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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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stimmen jährlich disponiren, mit Genauigkeit anzugeben, da die Jahresberichte
nebst Rechnungsbelegen uns nur von einem Theile derselben zugänglich sind, je¬
doch meinen wir der Wahrheit ziemlich nahe zu kommen, wenn wir dieselbe auf
etwas mehr als 100,000 Thlr. anschlagen. Mau darf nämlich nicht übersehen,
daß die Kräfte der Vereine höchst ungleich sind; mancher nimmt jährlich nur
1000 bis 2000 Thlr. ein, während der Düsseldorfer allein auf 14 bis 15,000 Thlr.
zu rechnen hat. Diese finanzielle Macht wird nun zwar nicht überall nach den¬
selben Grundsätzen verwandt, jedoch ist ein Hauptzweck überall maßgebend, näm¬
lich der: den Sinn für Knnstschönheit zu fördern. Ständen die Ansichten über
deren Wesen, und über die Zweckmäßigkeit einzelner Mittel fest, so wäre sehr
viel gewonnen. Ueber dem Schwanken dieser Begriffe scheitert oft die Hoffnung
der Uneigennützigsten und Tüchtigsten. Die Wege, welche zu jenem Hauptziele
eingeschlagen worden sind, werden wir hier übersichtlich angeben.

Zunächst ist überall die Absicht, den Absatz neuentstandener Kunstwerke zu
erleichtern, und zu vermehren dadurch, daß man von denen, die auf den Markt
gebracht waren, die, welche für die besten gehalten wurden, ankaufte, an den
Tag gelegt worden. Trifft der einzelne Liebhaber seine Auswahl, so folgt er hier¬
bei allein seinem individuellen Geschmack, hängt aber der Beschluß von einem er¬
wählten Ausschusse ab, so soll der objektive, ja, der absolute Werth des bevor-
zugten Werkes ermittelt werden. In ästhetischen Dingen ist die Feststellung des
Urtheils durch ein Comitv oft mißlich, ein einzelner, im wahren Sinne des Worts
unbefangner, erprobter Kunstkenner wird am Ende richtiger entscheiden, als eine
Mehrzahl, die sich gewöhnlich veruneinigt. Nun kommt noch die partikuläre Ten¬
denz vieler Kunstvereine hinzu, von der kaum einer ganz frei ist. Sie nehmen
sich nämlich, wie billig, einheimischer, d. i. provinzieller Talente an, dies gebietet
ihnen "Rücksichten." Ein verhängnißvolles Wort! Wie oft ist die völlige Frei¬
heit und Unbefangenheit des Urtheils dadurch gelähmt worden! Und doch ist es
so natürlich, daß angehende Talente sich an die ihnen zunächst wohnenden Gönner
anlehnen! Ferner frägt sich, wie diese angekauften Gemälde verwendet werden?
Die beliebte Ausloosung derselben unter die Actionärs hat ihr Gutes, so viel man
auch darüber gekrittelt hat, denn sie ist nun einmal das Hauptmittel, um viele
zur Theilnahme heranzuziehen. Aber wohl hat man eingesehen, daß die Zersplitte¬
rung im Privatbesitz der Kunst weniger nütze, als die Errichtung von öffent¬
lichen Gallerten.

Dieses war die zweite Maßregel der Kunstvereine, die in vielen Städten
Anhänger künftiger Museen bildeten, woraus die Nachwelt einen Ueberblick des
sich entwickelnden und wechselnden Geschmacks gewinnen wird. Hier und da hat
man bereits eigene Wohnungen zur Ausstellung des Erworbenen gemiethet. Für
die Erweiterung solcher Sammlungen ist an einem Orte mehr, an andern weniger
geschehn. Verhältnißmäßig hat Königsberg in Preußen diesen Zweck am Nach-


stimmen jährlich disponiren, mit Genauigkeit anzugeben, da die Jahresberichte
nebst Rechnungsbelegen uns nur von einem Theile derselben zugänglich sind, je¬
doch meinen wir der Wahrheit ziemlich nahe zu kommen, wenn wir dieselbe auf
etwas mehr als 100,000 Thlr. anschlagen. Mau darf nämlich nicht übersehen,
daß die Kräfte der Vereine höchst ungleich sind; mancher nimmt jährlich nur
1000 bis 2000 Thlr. ein, während der Düsseldorfer allein auf 14 bis 15,000 Thlr.
zu rechnen hat. Diese finanzielle Macht wird nun zwar nicht überall nach den¬
selben Grundsätzen verwandt, jedoch ist ein Hauptzweck überall maßgebend, näm¬
lich der: den Sinn für Knnstschönheit zu fördern. Ständen die Ansichten über
deren Wesen, und über die Zweckmäßigkeit einzelner Mittel fest, so wäre sehr
viel gewonnen. Ueber dem Schwanken dieser Begriffe scheitert oft die Hoffnung
der Uneigennützigsten und Tüchtigsten. Die Wege, welche zu jenem Hauptziele
eingeschlagen worden sind, werden wir hier übersichtlich angeben.

