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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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gen; er befeuchtet das himmlische Eden und rollt in seinen Wellen die reine Liebe
und die Weisheit Gottes u. s. w. u. s. w. -- Das Licht, welches diese glückliche
Einsiedelei erhellt, ist aus den Rosen des Morgens, der Flamme des Mittags
und dem Purpur des Abends gemischt. Kein Stern erscheint an dem glänzenden
Firmament, keine Sonne geht auf oder unter; wie ein zarter Thau senkt sich von
allen Seiten eine unaussprechliche Klarheit herab. -- Die Seligen siud bestän¬
dig in dem köstlichen Zustand eines Menschen, der eben eine tugendhafte That
gethan, eine geniale Idee gefunden, sich einer legitimen Liebe bewußt geworden
u. s. w. Gott, von dem eine ununterbrochene Schöpfung ausgeht, läßt ihrer hei¬
ligen Neugier keine Ruhe, sei es, daß er an dem entferntesten Rande des Raums
eine alte Welt zerbricht, sei es, daß er mit seiner englischen Armee Ordnung in
den Schooß des Chaos trägt. -- Alle diese schönen Seelen sind in einem bestän¬
digen Hallelujah vereinigt. David ist der Kapellmeister. Muse, wie würde es
dir möglich sein, diese Concerte zu beschreiben! (Es würde ihr auch schon schwer
fallen, eine irdische Symphonie zu beschreiben!) -- Marie, die unbefleckte, sitzt
auf einem Thron der Reinheit. Ans geheimen Wegen steigen alle Seufzer der
Erde zu derselben auf. . sie legt zu den Füßen ihres Sohnes^ ans den Altar
der Parfüms, das Opfer unserer Thränen, und mischt, um es wirksamer zu
machen, einige ihrer göttlichen Thränen darunter. Kleine Engel bedienen sie auf
den Knien, und schwingen beständig goldene Rauchfässer vor ihr, die melodisch
steigen und fallen, und aus denen in leichtem Dampf die Düfte der Liebe und
Unschuld sich verbreiten. -- Im Sanctuarium des Worts sitzt der Sohn vor einem
mystischen Tisch. Wenn ex sich in eiuer intimen Vision offenbart, fallen auch die
Seligen wie todt vor seinem Antlitz nieder. -- Hinter diesem Sanctuarium brei¬
ten sich endlose Räume von Feuer und Licht aus. Der Vater wohnt im Grund
dieser Tiefen des Lebens. Dort sind die Quellen der im Himmel selbst unbegreif¬
lichen Wahrheiten verborgen . . . dort erfüllt sich, fern von dem Auge der Engel,
das Mysterium der Dreieinigkeit. Der Geist, welcher unablässig von Vater zu
Sohn auf- und absteigt, vereinigt sich mit ihnen in diesen unergründlichen Tiefen.
Ein feuriger Triangel erscheint alsdann beim Eintritt des Allerheiligsten; die
Sonnenbälle steheu still aus. Scheu und Furcht, das Hosiannah der Engel ver-
.stumme, das unsterbliche Heer weiß nicht, ob nicht der Dreimalheilige auf der
Erde wie im Himmel die materiellen und die göttlichen Formen vertauschen, oder
ob er nicht die Principien zu sich rufen, und die Welten zwingen wird, in seinen
Schooß zurückzukehren. Die Wesen trennen sich, der feurige Triangel verschwin¬
det, das Orakel öffnet sich, und man sieht die drei Mächte. Getragen von einem
Wolkenthron, hält der Vater einen Compaß in der Hand, ein Zirkel ist unter sei¬
nen Füßen; der Sohn, bewaffnet mit dem Blitz, sitzt zu seiner Rechten, der Geist
steht wie eine Feuersäule zu seiner Linken. Jehovcch macht ein Zeichen, und die
Zeit geht ihren Lauf, Alles hört aufmerksam zu, u. s. w.


