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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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eine Länge von fünfzig Ellen, in dem davorliegenden Garten finden sich die herr¬
lichsten Gewächse, nach dem Eingänge führt eine Allee blühender Orangenbäume,
aus dem Ballsaal und den Kaffeezimmern gelangt man auf die Terrasse mit ent¬
zückender Aussicht. Mit einem Blick übersieht man von hier aus die Promenade
und das Thal, wo die Heilquellen sprudeln; überall schauen aus dem dunkeln
Grün die Baumgruppen, unzählige Prachtgebäude hervor, alle so rein und schmuck
und einladend, und den Hintergrund des lieblichen Gemäldes bildet eine Kette
waldbekränzter Hügel. Ich stand entzückt vor dem herrlichen Bilde. Es war
gerade die Zeit, wo die Musik zu spielen anfing, um die schöne Welt herbeizurufen.
Es wurde lebhafter, von allen Seiten zogen die Gäste heran, und lockende Me¬
lodien tönten dnrch die Lüste. Wahrlich, eine buntgemischte Gesellschaft fand sich
hier zusammen, aus alleu Ständen, von allen Nationen; man hörte beinah alle
Sprachen der Welt, von den süßklingeuden Dialecten Italiens an bis zu den
rauhen Idiomen des Nordens. Und diese Damentoiletten! welch' ein Luxus,
welch' ein Glanz! Ja, es gibt viel Reichthum in der Welt, oft aber ist es auch
eitles Blendwerk: nicht alle jene geschmückten Damen, die wir vor uns schauen,
sind wirklich das, was sie scheinen. Manche von ihnen, die heute noch in kost¬
baren Seidenstoffen vorüberranscht, mag sich vielleicht schon im nächsten Winter
sehr glücklich preisen, wenn sie nur ein Obdach und ein Stückchen Brot hat; und
Manche, die jetzt hier im Ueberfluß schwelgt, beschließt ihre Tage in einem Spital.

Die reichen und vornehmen Leute, welche hierher kommen, finden, wie sich
von selbst versteht, keinen Gefallen, sich mit einem Male eine andere Lebensweise
anzugewöhnendes ist ihnen sehr angenehm, daß hier Alles beim Alten bleibt; und
gerade das ist's, was sie hierher lockt, eine gute Tafel, vortreffliche Weine, hohes
Spiel, charmante Intriguen, Gelegenheit zu interessante" Abenteuern und aufre¬
genden Scenen. Für Geld ist hier Alles zu habe", Alles ist käuflich, auch die
Liebe; die Herzen werden feil geboten wie Zahnstocher. Allerdings geht man bei
solchen Abenteuern einen leisen und vorsichtigen Tritt, und man muß einigermaßen
eingeweiht sein, um die lebendigen Waaren, welche sich selbst darbieten, zu erken¬
nen.' In unserer Zeit, wo Alles in's Große getrieben wird, gibt es auch eine
Prostitution, die auf Reisen geht, einherstolzirt in Sammet und Seide, sich mit
einer glänzenden Wolke von vornehmer Exklusivität umgibt und zu blenden weiß
mit vornehm klingenden Namen und aristokratischem Gepränge. Sehet auf jene
beiden eleganten Damen in dunklem Seidengewand, auf welche alle Blicke, alle
Lorgnetten gerichtet sind! Welche Bewegung hat ihr Erscheinen hervorgebracht,
und wie leicht, wie graziös sie dahinschweben. Nachdem sie einige Male auf dem
weichen Nasen hin- und hergewandert sind, wahrscheinlich um die Aufmerksamkeit
auf sich zu lenken, gehen sie zu einem schattigen Plätzchen, wo mehrere Sessel
stehen, und lassen sich nieder. Sie bleiben uicht allein, nach wenigen Minuten
hat sich ein dichter Kreis eleganter Herren um sie gebildet. Man sieht, wie ein


