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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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gesichert. Leise und heimlich hat es seit Jahren seine Fäden gesponnen, es hat
den Gläubigen das griechische Krenz entgegen gehalten, den Häuptlingen sein
Gold zum offenem Fenster hineingeworfen, die Ehrgeizigen durch Ehrenzeichen,
Würden und Aussicht auf glänzende Carriere gefesselt. Wenn es rathsam wäre,
durch die geschwollenen Fluthen der Sane nach Belgrad überzusetzen, wollte ich
Ihnen in der Serbenstadt zeigen, wie hoch die russische Partei jetzt ihr Haupt
trägt. Es war sehr natürlich, daß das serbischeMilitär russisch organisirt wurde,
bis zu den Signalen und dem Commando, es war auch natürlich, daß die Häupt¬
linge der Serben, welche den schwachen Sohn des schwarzen Georg regieren, durch
Geschenke und Auszeichnungen des großen Czaren geehrt wurden, und sehr natür¬
lich ist es auch, daß die Herrschaft des jchigen Fürsten von Serbien und verhält¬
nißmäßige Ruhe im Lande besteht, so lange Rußland kein Interesse hat, innere
Unrnhe zu erregen. Sie wissen, daß der jetzige Fürst, Alexander Karageorgevicz,
ein unbedeutender Mann, der aber von einer starken Partei der serbischen Patrio¬
ten gestützt wird, seine Erhebung zum Fürsten der Vertreibung der Familie Obre-
novicz verdankt. Fürst Milosch Obrenovicz und sein Sohn Michael haben seitdem
die Hoffnung nicht aufgegeben, die Herrschaft wieder zu gewinnen. Der alte
Satan Milosch suchte sich in Rußland beliebt zu machen, sein Sohn Michael wußte
die liberale slavische Jugend in Oestreich für sich zu interessiren. Jetzt hören wir,
daß Michael Obrenovicz in Wien angekommen ist, und schließen, daß der Plan
reif sei, an die Stelle Alexanders wieder die verwandte Fürstenfamilie einzusetzen.
Schon lauge ist eine starke Partei im Fürstenthum für sie thätig. Ob Schwar¬
zenberg bei diesen Intriguen die Hand im Spiele hat, den russischen Einfluß zu
fördern oder zu kreutzen, wissen wir hier nicht, wohl aber weiß hier Jeder, daß
eine Erschütterung des serbischen Fürstentums dem Czaren auch ohne Krieg mit
der Pforte die beste Gelegenheit gibt, öffentlich als das aufzutreten, was er factisch
bereits ist, als Herr von Serbien. Schon sprechen seine Agenten, abgedankte rus¬
sische Offiziere, in den Kaffeestuben zu Belgrad laut von der Berpflichung aller
serbischen Christen im bevorstehenden Kampfe Rußlands mit der Türkei loszu¬
schlagen und sich an Rußland anzuschließen, und der Serbe, welcher mit Ingrimm
die blauen Spencer und rothen Käppchen der türkischen Besatzung in der Beste
und an dreien seiner Stadtthore sieht, erwartet mit wilder Freude den Tag, wo
er seinen Handzar gegen ihren Hals drehen wird. Schon bringt der russische
Consul bei einem öffentlichen Gastmahl den Toast aus: Aus die Vereinigung der
Serben mit Nußland! und keiner von den Patrioten, welche um ihn sitzen, wagt
zu widersprechen. Sobald der erste Kanonenschuß Rußlands gegen die Pforte
gefallen ist, werden die Serben über die Besatzung der' türkischen Beste herfallen,
und russisches Militär wird die wichtige Donauposition besetzen. Und kommt's
nicht zum Kriege, so thut vielleicht ein Thronwechsel denselben Dienst. Die Tür¬
ken vermögen - dies nicht zu hindern, denn sie dürfen nach dem Friedenstraktat


gesichert. Leise und heimlich hat es seit Jahren seine Fäden gesponnen, es hat
den Gläubigen das griechische Krenz entgegen gehalten, den Häuptlingen sein
Gold zum offenem Fenster hineingeworfen, die Ehrgeizigen durch Ehrenzeichen,
Würden und Aussicht auf glänzende Carriere gefesselt. Wenn es rathsam wäre,
durch die geschwollenen Fluthen der Sane nach Belgrad überzusetzen, wollte ich
Ihnen in der Serbenstadt zeigen, wie hoch die russische Partei jetzt ihr Haupt
trägt. Es war sehr natürlich, daß das serbischeMilitär russisch organisirt wurde,
bis zu den Signalen und dem Commando, es war auch natürlich, daß die Häupt¬
linge der Serben, welche den schwachen Sohn des schwarzen Georg regieren, durch
Geschenke und Auszeichnungen des großen Czaren geehrt wurden, und sehr natür¬
lich ist es auch, daß die Herrschaft des jchigen Fürsten von Serbien und verhält¬
nißmäßige Ruhe im Lande besteht, so lange Rußland kein Interesse hat, innere
Unrnhe zu erregen. Sie wissen, daß der jetzige Fürst, Alexander Karageorgevicz,
ein unbedeutender Mann, der aber von einer starken Partei der serbischen Patrio¬
ten gestützt wird, seine Erhebung zum Fürsten der Vertreibung der Familie Obre-
novicz verdankt. Fürst Milosch Obrenovicz und sein Sohn Michael haben seitdem
die Hoffnung nicht aufgegeben, die Herrschaft wieder zu gewinnen. Der alte
Satan Milosch suchte sich in Rußland beliebt zu machen, sein Sohn Michael wußte
die liberale slavische Jugend in Oestreich für sich zu interessiren. Jetzt hören wir,
daß Michael Obrenovicz in Wien angekommen ist, und schließen, daß der Plan
reif sei, an die Stelle Alexanders wieder die verwandte Fürstenfamilie einzusetzen.
Schon lauge ist eine starke Partei im Fürstenthum für sie thätig. Ob Schwar¬
zenberg bei diesen Intriguen die Hand im Spiele hat, den russischen Einfluß zu
fördern oder zu kreutzen, wissen wir hier nicht, wohl aber weiß hier Jeder, daß
eine Erschütterung des serbischen Fürstentums dem Czaren auch ohne Krieg mit
der Pforte die beste Gelegenheit gibt, öffentlich als das aufzutreten, was er factisch
bereits ist, als Herr von Serbien. Schon sprechen seine Agenten, abgedankte rus¬
sische Offiziere, in den Kaffeestuben zu Belgrad laut von der Berpflichung aller
serbischen Christen im bevorstehenden Kampfe Rußlands mit der Türkei loszu¬
schlagen und sich an Rußland anzuschließen, und der Serbe, welcher mit Ingrimm
die blauen Spencer und rothen Käppchen der türkischen Besatzung in der Beste
und an dreien seiner Stadtthore sieht, erwartet mit wilder Freude den Tag, wo
er seinen Handzar gegen ihren Hals drehen wird. Schon bringt der russische
Consul bei einem öffentlichen Gastmahl den Toast aus: Aus die Vereinigung der
Serben mit Nußland! und keiner von den Patrioten, welche um ihn sitzen, wagt
zu widersprechen. Sobald der erste Kanonenschuß Rußlands gegen die Pforte
gefallen ist, werden die Serben über die Besatzung der' türkischen Beste herfallen,
und russisches Militär wird die wichtige Donauposition besetzen. Und kommt's
nicht zum Kriege, so thut vielleicht ein Thronwechsel denselben Dienst. Die Tür¬
ken vermögen - dies nicht zu hindern, denn sie dürfen nach dem Friedenstraktat


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/431>, abgerufen am 21.06.2024.