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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Ein Tag in Homburg.



Ich grüße dich, du schönes Homburg, mit deine" Heilquellen, deinen reizen¬
den Umgebungen, und euch würdige Gebrüder Blcinc, Vorsteher jener menschen¬
freundlichen Anstalt, wo vermittelst einer kleinen Drehscheibe und winziger Elfen-
beinkügelchen auf einem mit grünem Tuche beschlagenen Tische Glück und Segen
verbreitet wird über das ganze Land Homburg. -- Das Städtchen Homburg macht
einen angenehmen Eindruck, die Hauptstraße, in welche man einfährt, ist sauber
und schön; breite begneme Trottoirs; zu beiden Seiten große stattliche Gebäude,
man glaubt sich mit einem Male in eine große Residenz versetzt. Dazu das
landgräffiche Schloß mit seinen terrassenförmig absteigenden Gärten, Orangen¬
bäumen, Springbrunnen und schattigen Baumgängen. Das Schloß ist zu Ende
des 16. Jahrhunderts vom Landgrafen Friedrich II. erbaut, hat zwei Höfe und
in einem derselben befindet sich ein Thurm von 180 Fuß Höhe. Mau dichtet
diesem Thurm ein sehr hohes Alter an und behauptet, er sei römischen Ursprungs,
was nicht ganz unwahrscheinlich ist, wenigstens befinden sich in der nächsten Um¬
gebung Homburgs manche Ueberreste ans der Römerzeit. In architectonischer
Hinsicht ist es von keiner Bedeutung; das Innere dagegen ist prächtig und ge¬
schmackvoll, eine kleine Gemäldesammlung, meistens Porträts, mehrere alte Waffen,
auch einige römische Alterthümer, die in der Nachbarschaft aufgefunden sein sollen.
Vom Schloß eilt der Reisende nach dem Kursaal, der nebst den dazu gehörigen
Gärten und Parkanlagen Eigenthum der "anonymen Gesellschaft," b. h. der Her¬
ren Blaue ist. Der Weg führt durch die Parkanlagen des Schlosses und des
Kursaales, welche beide an einander grenzen und sich so unmerklich in einander
verlieren, daß man nicht weiß, wo der Fürst aufhört und die Herren Blaue an¬
fangen. Der Kursaal selbst, im griechischen Styl erbaut, ist das schönste Gebände
der Residenz Homburg, und prachtvoll und grandios ist auch das Innere! Ich glaube
nicht, daß es etwas Aehnliches gibt in Deutschland. Es ist hier Alles vereint,
Eleganz und Comfort, Luxus und Geschmack, und welche Räume! Ein großer
prächtiger Ballsaal, ein kleinerer Salon, mehrere Lese- und Conversativnscabinette,
ein Speisesaal, Kaffee- und Rauchzimmer, und daneben jene Hallen, wo der For¬
tuna geopfert wird und wohin die Pilger wallfahrten aus allen Landen, gläubig
und voll Hoffnung. Fortuna ist die Göttin, die noch immer die eifrigsten und
treusten Verehrer hat. -- Die Fronte des Knrsaales nach der Mainstraße zu hat



*) Sie nennen sich selbst Bevollmächtigte der (sogenannten) anonymen Gesellschaft, welche
jene Anstalt begründet haben soll. Man will jedoch die Bemerkung gemacht haben, daß ihre
Vollmacht sehr ausgedehnt ist; bis jetzt, so' sagt man, habe die anonyme Gesellschaft gegen
das, was sie unternommen, noch nicht ein einziges Mal Protest eingelegt. Sie haben wohl
nur einen Associe, und der ist zugleich ihr Protektor.
Ein Tag in Homburg.



Ich grüße dich, du schönes Homburg, mit deine» Heilquellen, deinen reizen¬
den Umgebungen, und euch würdige Gebrüder Blcinc, Vorsteher jener menschen¬
freundlichen Anstalt, wo vermittelst einer kleinen Drehscheibe und winziger Elfen-
beinkügelchen auf einem mit grünem Tuche beschlagenen Tische Glück und Segen
verbreitet wird über das ganze Land Homburg. — Das Städtchen Homburg macht
einen angenehmen Eindruck, die Hauptstraße, in welche man einfährt, ist sauber
und schön; breite begneme Trottoirs; zu beiden Seiten große stattliche Gebäude,
man glaubt sich mit einem Male in eine große Residenz versetzt. Dazu das
landgräffiche Schloß mit seinen terrassenförmig absteigenden Gärten, Orangen¬
bäumen, Springbrunnen und schattigen Baumgängen. Das Schloß ist zu Ende
des 16. Jahrhunderts vom Landgrafen Friedrich II. erbaut, hat zwei Höfe und
in einem derselben befindet sich ein Thurm von 180 Fuß Höhe. Mau dichtet
diesem Thurm ein sehr hohes Alter an und behauptet, er sei römischen Ursprungs,
was nicht ganz unwahrscheinlich ist, wenigstens befinden sich in der nächsten Um¬
gebung Homburgs manche Ueberreste ans der Römerzeit. In architectonischer
Hinsicht ist es von keiner Bedeutung; das Innere dagegen ist prächtig und ge¬
schmackvoll, eine kleine Gemäldesammlung, meistens Porträts, mehrere alte Waffen,
auch einige römische Alterthümer, die in der Nachbarschaft aufgefunden sein sollen.
Vom Schloß eilt der Reisende nach dem Kursaal, der nebst den dazu gehörigen
Gärten und Parkanlagen Eigenthum der „anonymen Gesellschaft," b. h. der Her¬
ren Blaue ist. Der Weg führt durch die Parkanlagen des Schlosses und des
Kursaales, welche beide an einander grenzen und sich so unmerklich in einander
verlieren, daß man nicht weiß, wo der Fürst aufhört und die Herren Blaue an¬
fangen. Der Kursaal selbst, im griechischen Styl erbaut, ist das schönste Gebände
der Residenz Homburg, und prachtvoll und grandios ist auch das Innere! Ich glaube
nicht, daß es etwas Aehnliches gibt in Deutschland. Es ist hier Alles vereint,
Eleganz und Comfort, Luxus und Geschmack, und welche Räume! Ein großer
prächtiger Ballsaal, ein kleinerer Salon, mehrere Lese- und Conversativnscabinette,
ein Speisesaal, Kaffee- und Rauchzimmer, und daneben jene Hallen, wo der For¬
tuna geopfert wird und wohin die Pilger wallfahrten aus allen Landen, gläubig
und voll Hoffnung. Fortuna ist die Göttin, die noch immer die eifrigsten und
treusten Verehrer hat. — Die Fronte des Knrsaales nach der Mainstraße zu hat



