Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.Der Unwille des lesenden Volkes, und zwar der Landbewohner Oestreichs Hans Jörgel wird daher desavouirt und höhnend weist man ihn an ein Der Unwille des lesenden Volkes, und zwar der Landbewohner Oestreichs Hans Jörgel wird daher desavouirt und höhnend weist man ihn an ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0428" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93251"/> <p xml:id="ID_1476"> Der Unwille des lesenden Volkes, und zwar der Landbewohner Oestreichs<lb/> gegen Ton und Haltung dieser Schrift hat aber das Gouvernement belehrt, daß<lb/> in solcher Weise und mit solchen Leuten keine Propaganda sür die Regierung ge¬<lb/> macht werde. Die Vertheidiger des Standrechts und die Lobpreiser der Militär¬<lb/> gewalt finden keinen Anhang im Volke; selbst der frühere Günstling Hans Jörgel<lb/> wird als serviler, reactionärer Knecht und Denunciant aus der Hütte des Bauers<lb/> geworfen. Trotz Polizei und Censur im Vormärz, wie trotz Militär und Polizei<lb/> im Nachoctöber ist das Gemüth des Oestreichers unverdorben geblieben, und anßer<lb/> beim „Heurigen" ist sein Kopf nicht umnebelt; er hat nur Eins verloren in die¬<lb/> ser schweren Zeit, und das ist die Neigung und Anhänglichkeit für den Thron,<lb/> seitdem ihn Räthe umgeben, welche Gnade für Schwäche halten und Executionen<lb/> für Stärke. Scribenten, welche dies billigen oder gar dazu ermuntern, haben auf<lb/> keine gastliche Aufnahme beim östreichischen Volke Anspruch.</p><lb/> <p xml:id="ID_1477"> Hans Jörgel wird daher desavouirt und höhnend weist man ihn an ein<lb/> Preßgericht; es wird andern Subjecten ebenso ergehen, und all' die kleinen Käfer<lb/> der Journalistik, die sich im Belagerungszustände gütlich thun, werden vom Volke<lb/> wie von der Behörde verjagt werden, sobald eine Meinung sich äußern darf.<lb/> Möglich, daß die Negierung einen Hrn. Böhringer, (Redacteur der Geißel), Hrn.<lb/> Bäuerle und Aehnliche mit dem neucreirten Franz-Josephs-Orden beschenkt; aber<lb/> die Negierung hat auch sonst das Vertrauen verwirkt, daß diejenigen, die sie mit<lb/> Auszeichnungen bedenkt, eine ehrende Auszeichnung verdienen. Das Schooßkind-<lb/> chen Hans Jörgel wird öffentlich eine Schandsäule Wiens genannt, ein Schelm<lb/> u. s. w., und nicht öffentlich werden noch Viele so genannt, die ihre Libelle fort¬<lb/> erscheinen lassen, hohen und höchsten Schutz genießen oder statt mit der Feder<lb/> mit der bösen Zunge Handthieren. Die Stimmung gegen die Menschen bezeichnet<lb/> Hans Jörgel am besten, der sich mitten unter Kanonen und Bayonnetten bei Be¬<lb/> lagerungszustand und Kriegsgericht vor dem Aufhängen fürchtet. Solches Schicksal<lb/> droht dem Armen gewiß nicht, außer wenn etwa die Commandantur seine incen-<lb/> diarischen Artikel für straffähig hält; aber spurlos wird Hr. Weis aus dem Ge¬<lb/> dächtnisse verschwinden, wie jetzt seine Hefte, höchstens daß die durch seine De¬<lb/> nunciationen Gekränkten und Beeinträchtigten ihm ein würdiges Denkmal wid¬<lb/> men dürften. Es dürfte keine Ehrensäule für Haus Jörgel sein.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0428]
Der Unwille des lesenden Volkes, und zwar der Landbewohner Oestreichs
gegen Ton und Haltung dieser Schrift hat aber das Gouvernement belehrt, daß
in solcher Weise und mit solchen Leuten keine Propaganda sür die Regierung ge¬
macht werde. Die Vertheidiger des Standrechts und die Lobpreiser der Militär¬
gewalt finden keinen Anhang im Volke; selbst der frühere Günstling Hans Jörgel
wird als serviler, reactionärer Knecht und Denunciant aus der Hütte des Bauers
geworfen. Trotz Polizei und Censur im Vormärz, wie trotz Militär und Polizei
im Nachoctöber ist das Gemüth des Oestreichers unverdorben geblieben, und anßer
beim „Heurigen" ist sein Kopf nicht umnebelt; er hat nur Eins verloren in die¬
ser schweren Zeit, und das ist die Neigung und Anhänglichkeit für den Thron,
seitdem ihn Räthe umgeben, welche Gnade für Schwäche halten und Executionen
für Stärke. Scribenten, welche dies billigen oder gar dazu ermuntern, haben auf
keine gastliche Aufnahme beim östreichischen Volke Anspruch.
Hans Jörgel wird daher desavouirt und höhnend weist man ihn an ein
Preßgericht; es wird andern Subjecten ebenso ergehen, und all' die kleinen Käfer
der Journalistik, die sich im Belagerungszustände gütlich thun, werden vom Volke
wie von der Behörde verjagt werden, sobald eine Meinung sich äußern darf.
Möglich, daß die Negierung einen Hrn. Böhringer, (Redacteur der Geißel), Hrn.
Bäuerle und Aehnliche mit dem neucreirten Franz-Josephs-Orden beschenkt; aber
die Negierung hat auch sonst das Vertrauen verwirkt, daß diejenigen, die sie mit
Auszeichnungen bedenkt, eine ehrende Auszeichnung verdienen. Das Schooßkind-
chen Hans Jörgel wird öffentlich eine Schandsäule Wiens genannt, ein Schelm
u. s. w., und nicht öffentlich werden noch Viele so genannt, die ihre Libelle fort¬
erscheinen lassen, hohen und höchsten Schutz genießen oder statt mit der Feder
mit der bösen Zunge Handthieren. Die Stimmung gegen die Menschen bezeichnet
Hans Jörgel am besten, der sich mitten unter Kanonen und Bayonnetten bei Be¬
lagerungszustand und Kriegsgericht vor dem Aufhängen fürchtet. Solches Schicksal
droht dem Armen gewiß nicht, außer wenn etwa die Commandantur seine incen-
diarischen Artikel für straffähig hält; aber spurlos wird Hr. Weis aus dem Ge¬
dächtnisse verschwinden, wie jetzt seine Hefte, höchstens daß die durch seine De¬
nunciationen Gekränkten und Beeinträchtigten ihm ein würdiges Denkmal wid¬
men dürften. Es dürfte keine Ehrensäule für Haus Jörgel sein.
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