Zunächst ist überall die Absicht, den Absatz neuentstandener Kunstwerke zu
erleichtern, und zu vermehren dadurch, daß man von denen, die auf den Markt
gebracht waren, die, welche für die besten gehalten wurden, ankaufte, an den
Tag gelegt worden. Trifft der einzelne Liebhaber seine Auswahl, so folgt er hier¬
bei allein seinem individuellen Geschmack, hängt aber der Beschluß von einem er¬
wählten Ausschusse ab, so soll der objektive, ja, der absolute Werth des bevor-
zugten Werkes ermittelt werden. In ästhetischen Dingen ist die Feststellung des
Urtheils durch ein Comitv oft mißlich, ein einzelner, im wahren Sinne des Worts
unbefangner, erprobter Kunstkenner wird am Ende richtiger entscheiden, als eine
Mehrzahl, die sich gewöhnlich veruneinigt. Nun kommt noch die partikuläre Ten¬
denz vieler Kunstvereine hinzu, von der kaum einer ganz frei ist. Sie nehmen
sich nämlich, wie billig, einheimischer, d. i. provinzieller Talente an, dies gebietet
ihnen „Rücksichten." Ein verhängnißvolles Wort! Wie oft ist die völlige Frei¬
heit und Unbefangenheit des Urtheils dadurch gelähmt worden! Und doch ist es
so natürlich, daß angehende Talente sich an die ihnen zunächst wohnenden Gönner
anlehnen! Ferner frägt sich, wie diese angekauften Gemälde verwendet werden?
Die beliebte Ausloosung derselben unter die Actionärs hat ihr Gutes, so viel man
auch darüber gekrittelt hat, denn sie ist nun einmal das Hauptmittel, um viele
zur Theilnahme heranzuziehen. Aber wohl hat man eingesehen, daß die Zersplitte¬
rung im Privatbesitz der Kunst weniger nütze, als die Errichtung von öffent¬
lichen Gallerten.

Dieses war die zweite Maßregel der Kunstvereine, die in vielen Städten
Anhänger künftiger Museen bildeten, woraus die Nachwelt einen Ueberblick des
sich entwickelnden und wechselnden Geschmacks gewinnen wird. Hier und da hat
man bereits eigene Wohnungen zur Ausstellung des Erworbenen gemiethet. Für
die Erweiterung solcher Sammlungen ist an einem Orte mehr, an andern weniger
geschehn. Verhältnißmäßig hat Königsberg in Preußen diesen Zweck am Nach-


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[0372] stimmen jährlich disponiren, mit Genauigkeit anzugeben, da die Jahresberichte nebst Rechnungsbelegen uns nur von einem Theile derselben zugänglich sind, je¬ doch meinen wir der Wahrheit ziemlich nahe zu kommen, wenn wir dieselbe auf etwas mehr als 100,000 Thlr. anschlagen. Mau darf nämlich nicht übersehen, daß die Kräfte der Vereine höchst ungleich sind; mancher nimmt jährlich nur 1000 bis 2000 Thlr. ein, während der Düsseldorfer allein auf 14 bis 15,000 Thlr. zu rechnen hat. Diese finanzielle Macht wird nun zwar nicht überall nach den¬ selben Grundsätzen verwandt, jedoch ist ein Hauptzweck überall maßgebend, näm¬ lich der: den Sinn für Knnstschönheit zu fördern. Ständen die Ansichten über deren Wesen, und über die Zweckmäßigkeit einzelner Mittel fest, so wäre sehr viel gewonnen. Ueber dem Schwanken dieser Begriffe scheitert oft die Hoffnung der Uneigennützigsten und Tüchtigsten. Die Wege, welche zu jenem Hauptziele eingeschlagen worden sind, werden wir hier übersichtlich angeben. Zunächst ist überall die Absicht, den Absatz neuentstandener Kunstwerke zu erleichtern, und zu vermehren dadurch, daß man von denen, die auf den Markt gebracht waren, die, welche für die besten gehalten wurden, ankaufte, an den Tag gelegt worden. Trifft der einzelne Liebhaber seine Auswahl, so folgt er hier¬ bei allein seinem individuellen Geschmack, hängt aber der Beschluß von einem er¬ wählten Ausschusse ab, so soll der objektive, ja, der absolute Werth des bevor- zugten Werkes ermittelt werden. In ästhetischen Dingen ist die Feststellung des Urtheils durch ein Comitv oft mißlich, ein einzelner, im wahren Sinne des Worts unbefangner, erprobter Kunstkenner wird am Ende richtiger entscheiden, als eine Mehrzahl, die sich gewöhnlich veruneinigt. Nun kommt noch die partikuläre Ten¬ denz vieler Kunstvereine hinzu, von der kaum einer ganz frei ist. Sie nehmen sich nämlich, wie billig, einheimischer, d. i. provinzieller Talente an, dies gebietet ihnen „Rücksichten." Ein verhängnißvolles Wort! Wie oft ist die völlige Frei¬ heit und Unbefangenheit des Urtheils dadurch gelähmt worden! Und doch ist es so natürlich, daß angehende Talente sich an die ihnen zunächst wohnenden Gönner anlehnen! Ferner frägt sich, wie diese angekauften Gemälde verwendet werden? Die beliebte Ausloosung derselben unter die Actionärs hat ihr Gutes, so viel man auch darüber gekrittelt hat, denn sie ist nun einmal das Hauptmittel, um viele zur Theilnahme heranzuziehen. Aber wohl hat man eingesehen, daß die Zersplitte¬ rung im Privatbesitz der Kunst weniger nütze, als die Errichtung von öffent¬ lichen Gallerten. Dieses war die zweite Maßregel der Kunstvereine, die in vielen Städten Anhänger künftiger Museen bildeten, woraus die Nachwelt einen Ueberblick des sich entwickelnden und wechselnden Geschmacks gewinnen wird. Hier und da hat man bereits eigene Wohnungen zur Ausstellung des Erworbenen gemiethet. Für die Erweiterung solcher Sammlungen ist an einem Orte mehr, an andern weniger geschehn. Verhältnißmäßig hat Königsberg in Preußen diesen Zweck am Nach-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/372>, abgerufen am 27.06.2024.