit noch immer viel zu ausschließlich aus die Belle¬ tristen, und lernen von der Kritik nur das kennen, was uns im Journal des Dvbats oder in der Presse begegnet. Diese Feuilletonisten » l,4 Jules Janin, so allerliebst sie zu schreiben verstehn, sind aber die schlechtesten unter den französischen Kritikern, und man würde sehr Unrecht thun, wenn man die übrigen nach ihnen abmessen wollte. Die I^Iierminie!, die Villnniun, die Hi. I^IIVV, die ?I»N^>IV — kurz die Kritiker der livvue «1e äeux morale« übertreffen unsere Nötscher u. s. w., ebenso wie das moderne franzö¬ sische Theater das deutsche. Trotz unserer großen Prätensionen sind wir in unserer Kritik in diesem Jahrhundert ebenso zurückgekommen wie in unserer Poesie. Männer wie Bischer, Gervinus u. s. w. geben sich nicht die Mühe, die Erscheinungen der Ge¬ genwart ins Auge zu fassen, sie überlassen dies Geschäft den Journalisten von Pro¬ sesston, und werden dadurch auf ihre Art ebenso einseitig als diese, denn nur durch eine starke, organische Verbindung zwischen dem Studium des Alten und dem Interesse für das Neue kann eine lebendige Kritik hervorgehn. Nisard, aus dessen Literaturgeschichte wir das deutsche Publikum aufmerksam machen möchten, geht von seinen Vorträgen auf der IZ0oI>! vorm.no aus; strenge Dis¬ ciplin ist der Charakter seines Stils und seiner Methode. Er ist entschiedener Klassiker, ohne mit dieser einseitigen Richtung die mangelhafte Bildung zu verbinden, die wir Zöglinge der romantischen Schule darin vorauszusetzen geneigt sind. — Er will in seiner Literaturgeschichte nichts anderes geben, als die Rechtfertigung der öffentlichen Meinung, welche, wo sie lobt, wo sie tadelt, und wo sie ignorirt, überall richtig ur¬ theilt. Er findet den vollkommensten Ausdruck dieser öffentlichen Meinung über die Literatur in Boileau, und bis zum Ende des 17. Jahrhunderts ist seine Kritik nichts weiter als ein Nachweis, daß Boileau in seiner -u-t, vo^lique immer richtig geurtheilt hat. — Die Herrschaft des „gesunden Menschenverstandes" ist in dieser Exposition so überwiegend, daß er oft genng zu Parodvxicn führt. Das zeigt sich namentlich in den Definitionen. — Die Literatur fängt ihm an, wo die Kunst anfängt; Kunst aber ist der Ausdruck allgemeiner Wahrheiten in einer vollendeten Sprache, d. h. einer Sprache die vollkommen mit dem Geist des Volkes, das sie redet, und dem menschlichen Geist übereinstimmt. Composttion ist die Kunst, alle Theile eines Gegenstandes mit Ordnung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/447>, abgerufen am 21.06.2024.