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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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folgt, ist der alte Dichter heilig, den jetzt Alle verfolgen, weil er den Royalisten zu
republikanisch und den Republikanern als verkappter Ndvalist erscheint. Girardin nimmt
es übrigens mit der Praxis des Socialismus und der Gleichheit des Besitzes nicht allzu
genan. Sein ungeheures Einkommen weiß er selber allzu gut zu verzehre", als daß er an's
Theilen dächte. Seine legitime Wohnung in den Champs Elusecs, sowie sein Lieblingshaus
in der um? ,I>! p>'"odnen>, worin seine Mätresse wohnt, sind mit einer Pracht und einem
Luxus ausgeschmückt, welche an die Mährchen der Tausend und Eine Nacht erinnern.
Und er selber residirt daselbst, wie ein Sultan, oder besser, wie der Gras von Montc-
Christv in seinem unterirdischen Palast, den er sich zum Muster genommen zu haben
scheint, denn das gesammte Hauswesen ist ganz orientalisch eingerichtet, und eine Unzahl
dienstbarer Geister und blendender Nymphen sind stets des leisesten Winkes vom Gebie¬
ter aller dieser Herrlichkeiten gewärtig. Dem Journalisten ähnelt sein Geistesverwand¬
ter, der bekannte Romanschriftsteller Eugen Sue, der es trefflich versteht, die Leiden des
verhungernden Proletariers zu schildern, während er sich ans scywcllcndcn Seidenkissen
dehnt und tunkinsche Vogelnester mit Chioswein hiuunterspült. -- Seit einigen Tagen
sind die lilmnions i-K'i!l<"'.Als sür die am l(>. März stattfindenden Wahlen wieder eröff¬
net, und die Affichen und IZullcUins v"t" spielen wieder eine große Rolle. Es ist
unmöglich die Straße zu passiren, ohne ein Dutzend Wahlzettel role-us in die
Hand gedrückt oder in die Tasche gesteckt zu bekommen, in welchen entweder I^'union
H"<!et>r"to (das Wahleomit" der realistischen Partei) oder die verschiedenen Clubs der
Rothen ihre Kandidaten auf das Dringendste empfehlen. Selbst zu Hause ist man nicht
sicher, deun die Briefträger erliegen unter"der Last von Briefen mit Wcchlzctteln, welche
Alolslivne sämmtlich srankirt sind. Ich wohnte dieser Tage einer Wählerversammlung
der Socialisten in der berühmten 8"IIv "I>- I" l>"u,mi<; rü" Mrwl, bei. Wie ehedem,
wird noch immer daselbst das absurdeste Zeug von der Welt verhandelt, und die Lange¬
weile thront hier recht behaglich mitten unter den k-nisimlotti's p,u ""nx. Es ist die Wahl
der Wahlmänner. Ein Kandidat nach dem andern betritt die Bühne, spricht, wie er,ksM
und mag, aber nur der Keckste und Gemeinste trägt den Sieg davon. Während meiner
Anwesenheit betrat ein ziemlich anständig gekleideter Mann die Nedncrvühne, und ent¬
wickelte in pathetischen Floskeln den Wust seiner socialistischen Grundsätze. Man applaudirt
ihn, und seiue Candidatur scheint gesichert. Da fragt eine rauhe Stimme mitten aus dem
Saale: Hin-Il" prot"s8an? -- ävoo->t -- erwiedert der Redner mit etwas furchtsamen
Tone. Und richtig erhebt sich sogleich ein furchtbarer Tumult: ^, >>"" I'^iisio, W hö>
vaut, nun" "'vn voulons p->s! -- kurz der Advokat ist genöthigt, so schnell als möglich
zu deccimpiren. Da springt ein kolossaler Kerl in zerrissener Blouse und mit rothem,
schmutzigem Bart auf die Tribune, it^res, schreit er, l'rcwe", j'-ti eoinbsllu äWs to"
journvvs an .!um, j'ni <!to dran^portv et j" viens reolamvr vo" "ussrsxv"! Ungchencrer
Applaus. <nu->l<! inlitLssinn? verlangt der Präsident. -- 'ImilU'U!' cle <:>N"?N8 (Hnndc-
