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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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in Geldsachen hört bekanntlich die Gemüthlichkeit auf. Wozu diese ungeheuern
Umstände, eine Sache ins Werk zu setzen, die man auf viel einfacheren Wege er¬
reichen konnte! -- Um doch von sich sprechen zu machen! -- Vergleicht man da¬
bei, daß Nadowitz die preußische Regierung nur aus Rücksichten gegen den Bund
die Entfesselung der Presse verschieben läßt, in demselben Augenblick, wo Preußen
seine eigene und die Presse der übrigen Bundesländer gewaltsam unterdrückt, so
wird es schwer, das Gefühl zum Schweigen zu bringen, das sich unwillkürlich
dabei aufdrängt.

In demselben Augenblick, wo Deutschland nach einer Bundesrevision strebt,
die doch mehr oder minder die Duodezsouveränität beschränken mußte, intriguirt
Radowitz gegen denselben Versuch der Eidgenossenschaft, auf die Gefahr hin, einen
europäischen Krieg zu erregen! begegnet man in Berlin den getreuen Ständen mit
Hohn und Verachtung, und erklärt ihnen, daß man nie ein beschriebenes Papier
zwischen Gott und die königliche Majestät wolle sich drängen lassen.

Genug von der vormärzlichen Zeit. Nadowitz war ein Diener seines Herrn,
und hatte mir darüber Rath zu ertheilen, wie die Beschlüsse desselben auszufüh¬
ren seien, nicht was man beschließen solle. Gehen wir auf seine parlamentarische
Thätigkeit über.

Nadowitz eröffnete dieselbe, indem er aus preußischen Diensten trat. Sein
Biograph findet diesen Schritt bei dem Eintritt einer neuen Regierung, wo man
irgend auf constitutionelle Begriffe etwas halte, ganz unvermeidlich. -- Ich
habe noch nie etwas davon gehört, daß in einem konstitutionellen Staat die Offi¬
ziere ihre Entlassung geben, wenn ein neues Ministerium an's Ruder kommt.--
Nadowitz wollte freie Hand haben, aber nicht der Nationalversammlung gegenüber,
denn er hätte als Preuße nicht weiter rechts rücken können, als er ohnehin saß;
sondern Oestreich gegenüber. Damals -- und "och im August -- war preußi¬
scher Dienst keine Empfehlung für das neue Regiment/ Später, als die preußi¬
schen Actien stiegen, hat Radowitz sich mit einer gewissen Ostentation darüber ent¬
schuldigt, daß er sich so sehr preußisch gerire; er hat versprochen, in Berlin desto
deutscher zu sein. Ich weiß nicht, wo er eigentlich sein Preußenthum so entschie¬
den, herausgekehrt haben will. Gelegenheit war damals hinlänglich gegeben; fand
doch selbst Schmerling Veranlassung, die gemeine Kriecherei vor Oestreich, welche
damals die Mainzer Demokraten mit hämischen Angriffen gegen Preußen verban¬
den mit kalter Verachtung zurückzuweisen. -- Ich will nicht sagen, daß Radowitz
sich die verschiedenen Eventualitäten mit klarer Unterscheidung zurecht gelegt habe;
aber er wollte auf alle Fälle gerüstet sein.

Daß er aber schon damals die später sehr gegen seinen Willen zu Stande
gekommene kleindeutsche Idee verfolgt haben soll, sucht uus sein Biograph verge¬
bens einzureden. Seine Neigungen, seine Principien, seine Ansichten waren groß-


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in Geldsachen hört bekanntlich die Gemüthlichkeit auf. Wozu diese ungeheuern
Umstände, eine Sache ins Werk zu setzen, die man auf viel einfacheren Wege er¬
reichen konnte! — Um doch von sich sprechen zu machen! — Vergleicht man da¬
bei, daß Nadowitz die preußische Regierung nur aus Rücksichten gegen den Bund
die Entfesselung der Presse verschieben läßt, in demselben Augenblick, wo Preußen
seine eigene und die Presse der übrigen Bundesländer gewaltsam unterdrückt, so
wird es schwer, das Gefühl zum Schweigen zu bringen, das sich unwillkürlich
dabei aufdrängt.

In demselben Augenblick, wo Deutschland nach einer Bundesrevision strebt,
die doch mehr oder minder die Duodezsouveränität beschränken mußte, intriguirt
Radowitz gegen denselben Versuch der Eidgenossenschaft, auf die Gefahr hin, einen
europäischen Krieg zu erregen! begegnet man in Berlin den getreuen Ständen mit
Hohn und Verachtung, und erklärt ihnen, daß man nie ein beschriebenes Papier
zwischen Gott und die königliche Majestät wolle sich drängen lassen.

Genug von der vormärzlichen Zeit. Nadowitz war ein Diener seines Herrn,
und hatte mir darüber Rath zu ertheilen, wie die Beschlüsse desselben auszufüh¬
ren seien, nicht was man beschließen solle. Gehen wir auf seine parlamentarische
Thätigkeit über.

Nadowitz eröffnete dieselbe, indem er aus preußischen Diensten trat. Sein
Biograph findet diesen Schritt bei dem Eintritt einer neuen Regierung, wo man
irgend auf constitutionelle Begriffe etwas halte, ganz unvermeidlich. — Ich
habe noch nie etwas davon gehört, daß in einem konstitutionellen Staat die Offi¬
ziere ihre Entlassung geben, wenn ein neues Ministerium an's Ruder kommt.—
Nadowitz wollte freie Hand haben, aber nicht der Nationalversammlung gegenüber,
denn er hätte als Preuße nicht weiter rechts rücken können, als er ohnehin saß;
sondern Oestreich gegenüber. Damals — und «och im August — war preußi¬
scher Dienst keine Empfehlung für das neue Regiment/ Später, als die preußi¬
schen Actien stiegen, hat Radowitz sich mit einer gewissen Ostentation darüber ent¬
schuldigt, daß er sich so sehr preußisch gerire; er hat versprochen, in Berlin desto
deutscher zu sein. Ich weiß nicht, wo er eigentlich sein Preußenthum so entschie¬
den, herausgekehrt haben will. Gelegenheit war damals hinlänglich gegeben; fand
doch selbst Schmerling Veranlassung, die gemeine Kriecherei vor Oestreich, welche
damals die Mainzer Demokraten mit hämischen Angriffen gegen Preußen verban¬
den mit kalter Verachtung zurückzuweisen. — Ich will nicht sagen, daß Radowitz
sich die verschiedenen Eventualitäten mit klarer Unterscheidung zurecht gelegt habe;
aber er wollte auf alle Fälle gerüstet sein.

Daß er aber schon damals die später sehr gegen seinen Willen zu Stande
gekommene kleindeutsche Idee verfolgt haben soll, sucht uus sein Biograph verge¬
bens einzureden. Seine Neigungen, seine Principien, seine Ansichten waren groß-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/417>, abgerufen am 21.06.2024.