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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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eine hohle Redensart erklärte! Ihr habt es eingesehn, daß sämmtliche Depu-
tirte Sachsens, mit Ausnahme Biedermann's und Koch's im Unrecht waren, als
sie sich jener leeren Formel bedienten, als sie auf jene hohle Redensart das neue
Staatsgebäude gründen wollten! Ihr habt es eingesehn, daß es von euerm Führer
Robert Blum vermessen und unklug war, das Neckt der Fürsten unbeach¬
tet zu lassen, und einer leeren Formel, einer hohlen Redensart zu Liebe, das
Volk für souverän zu erkläre"!!

Die neuen Vorschläge dieser Männer des Volks, welche eiugeständig sind,
im Jahr 1848 das Volk belogen zu haben, als sie ihm die leere Formel der
Volkssouveränität vorsagten, als sie alle diejenigen, welche an diese hohle Redens¬
art nicht glaubten, für Verräther aufschrieen, die neuen Vorschläge, welche diese
Helden des Vaterlandsvereins den sächsischen Kammern machen, sind folgende.

Erstens. Sachsen soll seine günstige Lage zwischen Oestreich und Preußen
benutzen, um eine unabhängige, selbstständige Politik einzuschlagen, wie eine
Großmacht.

Zweitens. Sachse" soll sich mit Baiern, Hannover u. s. w. verbinden, ge¬
gen den Einfluß und die Uebergriffe Oestreichs und Preußens.

Drittens. Sachsen soll das Princip des Interims und des damit verknüpften
Staatenbundes (im Gegensatz zum Bundesstaat) anerkennen und für dasselbe wir¬
ken. "Deutschland bilde einen Staatenverein unter einer aus mehreren Glie¬
dern bestehenden Gesammtregierung."

Viertens. Sachsen soll auf die Einberufung einer Nationalversammlung an¬
tragen, die den besagten Staatenverein zwischen Fürsten und Völkern vereinbaren
soll, und deren erste Aufgabe wäre "die Grundsätze und Grundgesetze der Ver¬
einbarung zu bestimmen" (das soll doch wohl heißen: zu vereinbaren?).

Ich erlaube mir, zu diesen Vorschlägen einige Amendements zu stellen.

Zum ersten. Da Sachsens unabhängige Politik nicht auf seiner militärischen
Macht beruht, so wird ihm von Seiten der 5 Großmächte eine Neutralität zuge¬
sichert, wie die Schweiz sie besitzt, und es wird Oestreich und Preußen auf das
Strengste untersagt, im Fall eines Krieges zwischen ihnen, das sächsische Gebiet
zu betrete". Da ferner der sächsische Handel und die sächsische Betriebsamkeit von
der Handelspolitik abhängig ist, welche Preußen verfolgt, und da man einem sou¬
veränen Staat nicht zumuthen kaun, die gegenseitige" Interessen in einer ge¬
meinsamen Volksvertretung auszugleichen, so wird decretirt: alle Gesetze, welche
Sachsen gibt, gelte" auch für Preußen.

Zum zweiten. Die verbündeten Großmächte Sachsen, Baiern, Hannover und
Würtemberg, würden schwerlich im Stande sein, einem genieinsamen Angriff von
Seiten Oestreichs und Preußens zu widerstehn. Sie müsse" sich an einen mäch¬
tigen Schutz anlehnen. Wer könnte dazu geeigneter sein, als der Neffe des Man¬
nes, dem jene vier Königreiche ihren Ursprung verdanken? ES wird also Prinz


eine hohle Redensart erklärte! Ihr habt es eingesehn, daß sämmtliche Depu-
tirte Sachsens, mit Ausnahme Biedermann's und Koch's im Unrecht waren, als
sie sich jener leeren Formel bedienten, als sie auf jene hohle Redensart das neue
Staatsgebäude gründen wollten! Ihr habt es eingesehn, daß es von euerm Führer
Robert Blum vermessen und unklug war, das Neckt der Fürsten unbeach¬
tet zu lassen, und einer leeren Formel, einer hohlen Redensart zu Liebe, das
Volk für souverän zu erkläre»!!

Die neuen Vorschläge dieser Männer des Volks, welche eiugeständig sind,
im Jahr 1848 das Volk belogen zu haben, als sie ihm die leere Formel der
Volkssouveränität vorsagten, als sie alle diejenigen, welche an diese hohle Redens¬
art nicht glaubten, für Verräther aufschrieen, die neuen Vorschläge, welche diese
Helden des Vaterlandsvereins den sächsischen Kammern machen, sind folgende.

Erstens. Sachsen soll seine günstige Lage zwischen Oestreich und Preußen
benutzen, um eine unabhängige, selbstständige Politik einzuschlagen, wie eine
Großmacht.

Zweitens. Sachse» soll sich mit Baiern, Hannover u. s. w. verbinden, ge¬
gen den Einfluß und die Uebergriffe Oestreichs und Preußens.

Drittens. Sachsen soll das Princip des Interims und des damit verknüpften
Staatenbundes (im Gegensatz zum Bundesstaat) anerkennen und für dasselbe wir¬
ken. „Deutschland bilde einen Staatenverein unter einer aus mehreren Glie¬
dern bestehenden Gesammtregierung."

Viertens. Sachsen soll auf die Einberufung einer Nationalversammlung an¬
tragen, die den besagten Staatenverein zwischen Fürsten und Völkern vereinbaren
soll, und deren erste Aufgabe wäre „die Grundsätze und Grundgesetze der Ver¬
einbarung zu bestimmen" (das soll doch wohl heißen: zu vereinbaren?).

Ich erlaube mir, zu diesen Vorschlägen einige Amendements zu stellen.

Zum ersten. Da Sachsens unabhängige Politik nicht auf seiner militärischen
Macht beruht, so wird ihm von Seiten der 5 Großmächte eine Neutralität zuge¬
sichert, wie die Schweiz sie besitzt, und es wird Oestreich und Preußen auf das
Strengste untersagt, im Fall eines Krieges zwischen ihnen, das sächsische Gebiet
zu betrete». Da ferner der sächsische Handel und die sächsische Betriebsamkeit von
der Handelspolitik abhängig ist, welche Preußen verfolgt, und da man einem sou¬
veränen Staat nicht zumuthen kaun, die gegenseitige» Interessen in einer ge¬
meinsamen Volksvertretung auszugleichen, so wird decretirt: alle Gesetze, welche
Sachsen gibt, gelte» auch für Preußen.

Zum zweiten. Die verbündeten Großmächte Sachsen, Baiern, Hannover und
Würtemberg, würden schwerlich im Stande sein, einem genieinsamen Angriff von
Seiten Oestreichs und Preußens zu widerstehn. Sie müsse» sich an einen mäch¬
tigen Schutz anlehnen. Wer könnte dazu geeigneter sein, als der Neffe des Man¬
nes, dem jene vier Königreiche ihren Ursprung verdanken? ES wird also Prinz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/435>, abgerufen am 21.06.2024.