schecrer), entgegnet der Niese mit einem Stolze, dessen ein König sich nicht zu schämen
gehabt hätte. -- IZi-ivo, b>-co", pill>?>, null-" to"uno! Und der Hnndeschecrer ist Wahl¬
mann. Die biens oder gemäßigten Republikaner hatten den Rothen eine Bereinigung
zur Aufstellung einer gemeinschaftlichen Wahlliste vorgeschlagen, weil ihre Zahl selbst
.allzu gering ist, um auf ewigen Erfolg rechnen zu können, aber diese Propvsttion ist
in allen socialistischen ii-uninn^, ol^oloiiUvs mit Entrüstung verworfen worden. 1U,in <In
manum, sagten sie, "pee Jos b",""""" >l>^ buueliin' ! -- Unsere Nationalver¬
sammlung verliert von Tag zu Tag mehr an Credit, und wird im eigentlichen Wort¬
sinn der Kinder Spott. Ewiges kindisches Zanken und Wortgemäkcl; Schiinpfivvrte
sind billig zu haben, auch Faustschläge; die wichtigsten Verhandlungen werden bewitzelt
und in's Lächerliche gezogen, und dem Unbefangenen muß es scheinen, diese Leute seien
blos zusammenberufen, um Comödie zu spielen, und dafür täglich 25 Francs zu ver¬
zehren. Als vor wenigen Tagen Montalembert, der Jesuitengencral, welcher sich Paul


folgt, ist der alte Dichter heilig, den jetzt Alle verfolgen, weil er den Royalisten zu
republikanisch und den Republikanern als verkappter Ndvalist erscheint. Girardin nimmt
es übrigens mit der Praxis des Socialismus und der Gleichheit des Besitzes nicht allzu
genan. Sein ungeheures Einkommen weiß er selber allzu gut zu verzehre», als daß er an's
Theilen dächte. Seine legitime Wohnung in den Champs Elusecs, sowie sein Lieblingshaus
in der um? ,I>! p>'«odnen>, worin seine Mätresse wohnt, sind mit einer Pracht und einem
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Und er selber residirt daselbst, wie ein Sultan, oder besser, wie der Gras von Montc-
Christv in seinem unterirdischen Palast, den er sich zum Muster genommen zu haben
scheint, denn das gesammte Hauswesen ist ganz orientalisch eingerichtet, und eine Unzahl
dienstbarer Geister und blendender Nymphen sind stets des leisesten Winkes vom Gebie¬
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verhungernden Proletariers zu schildern, während er sich ans scywcllcndcn Seidenkissen
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Hand gedrückt oder in die Tasche gesteckt zu bekommen, in welchen entweder I^'union
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Rothen ihre Kandidaten auf das Dringendste empfehlen. Selbst zu Hause ist man nicht
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wird noch immer daselbst das absurdeste Zeug von der Welt verhandelt, und die Lange¬
weile thront hier recht behaglich mitten unter den k-nisimlotti's p,u «»nx. Es ist die Wahl
der Wahlmänner. Ein Kandidat nach dem andern betritt die Bühne, spricht, wie er,ksM
und mag, aber nur der Keckste und Gemeinste trägt den Sieg davon. Während meiner
Anwesenheit betrat ein ziemlich anständig gekleideter Mann die Nedncrvühne, und ent¬
wickelte in pathetischen Floskeln den Wust seiner socialistischen Grundsätze. Man applaudirt
ihn, und seiue Candidatur scheint gesichert. Da fragt eine rauhe Stimme mitten aus dem
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sind billig zu haben, auch Faustschläge; die wichtigsten Verhandlungen werden bewitzelt
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blos zusammenberufen, um Comödie zu spielen, und dafür täglich 25 Francs zu ver¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/440>, abgerufen am 21.06.2024.