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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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nicht mehr Militär in das Fürstentum Serbien führen, als zur Besetzung von
Belgrad und drei kleineren Forts nöthig ist, und unsere Regierung wird die Sache
noch weniger hindern könne", selbst wenn sie den Willen hätte.

Fast eben so schlimm steht es in Bosnien. Im vorigen Jahre habe ich ver¬
sucht, in Ihrem Blatt eine Darstellung von den verworrenen Verhältnissen dieses
Landes zu geben. Was sich schon beim Beginn des Aufstandes vorhersehn ließ,
ist eingetroffen. Die Türken waren nicht im Stande, den Aufstand der mnha-
medcinischen Bosnier zu unterdrücken, welche von der südslavischen Bewegung an¬
gesteckt und durch die Steuerreform der Pforte aussätzig gemacht, angefangen haben,
sich als Slaven gegenüber ihren eigenen Glaubensgenossen, den Türken, zu fühlen.
Damals sahn diese verwilderten Männer noch nach Oestreich und auf Jellachich.
Bereits im Jahr 1848 hatten sich ihm die Beys und türkischen Bandenführer
längs der Grenze als Helfer bei. seinem Zuge gegen die Ungarn angetragen; na¬
türlich hatte er ihre Hilfe zurückgewiesen. Noch im Jahr 1849 putzten sie ihren
Aufstand mit seinem Namen heraus und erklärten, das nördliche Bosnien zu sei¬
nem Königreiche werfe" zu wolle", denn das Stammschloß seiner Familie liege in
der Kraina (dem nordwestlichen Winkel Bosniens) und er sei ihr Landsmann und
Held. Jetzt aber hat Jellachich durch seiue Treue gegen die Negierung so viel
von seiner Popularität an der Grenze eingebüßt und Oestreichs Ansehn bei die¬
sen Barbaren ist durch die russische Intervention so sehr verringert worden, daß
die aufsätzigen Bosnier sich nach einem andern Namen umsehn müssen, durch den
sie ihrer Empörung einen guten Anstrich und Rückhalt geben. Es ist nicht zwei¬
felhaft, daß sie ihn finden werden. Kaiser Nikolaus hat uicht nöthig, selbst mit
dem rebellischen Gesindel zu verhandeln, seine Agenten werden auch ohne directen
Befehl mehr Versprechungen einblasen, als nöthig sind, die Jnsurrection von
Neuem in Flammen auflodern zu lassen. Allerlei Versprechunge", welche der tür¬
kische Vezir von Travnik den Empörern gemacht hatte und der herannahende Win¬
ter haben die Haufen der böhmischen Empörer am Ende des vorigen Jahres zer¬
streut, jetzt aber ist kaum der Schnee von ihren waldigen Hügeln herabgeschmolzen
und sie erheben trotziger und anspruchsvoller das Haupt als im letzten Jahre.
Schon während ich dies schreibe, laufen sie wieder auf ihren Burgen zusammen,
schießen ihre Pistolen in die Luft und stoßen wilde Drohungen gegen die Pforte
aus, halten weise Berathungen und hören auf den Rath solcher, welche im Winter
die Reise nach Belgrad in die Häuser der russischen Agenten gemacht haben.

Im Südwesten Bosniens aber beherrscht Nußland ohne Widerspruch sogar ein
Gebiet und einen Heerbann von 20,000 Männern. Zwischen dem See von Scu-
tari, der Herzegowina, und dem Meer von Cattaro liegen die "freien" Berge der
Montenegriner, ein Felsenland von mehr als 80 Quadratmeilen und mehr als
100,000 Einwohnern unter der Herrschaft Sr. Eminenz des griechischen Bischofs
Petrovic Negosch, des Vladika von Montenegro und Berta. Monstgnor und


nicht mehr Militär in das Fürstentum Serbien führen, als zur Besetzung von
Belgrad und drei kleineren Forts nöthig ist, und unsere Regierung wird die Sache
noch weniger hindern könne», selbst wenn sie den Willen hätte.

Fast eben so schlimm steht es in Bosnien. Im vorigen Jahre habe ich ver¬
sucht, in Ihrem Blatt eine Darstellung von den verworrenen Verhältnissen dieses
Landes zu geben. Was sich schon beim Beginn des Aufstandes vorhersehn ließ,
ist eingetroffen. Die Türken waren nicht im Stande, den Aufstand der mnha-
medcinischen Bosnier zu unterdrücken, welche von der südslavischen Bewegung an¬
gesteckt und durch die Steuerreform der Pforte aussätzig gemacht, angefangen haben,
sich als Slaven gegenüber ihren eigenen Glaubensgenossen, den Türken, zu fühlen.
Damals sahn diese verwilderten Männer noch nach Oestreich und auf Jellachich.
Bereits im Jahr 1848 hatten sich ihm die Beys und türkischen Bandenführer
längs der Grenze als Helfer bei. seinem Zuge gegen die Ungarn angetragen; na¬
türlich hatte er ihre Hilfe zurückgewiesen. Noch im Jahr 1849 putzten sie ihren
Aufstand mit seinem Namen heraus und erklärten, das nördliche Bosnien zu sei¬
nem Königreiche werfe» zu wolle», denn das Stammschloß seiner Familie liege in
der Kraina (dem nordwestlichen Winkel Bosniens) und er sei ihr Landsmann und
Held. Jetzt aber hat Jellachich durch seiue Treue gegen die Negierung so viel
von seiner Popularität an der Grenze eingebüßt und Oestreichs Ansehn bei die¬
sen Barbaren ist durch die russische Intervention so sehr verringert worden, daß
die aufsätzigen Bosnier sich nach einem andern Namen umsehn müssen, durch den
sie ihrer Empörung einen guten Anstrich und Rückhalt geben. Es ist nicht zwei¬
felhaft, daß sie ihn finden werden. Kaiser Nikolaus hat uicht nöthig, selbst mit
dem rebellischen Gesindel zu verhandeln, seine Agenten werden auch ohne directen
Befehl mehr Versprechungen einblasen, als nöthig sind, die Jnsurrection von
Neuem in Flammen auflodern zu lassen. Allerlei Versprechunge», welche der tür¬
kische Vezir von Travnik den Empörern gemacht hatte und der herannahende Win¬
ter haben die Haufen der böhmischen Empörer am Ende des vorigen Jahres zer¬
streut, jetzt aber ist kaum der Schnee von ihren waldigen Hügeln herabgeschmolzen
und sie erheben trotziger und anspruchsvoller das Haupt als im letzten Jahre.
Schon während ich dies schreibe, laufen sie wieder auf ihren Burgen zusammen,
schießen ihre Pistolen in die Luft und stoßen wilde Drohungen gegen die Pforte
aus, halten weise Berathungen und hören auf den Rath solcher, welche im Winter
die Reise nach Belgrad in die Häuser der russischen Agenten gemacht haben.

Im Südwesten Bosniens aber beherrscht Nußland ohne Widerspruch sogar ein
Gebiet und einen Heerbann von 20,000 Männern. Zwischen dem See von Scu-
tari, der Herzegowina, und dem Meer von Cattaro liegen die „freien" Berge der
Montenegriner, ein Felsenland von mehr als 80 Quadratmeilen und mehr als
100,000 Einwohnern unter der Herrschaft Sr. Eminenz des griechischen Bischofs
Petrovic Negosch, des Vladika von Montenegro und Berta. Monstgnor und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/432>, abgerufen am 21.06.2024.