eine Länge von fünfzig Ellen, in dem davorliegenden Garten finden sich die herr¬
lichsten Gewächse, nach dem Eingänge führt eine Allee blühender Orangenbäume,
aus dem Ballsaal und den Kaffeezimmern gelangt man auf die Terrasse mit ent¬
zückender Aussicht. Mit einem Blick übersieht man von hier aus die Promenade
und das Thal, wo die Heilquellen sprudeln; überall schauen aus dem dunkeln
Grün die Baumgruppen, unzählige Prachtgebäude hervor, alle so rein und schmuck
und einladend, und den Hintergrund des lieblichen Gemäldes bildet eine Kette
waldbekränzter Hügel. Ich stand entzückt vor dem herrlichen Bilde. Es war
gerade die Zeit, wo die Musik zu spielen anfing, um die schöne Welt herbeizurufen.
Es wurde lebhafter, von allen Seiten zogen die Gäste heran, und lockende Me¬
lodien tönten dnrch die Lüste. Wahrlich, eine buntgemischte Gesellschaft fand sich
hier zusammen, aus alleu Ständen, von allen Nationen; man hörte beinah alle
Sprachen der Welt, von den süßklingeuden Dialecten Italiens an bis zu den
rauhen Idiomen des Nordens. Und diese Damentoiletten! welch' ein Luxus,
welch' ein Glanz! Ja, es gibt viel Reichthum in der Welt, oft aber ist es auch
eitles Blendwerk: nicht alle jene geschmückten Damen, die wir vor uns schauen,
sind wirklich das, was sie scheinen. Manche von ihnen, die heute noch in kost¬
baren Seidenstoffen vorüberranscht, mag sich vielleicht schon im nächsten Winter
sehr glücklich preisen, wenn sie nur ein Obdach und ein Stückchen Brot hat; und
Manche, die jetzt hier im Ueberfluß schwelgt, beschließt ihre Tage in einem Spital.

Die reichen und vornehmen Leute, welche hierher kommen, finden, wie sich
von selbst versteht, keinen Gefallen, sich mit einem Male eine andere Lebensweise
anzugewöhnendes ist ihnen sehr angenehm, daß hier Alles beim Alten bleibt; und
gerade das ist's, was sie hierher lockt, eine gute Tafel, vortreffliche Weine, hohes
Spiel, charmante Intriguen, Gelegenheit zu interessante» Abenteuern und aufre¬
genden Scenen. Für Geld ist hier Alles zu habe», Alles ist käuflich, auch die
Liebe; die Herzen werden feil geboten wie Zahnstocher. Allerdings geht man bei
solchen Abenteuern einen leisen und vorsichtigen Tritt, und man muß einigermaßen
eingeweiht sein, um die lebendigen Waaren, welche sich selbst darbieten, zu erken¬
nen.' In unserer Zeit, wo Alles in's Große getrieben wird, gibt es auch eine
Prostitution, die auf Reisen geht, einherstolzirt in Sammet und Seide, sich mit
einer glänzenden Wolke von vornehmer Exklusivität umgibt und zu blenden weiß
mit vornehm klingenden Namen und aristokratischem Gepränge. Sehet auf jene
beiden eleganten Damen in dunklem Seidengewand, auf welche alle Blicke, alle
Lorgnetten gerichtet sind! Welche Bewegung hat ihr Erscheinen hervorgebracht,
und wie leicht, wie graziös sie dahinschweben. Nachdem sie einige Male auf dem
weichen Nasen hin- und hergewandert sind, wahrscheinlich um die Aufmerksamkeit
auf sich zu lenken, gehen sie zu einem schattigen Plätzchen, wo mehrere Sessel
stehen, und lassen sich nieder. Sie bleiben uicht allein, nach wenigen Minuten
hat sich ein dichter Kreis eleganter Herren um sie gebildet. Man sieht, wie ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/400>, abgerufen am 24.07.2024.