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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Louis Napoleon zum Protector der neuen Conföderation ernannt, und München,
Dresden, Stuttgart durch französische Besatzungen verstärkt.

Zum dritten. Der neue Bundestag soll das Recht haben, die deutsche Po¬
litik im Auslande zu vertrete"; das darf aber die souveränen Einzelstaaten nicht
hindern, ihre eigene Politik gleichfalls im Ausland zu vertreten. Die Bundes¬
regierung hat volle Gewalt in allen innern Angelegenheiten, aber das Veto eines
einzelnen Staats kann ihre Beschlüsse annulliren. Nur Oestreich und Preußen ist
es untersagt, ihr Veto gegen einen Majoritätsbeschluß der übrigen Bundesglieder
einzulegen.

Zum vierten. Da Oestreich und Preußen bereits erklärt haben, ein aus Ur-
wähler hervorgegangenes Parlament für die gesammten Bundesländer nicht anzu-
erkennen, und da Baiern ungefähr das Nämliche gesagt hat, so müssen diese drei
Staaten von den übrigen dazu gezwungen werden. --

Sich ernsthaft mit diesen neugroßdeutschen Einfällen zu beschäftigen, lohnt
nicht der Mühe. Aber Eines soll das deutsche Volk aus dem Manifest lerne".
Die demokratische Partei erklärt jetzt die Ideen, die sie seit zwei Jahren gepre¬
digt, für die Robert Blum und Andere in den Tod gegangen sind, für die noch
viele Mitbürger in den Gefängnissen schmachten, sie erklärt sie für hohle Re¬
densarten; sie gibt ihr bisheriges Feldgeschrei, die Reichsverfassung vom
28^ März, vollständig auf zu Gunsten des alten Bundestags.

Mögen dem Volke endlich die Augen aufgehen über diejenigen, die es bisher
verführt haben!




Wir müssen noch eine Bemerkung anknüpfen. Wir haben uns in der letzten
Zeit dahin ausgesprochen, daß wir uns von Erfurt uicht Viel versprechen; daß
wir gegen den Carlowitz'schen Antrag gestimmt haben würden, so sehr wir auch
mit der redlichen Gesinnung und dem gesunden Blick dieses edlen Staatsmannes
mitfühlen, so einig wir mit ihm sind über das nächste Ziel, welches die deutsche
Bewegung zu verfolgen hat.

Nicht darum sind wir bedenklich über Erfurt, weil wir Preußen erobernde
Gelüste zutrauten; weil wir ihm die Absicht unterlegten, die kleinen Staaten in
den wesentlichsten Eigenschaften ihrer Souveränität zu beschränken, sie auf eine
gelinde Weise zu mediatisiren. -- Wäre dies unsere Ansicht, so würde uns das
bestimmen, ans allen Kräften für Erfurt zu wirken. Denn ein freies politisches
Wesen kann nur dann gedeihen, wenn es eine angemessene materielle Basis
gewinnt.

Vielmehr haben uns die neuesten Ereignisse -- die Botschaft, die Art des
Schwures, das Verhalten in der mecklenburgischen Frage, die räthselhafte Geschichte
in Kassel und vieles Andere -- zu der Ansicht gebracht, daß Preußen gegen sich
selber intriguirt, daß es Mit der einen Hand von sich stößt, was es mit der an-


Louis Napoleon zum Protector der neuen Conföderation ernannt, und München,
Dresden, Stuttgart durch französische Besatzungen verstärkt.

Zum dritten. Der neue Bundestag soll das Recht haben, die deutsche Po¬
litik im Auslande zu vertrete»; das darf aber die souveränen Einzelstaaten nicht
hindern, ihre eigene Politik gleichfalls im Ausland zu vertreten. Die Bundes¬
regierung hat volle Gewalt in allen innern Angelegenheiten, aber das Veto eines
einzelnen Staats kann ihre Beschlüsse annulliren. Nur Oestreich und Preußen ist
es untersagt, ihr Veto gegen einen Majoritätsbeschluß der übrigen Bundesglieder
einzulegen.

Zum vierten. Da Oestreich und Preußen bereits erklärt haben, ein aus Ur-
wähler hervorgegangenes Parlament für die gesammten Bundesländer nicht anzu-
erkennen, und da Baiern ungefähr das Nämliche gesagt hat, so müssen diese drei
Staaten von den übrigen dazu gezwungen werden. —

Sich ernsthaft mit diesen neugroßdeutschen Einfällen zu beschäftigen, lohnt
nicht der Mühe. Aber Eines soll das deutsche Volk aus dem Manifest lerne».
Die demokratische Partei erklärt jetzt die Ideen, die sie seit zwei Jahren gepre¬
digt, für die Robert Blum und Andere in den Tod gegangen sind, für die noch
viele Mitbürger in den Gefängnissen schmachten, sie erklärt sie für hohle Re¬
densarten; sie gibt ihr bisheriges Feldgeschrei, die Reichsverfassung vom
28^ März, vollständig auf zu Gunsten des alten Bundestags.

