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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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lagerungsznstand sogar ihm gepreßten Brust, und kurz entschließt er sich, der un¬
dankbaren Krone, der undankbaren Regierung, der undankbaren Militärcommau-
dantur und dem undankbaren Volke Adieu zu sagen, und Alle ihrem traurigen
Schicksale zu überlassen, "er setzt daweil im Belagerungszustande seine Hefte aus,"
zu deutsch, er schreibt keine Briefe mehr. Ganz radical, wühlerisch und revolu¬
tionär setzt Haus Jörgel hinzu: "i muß sagen, dös is ebeu so wenig eine Zeit
für'n Hans Jörgel, als sie's im October war. Wir haben dös jetzt geistig und
moralisch, was wir im October physisch gehabt haben, un bis nit dagegen
Gesetze, nit auf'u Papier, sondern im Leben da sein, bis dahin wird der Hans
Jörgel verstummen."

Also auch Du, Haus Jörgel, machst Opposition, auch Weis setzt sich auf die
Linke!? "Lang kann dieser Zustand ja unmöglich dauern," exclamirt der Umsturz¬
mann Weis, "un kummt a Gesetz, daun is a der Hans Jörgel wieder da."

Zum Schlüsse dieses Schlußheftes citirt Haus Jörgel, um zu beweisen, daß
er kein moralisches Aas und kein schlechter Kerl sei, die Sammlungen, die er für
verschiedene wohlthätige Zwecke, für Abgebrannte, Nothleidende, für Armeebedürf¬
nisse ze. veranstaltete, und geht hierauf ab von der Schaubühne, nach Andern
Schaudbühue des Hans Jörgel mit den Worten:

"Möge für die Regierung mein Schweigen beredter als meine Worte sein."


I. K. "ele.


Der Verleger Dirnböck erklärt, daß er das lucrative Geschäft durch einen
Andern fortführe" werde, also Hans Jörgl ost mort, vive Hans Jörgel.

Die scherzhafte Sache hat doch einige ernste Seiten. So tief gesunken sind die
Zustände nach dem Einmarsch des Fürsten Windischgrätz in Wien und seit Beginn
der Militärherrschaft, daß Käuze dieser Art wie Hans Jörgel politische Rollen
übernehmen konnten, und sich für Stützen des Thrones und des Reiches ausge¬
ben. Herr Weis ist unfähig einen gramatikalisch richtigen Aufsatz zu verfassen,
es fehlen ihm die ersten Elementarbegriffe jeder Wissenschaft. Wir wollen dem
Charakter, dem guten Herzen und guten Willen des Genannten nicht nahe treten;
aber der trefflichste Charakter und das beste Herz wird verdunkelt, wenn die Arro¬
ganz vorherrscht, sich in Dinge zu mengen, die weit den Horizont des Betreffen¬
den überragen. Herr Weis ließ sich in seiner Aufwallung gegen junge Leute und
im gerechten Zorne gegen Latour's Mörder zum untersten Spitzelthum fortreißen;
er und Ebersberg steckten die Fahne der rothen Reaction aus, wofür Letzterer von
Preußen deu rothen Adlerorden erhielt, Ersterer die Concession der Militärbe¬
hörde zur Herausgabe einer "Volkszeitung", und commv vn ein eine Subvention
vom Ministerium mit 5000 Fi. jährlich. Die böse Welt meint nun, daß Herr
Weis den nicht mehr so einträglichen Hans Jörgel aufgebe, um sich ganz der
Volkszeitung zu widmen.


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lagerungsznstand sogar ihm gepreßten Brust, und kurz entschließt er sich, der un¬
dankbaren Krone, der undankbaren Regierung, der undankbaren Militärcommau-
dantur und dem undankbaren Volke Adieu zu sagen, und Alle ihrem traurigen
Schicksale zu überlassen, „er setzt daweil im Belagerungszustande seine Hefte aus,"
zu deutsch, er schreibt keine Briefe mehr. Ganz radical, wühlerisch und revolu¬
tionär setzt Haus Jörgel hinzu: „i muß sagen, dös is ebeu so wenig eine Zeit
für'n Hans Jörgel, als sie's im October war. Wir haben dös jetzt geistig und
moralisch, was wir im October physisch gehabt haben, un bis nit dagegen
Gesetze, nit auf'u Papier, sondern im Leben da sein, bis dahin wird der Hans
Jörgel verstummen."

Also auch Du, Haus Jörgel, machst Opposition, auch Weis setzt sich auf die
Linke!? „Lang kann dieser Zustand ja unmöglich dauern," exclamirt der Umsturz¬
mann Weis, „un kummt a Gesetz, daun is a der Hans Jörgel wieder da."

Zum Schlüsse dieses Schlußheftes citirt Haus Jörgel, um zu beweisen, daß
er kein moralisches Aas und kein schlechter Kerl sei, die Sammlungen, die er für
verschiedene wohlthätige Zwecke, für Abgebrannte, Nothleidende, für Armeebedürf¬
nisse ze. veranstaltete, und geht hierauf ab von der Schaubühne, nach Andern
Schaudbühue des Hans Jörgel mit den Worten:

„Möge für die Regierung mein Schweigen beredter als meine Worte sein."