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gen; er befeuchtet das himmlische Eden und rollt in seinen Wellen die reine Liebe
und die Weisheit Gottes u. s. w. u. s. w. — Das Licht, welches diese glückliche
Einsiedelei erhellt, ist aus den Rosen des Morgens, der Flamme des Mittags
und dem Purpur des Abends gemischt. Kein Stern erscheint an dem glänzenden
Firmament, keine Sonne geht auf oder unter; wie ein zarter Thau senkt sich von
allen Seiten eine unaussprechliche Klarheit herab. — Die Seligen siud bestän¬
dig in dem köstlichen Zustand eines Menschen, der eben eine tugendhafte That
gethan, eine geniale Idee gefunden, sich einer legitimen Liebe bewußt geworden
u. s. w. Gott, von dem eine ununterbrochene Schöpfung ausgeht, läßt ihrer hei¬
ligen Neugier keine Ruhe, sei es, daß er an dem entferntesten Rande des Raums
eine alte Welt zerbricht, sei es, daß er mit seiner englischen Armee Ordnung in
den Schooß des Chaos trägt. — Alle diese schönen Seelen sind in einem bestän¬
digen Hallelujah vereinigt. David ist der Kapellmeister. Muse, wie würde es
dir möglich sein, diese Concerte zu beschreiben! (Es würde ihr auch schon schwer
fallen, eine irdische Symphonie zu beschreiben!) — Marie, die unbefleckte, sitzt
auf einem Thron der Reinheit. Ans geheimen Wegen steigen alle Seufzer der
Erde zu derselben auf. . sie legt zu den Füßen ihres Sohnes^ ans den Altar
der Parfüms, das Opfer unserer Thränen, und mischt, um es wirksamer zu
machen, einige ihrer göttlichen Thränen darunter. Kleine Engel bedienen sie auf
den Knien, und schwingen beständig goldene Rauchfässer vor ihr, die melodisch
steigen und fallen, und aus denen in leichtem Dampf die Düfte der Liebe und
Unschuld sich verbreiten. — Im Sanctuarium des Worts sitzt der Sohn vor einem
mystischen Tisch. Wenn ex sich in eiuer intimen Vision offenbart, fallen auch die
Seligen wie todt vor seinem Antlitz nieder. — Hinter diesem Sanctuarium brei¬
ten sich endlose Räume von Feuer und Licht aus. Der Vater wohnt im Grund
dieser Tiefen des Lebens. Dort sind die Quellen der im Himmel selbst unbegreif¬
lichen Wahrheiten verborgen . . . dort erfüllt sich, fern von dem Auge der Engel,
das Mysterium der Dreieinigkeit. Der Geist, welcher unablässig von Vater zu
Sohn auf- und absteigt, vereinigt sich mit ihnen in diesen unergründlichen Tiefen.
Ein feuriger Triangel erscheint alsdann beim Eintritt des Allerheiligsten; die
Sonnenbälle steheu still aus. Scheu und Furcht, das Hosiannah der Engel ver-
.stumme, das unsterbliche Heer weiß nicht, ob nicht der Dreimalheilige auf der
Erde wie im Himmel die materiellen und die göttlichen Formen vertauschen, oder
ob er nicht die Principien zu sich rufen, und die Welten zwingen wird, in seinen
Schooß zurückzukehren. Die Wesen trennen sich, der feurige Triangel verschwin¬
det, das Orakel öffnet sich, und man sieht die drei Mächte. Getragen von einem
Wolkenthron, hält der Vater einen Compaß in der Hand, ein Zirkel ist unter sei¬
nen Füßen; der Sohn, bewaffnet mit dem Blitz, sitzt zu seiner Rechten, der Geist
steht wie eine Feuersäule zu seiner Linken. Jehovcch macht ein Zeichen, und die
Zeit geht ihren Lauf, Alles hört aufmerksam zu, u. s. w.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/387>, abgerufen am 27.06.2024.