Mögen dem Volke endlich die Augen aufgehen über diejenigen, die es bisher
verführt haben!




Wir müssen noch eine Bemerkung anknüpfen. Wir haben uns in der letzten
Zeit dahin ausgesprochen, daß wir uns von Erfurt uicht Viel versprechen; daß
wir gegen den Carlowitz'schen Antrag gestimmt haben würden, so sehr wir auch
mit der redlichen Gesinnung und dem gesunden Blick dieses edlen Staatsmannes
mitfühlen, so einig wir mit ihm sind über das nächste Ziel, welches die deutsche
Bewegung zu verfolgen hat.

Nicht darum sind wir bedenklich über Erfurt, weil wir Preußen erobernde
Gelüste zutrauten; weil wir ihm die Absicht unterlegten, die kleinen Staaten in
den wesentlichsten Eigenschaften ihrer Souveränität zu beschränken, sie auf eine
gelinde Weise zu mediatisiren. — Wäre dies unsere Ansicht, so würde uns das
bestimmen, ans allen Kräften für Erfurt zu wirken. Denn ein freies politisches
Wesen kann nur dann gedeihen, wenn es eine angemessene materielle Basis
gewinnt.

Vielmehr haben uns die neuesten Ereignisse — die Botschaft, die Art des
Schwures, das Verhalten in der mecklenburgischen Frage, die räthselhafte Geschichte
in Kassel und vieles Andere — zu der Ansicht gebracht, daß Preußen gegen sich
selber intriguirt, daß es Mit der einen Hand von sich stößt, was es mit der an-


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[0436] Louis Napoleon zum Protector der neuen Conföderation ernannt, und München, Dresden, Stuttgart durch französische Besatzungen verstärkt. Zum dritten. Der neue Bundestag soll das Recht haben, die deutsche Po¬ litik im Auslande zu vertrete»; das darf aber die souveränen Einzelstaaten nicht hindern, ihre eigene Politik gleichfalls im Ausland zu vertreten. Die Bundes¬ regierung hat volle Gewalt in allen innern Angelegenheiten, aber das Veto eines einzelnen Staats kann ihre Beschlüsse annulliren. Nur Oestreich und Preußen ist es untersagt, ihr Veto gegen einen Majoritätsbeschluß der übrigen Bundesglieder einzulegen. Zum vierten. Da Oestreich und Preußen bereits erklärt haben, ein aus Ur- wähler hervorgegangenes Parlament für die gesammten Bundesländer nicht anzu- erkennen, und da Baiern ungefähr das Nämliche gesagt hat, so müssen diese drei Staaten von den übrigen dazu gezwungen werden. — Sich ernsthaft mit diesen neugroßdeutschen Einfällen zu beschäftigen, lohnt nicht der Mühe. Aber Eines soll das deutsche Volk aus dem Manifest lerne». Die demokratische Partei erklärt jetzt die Ideen, die sie seit zwei Jahren gepre¬ digt, für die Robert Blum und Andere in den Tod gegangen sind, für die noch viele Mitbürger in den Gefängnissen schmachten, sie erklärt sie für hohle Re¬ densarten; sie gibt ihr bisheriges Feldgeschrei, die Reichsverfassung vom 28^ März, vollständig auf zu Gunsten des alten Bundestags. Mögen dem Volke endlich die Augen aufgehen über diejenigen, die es bisher verführt haben! Wir müssen noch eine Bemerkung anknüpfen. Wir haben uns in der letzten Zeit dahin ausgesprochen, daß wir uns von Erfurt uicht Viel versprechen; daß wir gegen den Carlowitz'schen Antrag gestimmt haben würden, so sehr wir auch mit der redlichen Gesinnung und dem gesunden Blick dieses edlen Staatsmannes mitfühlen, so einig wir mit ihm sind über das nächste Ziel, welches die deutsche Bewegung zu verfolgen hat. Nicht darum sind wir bedenklich über Erfurt, weil wir Preußen erobernde Gelüste zutrauten; weil wir ihm die Absicht unterlegten, die kleinen Staaten in den wesentlichsten Eigenschaften ihrer Souveränität zu beschränken, sie auf eine gelinde Weise zu mediatisiren. — Wäre dies unsere Ansicht, so würde uns das bestimmen, ans allen Kräften für Erfurt zu wirken. Denn ein freies politisches Wesen kann nur dann gedeihen, wenn es eine angemessene materielle Basis gewinnt. Vielmehr haben uns die neuesten Ereignisse — die Botschaft, die Art des Schwures, das Verhalten in der mecklenburgischen Frage, die räthselhafte Geschichte in Kassel und vieles Andere — zu der Ansicht gebracht, daß Preußen gegen sich selber intriguirt, daß es Mit der einen Hand von sich stößt, was es mit der an-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/436>, abgerufen am 21.06.2024.