*) Sie nennen sich selbst Bevollmächtigte der (sogenannten) anonymen Gesellschaft, welche
jene Anstalt begründet haben soll. Man will jedoch die Bemerkung gemacht haben, daß ihre
Vollmacht sehr ausgedehnt ist; bis jetzt, so' sagt man, habe die anonyme Gesellschaft gegen
das, was sie unternommen, noch nicht ein einziges Mal Protest eingelegt. Sie haben wohl
nur einen Associe, und der ist zugleich ihr Protektor.
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[0399] Ein Tag in Homburg. Ich grüße dich, du schönes Homburg, mit deine» Heilquellen, deinen reizen¬ den Umgebungen, und euch würdige Gebrüder Blcinc, Vorsteher jener menschen¬ freundlichen Anstalt, wo vermittelst einer kleinen Drehscheibe und winziger Elfen- beinkügelchen auf einem mit grünem Tuche beschlagenen Tische Glück und Segen verbreitet wird über das ganze Land Homburg. — Das Städtchen Homburg macht einen angenehmen Eindruck, die Hauptstraße, in welche man einfährt, ist sauber und schön; breite begneme Trottoirs; zu beiden Seiten große stattliche Gebäude, man glaubt sich mit einem Male in eine große Residenz versetzt. Dazu das landgräffiche Schloß mit seinen terrassenförmig absteigenden Gärten, Orangen¬ bäumen, Springbrunnen und schattigen Baumgängen. Das Schloß ist zu Ende des 16. Jahrhunderts vom Landgrafen Friedrich II. erbaut, hat zwei Höfe und in einem derselben befindet sich ein Thurm von 180 Fuß Höhe. Mau dichtet diesem Thurm ein sehr hohes Alter an und behauptet, er sei römischen Ursprungs, was nicht ganz unwahrscheinlich ist, wenigstens befinden sich in der nächsten Um¬ gebung Homburgs manche Ueberreste ans der Römerzeit. In architectonischer Hinsicht ist es von keiner Bedeutung; das Innere dagegen ist prächtig und ge¬ schmackvoll, eine kleine Gemäldesammlung, meistens Porträts, mehrere alte Waffen, auch einige römische Alterthümer, die in der Nachbarschaft aufgefunden sein sollen. Vom Schloß eilt der Reisende nach dem Kursaal, der nebst den dazu gehörigen Gärten und Parkanlagen Eigenthum der „anonymen Gesellschaft," b. h. der Her¬ ren Blaue ist. Der Weg führt durch die Parkanlagen des Schlosses und des Kursaales, welche beide an einander grenzen und sich so unmerklich in einander verlieren, daß man nicht weiß, wo der Fürst aufhört und die Herren Blaue an¬ fangen. Der Kursaal selbst, im griechischen Styl erbaut, ist das schönste Gebände der Residenz Homburg, und prachtvoll und grandios ist auch das Innere! Ich glaube nicht, daß es etwas Aehnliches gibt in Deutschland. Es ist hier Alles vereint, Eleganz und Comfort, Luxus und Geschmack, und welche Räume! Ein großer prächtiger Ballsaal, ein kleinerer Salon, mehrere Lese- und Conversativnscabinette, ein Speisesaal, Kaffee- und Rauchzimmer, und daneben jene Hallen, wo der For¬ tuna geopfert wird und wohin die Pilger wallfahrten aus allen Landen, gläubig und voll Hoffnung. Fortuna ist die Göttin, die noch immer die eifrigsten und treusten Verehrer hat. — Die Fronte des Knrsaales nach der Mainstraße zu hat *) Sie nennen sich selbst Bevollmächtigte der (sogenannten) anonymen Gesellschaft, welche jene Anstalt begründet haben soll. Man will jedoch die Bemerkung gemacht haben, daß ihre Vollmacht sehr ausgedehnt ist; bis jetzt, so' sagt man, habe die anonyme Gesellschaft gegen das, was sie unternommen, noch nicht ein einziges Mal Protest eingelegt. Sie haben wohl nur einen Associe, und der ist zugleich ihr Protektor.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/399>, abgerufen am 27.06.2024.