I. K. «ele.


Der Verleger Dirnböck erklärt, daß er das lucrative Geschäft durch einen
Andern fortführe» werde, also Hans Jörgl ost mort, vive Hans Jörgel.

Die scherzhafte Sache hat doch einige ernste Seiten. So tief gesunken sind die
Zustände nach dem Einmarsch des Fürsten Windischgrätz in Wien und seit Beginn
der Militärherrschaft, daß Käuze dieser Art wie Hans Jörgel politische Rollen
übernehmen konnten, und sich für Stützen des Thrones und des Reiches ausge¬
ben. Herr Weis ist unfähig einen gramatikalisch richtigen Aufsatz zu verfassen,
es fehlen ihm die ersten Elementarbegriffe jeder Wissenschaft. Wir wollen dem
Charakter, dem guten Herzen und guten Willen des Genannten nicht nahe treten;
aber der trefflichste Charakter und das beste Herz wird verdunkelt, wenn die Arro¬
ganz vorherrscht, sich in Dinge zu mengen, die weit den Horizont des Betreffen¬
den überragen. Herr Weis ließ sich in seiner Aufwallung gegen junge Leute und
im gerechten Zorne gegen Latour's Mörder zum untersten Spitzelthum fortreißen;
er und Ebersberg steckten die Fahne der rothen Reaction aus, wofür Letzterer von
Preußen deu rothen Adlerorden erhielt, Ersterer die Concession der Militärbe¬
hörde zur Herausgabe einer „Volkszeitung", und commv vn ein eine Subvention
vom Ministerium mit 5000 Fi. jährlich. Die böse Welt meint nun, daß Herr
Weis den nicht mehr so einträglichen Hans Jörgel aufgebe, um sich ganz der
Volkszeitung zu widmen.


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[0427] lagerungsznstand sogar ihm gepreßten Brust, und kurz entschließt er sich, der un¬ dankbaren Krone, der undankbaren Regierung, der undankbaren Militärcommau- dantur und dem undankbaren Volke Adieu zu sagen, und Alle ihrem traurigen Schicksale zu überlassen, „er setzt daweil im Belagerungszustande seine Hefte aus," zu deutsch, er schreibt keine Briefe mehr. Ganz radical, wühlerisch und revolu¬ tionär setzt Haus Jörgel hinzu: „i muß sagen, dös is ebeu so wenig eine Zeit für'n Hans Jörgel, als sie's im October war. Wir haben dös jetzt geistig und moralisch, was wir im October physisch gehabt haben, un bis nit dagegen Gesetze, nit auf'u Papier, sondern im Leben da sein, bis dahin wird der Hans Jörgel verstummen." Also auch Du, Haus Jörgel, machst Opposition, auch Weis setzt sich auf die Linke!? „Lang kann dieser Zustand ja unmöglich dauern," exclamirt der Umsturz¬ mann Weis, „un kummt a Gesetz, daun is a der Hans Jörgel wieder da." Zum Schlüsse dieses Schlußheftes citirt Haus Jörgel, um zu beweisen, daß er kein moralisches Aas und kein schlechter Kerl sei, die Sammlungen, die er für verschiedene wohlthätige Zwecke, für Abgebrannte, Nothleidende, für Armeebedürf¬ nisse ze. veranstaltete, und geht hierauf ab von der Schaubühne, nach Andern Schaudbühue des Hans Jörgel mit den Worten: „Möge für die Regierung mein Schweigen beredter als meine Worte sein." I. K. «ele. Der Verleger Dirnböck erklärt, daß er das lucrative Geschäft durch einen Andern fortführe» werde, also Hans Jörgl ost mort, vive Hans Jörgel. Die scherzhafte Sache hat doch einige ernste Seiten. So tief gesunken sind die Zustände nach dem Einmarsch des Fürsten Windischgrätz in Wien und seit Beginn der Militärherrschaft, daß Käuze dieser Art wie Hans Jörgel politische Rollen übernehmen konnten, und sich für Stützen des Thrones und des Reiches ausge¬ ben. Herr Weis ist unfähig einen gramatikalisch richtigen Aufsatz zu verfassen, es fehlen ihm die ersten Elementarbegriffe jeder Wissenschaft. Wir wollen dem Charakter, dem guten Herzen und guten Willen des Genannten nicht nahe treten; aber der trefflichste Charakter und das beste Herz wird verdunkelt, wenn die Arro¬ ganz vorherrscht, sich in Dinge zu mengen, die weit den Horizont des Betreffen¬ den überragen. Herr Weis ließ sich in seiner Aufwallung gegen junge Leute und im gerechten Zorne gegen Latour's Mörder zum untersten Spitzelthum fortreißen; er und Ebersberg steckten die Fahne der rothen Reaction aus, wofür Letzterer von Preußen deu rothen Adlerorden erhielt, Ersterer die Concession der Militärbe¬ hörde zur Herausgabe einer „Volkszeitung", und commv vn ein eine Subvention vom Ministerium mit 5000 Fi. jährlich. Die böse Welt meint nun, daß Herr Weis den nicht mehr so einträglichen Hans Jörgel aufgebe, um sich ganz der Volkszeitung zu widmen. 53*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/427>, abgerufen am 21.06.2024.