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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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drücklichsten gefördert. Manche Vereine haben sich begnügt, manche ihrer Erwerbungen
verschiedenen öffentlichen Zwecken zu widmen, anstatt eigene Sammlungen zu grün¬
den. Sie hatten also Kirchen, Gerichtslocale n. s. w. damit beschenkt. Dies
führte nothwendig dazu, sich nicht darauf zu verlassen, welche Gemälde etwa zum
Kaufe angeboten würden, sondern selbst dergleichen zu bestellen, weil man be¬
stimmten Zwecken entsprechende Gegenstände im Bilde zu sehn wünschte. Wir dür¬
fen dies, nämlich Aufträge zu bestimmten künstlerischen Arbeiten, unter contrakt-
lichen Bedingungen, als die dritte Maßregel unterscheiden. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß sie die würdigste und edelste von Allen ist, so lange sie in ihrer
wahren Bedeutung erfaßt wird. Denn zuvörderst werden dadurch Aufgaben zur
Ausführung gelangen, die bei ihrem Umfange sonst bloße Wünsche geblieben wä¬
ren, da sie höhere Preise nöthig machen, als der einzelne Liebhaber zu zahlen
pflegt. Dann werden auch diejenigen Stoffe, deren weltgeschichtliche Bedeutung
über einzelne, spezielle Neigungen erhaben, ein Recht darauf haben, in monumen¬
taler Weise verewigt zu werden, zu diesem ihrem Rechte gelangen. Die Kunst
nimmt dann ihr höheres Amt in der Bildungsgeschichte der Menschen in Anspruch
und überliefert der Nachwelt durch ihre Mittel Ereignisse, wobei Schilderung
durch die Feder des Geschichtsschreibers für jene unmittelbar wirkenden sinnlichen
Mittel niemals genügenden Ersatz bieten kann. Mit einem Worte, in unsern von
Privatleidenschast hin und herbewegten Tagen wirkt jene Maßregel, einsichtig ge¬
handhabt, dahin, daß die Einzelnen, Künstler wie Kunstfreunde, durch Werke, die
ihrer Zeit angehören, und doch über deren innere Zwietracht erhaben sind, gleich¬
sam zur Besinnung gebracht werden. Verloren aber geht dieser Vortheil, wenn
gerade durch jene Aufträge selbst einseitigen Tendenzen das Wort geredet, und
die Kunst dazu verleitet wird, die Leidenschaften aufzustacheln, anstatt sie zu läutern.
Daher ist jene Wahl des Stoffs sehr schwierig. Ferner wird die Zersplitterung
unsers Vaterlandes in so viele durch'Neigung, Sitte, Verwaltung unterschiedene
Theile bei der Ausführung der besprochenen Kunstmaßregel ebenfalls fühlbar. Sie
muß gar oft nur dazu dienen, einen ganz lokalen Wunsch zu befriedigen, oder ein
provinzielles Talent zu unterstützen und aufzumuntern. Vereinigung zu gemein¬
samen Schritten aller Kunstvereine, dies würde hier von wesentlichem Nutzen sein.
Wir kommen am Schlüsse dieses Aufsatzes hierauf zurück. --

Nun zu einem vierten Punkte! Alle Kunstvereine haben die Vervielfältigung
beifällig aufgenommener Gemälde behufs der Vertheilung unter ihre Mitglieder
als ersprießlich für Verbreitung des Kunstsinns erkannt. Zuerst wendete man
hierzu die Lithographie an, weil sie wohlfeiler als Kupferstich zu steheu kommt,
später, als die Vereine ausgebreiteter geworden waren, und man die Unzuläng¬
lichkeit der Lithographie bei vielen Aufgaben empfand, den Kupferstich in der schon
vor langer Zeit einmal beliebten Aqua-tinta-Manier, womit sich angenehme Effecte
erreichen lassen, während die dem Kenner theure Linienmanier zu viel Zeit und


drücklichsten gefördert. Manche Vereine haben sich begnügt, manche ihrer Erwerbungen
verschiedenen öffentlichen Zwecken zu widmen, anstatt eigene Sammlungen zu grün¬
den. Sie hatten also Kirchen, Gerichtslocale n. s. w. damit beschenkt. Dies
führte nothwendig dazu, sich nicht darauf zu verlassen, welche Gemälde etwa zum
Kaufe angeboten würden, sondern selbst dergleichen zu bestellen, weil man be¬
stimmten Zwecken entsprechende Gegenstände im Bilde zu sehn wünschte. Wir dür¬
fen dies, nämlich Aufträge zu bestimmten künstlerischen Arbeiten, unter contrakt-
lichen Bedingungen, als die dritte Maßregel unterscheiden. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß sie die würdigste und edelste von Allen ist, so lange sie in ihrer
wahren Bedeutung erfaßt wird. Denn zuvörderst werden dadurch Aufgaben zur
Ausführung gelangen, die bei ihrem Umfange sonst bloße Wünsche geblieben wä¬
ren, da sie höhere Preise nöthig machen, als der einzelne Liebhaber zu zahlen
pflegt. Dann werden auch diejenigen Stoffe, deren weltgeschichtliche Bedeutung
über einzelne, spezielle Neigungen erhaben, ein Recht darauf haben, in monumen¬
taler Weise verewigt zu werden, zu diesem ihrem Rechte gelangen. Die Kunst
nimmt dann ihr höheres Amt in der Bildungsgeschichte der Menschen in Anspruch
und überliefert der Nachwelt durch ihre Mittel Ereignisse, wobei Schilderung
durch die Feder des Geschichtsschreibers für jene unmittelbar wirkenden sinnlichen
Mittel niemals genügenden Ersatz bieten kann. Mit einem Worte, in unsern von
Privatleidenschast hin und herbewegten Tagen wirkt jene Maßregel, einsichtig ge¬
handhabt, dahin, daß die Einzelnen, Künstler wie Kunstfreunde, durch Werke, die
ihrer Zeit angehören, und doch über deren innere Zwietracht erhaben sind, gleich¬
sam zur Besinnung gebracht werden. Verloren aber geht dieser Vortheil, wenn
gerade durch jene Aufträge selbst einseitigen Tendenzen das Wort geredet, und
die Kunst dazu verleitet wird, die Leidenschaften aufzustacheln, anstatt sie zu läutern.
Daher ist jene Wahl des Stoffs sehr schwierig. Ferner wird die Zersplitterung
unsers Vaterlandes in so viele durch'Neigung, Sitte, Verwaltung unterschiedene
Theile bei der Ausführung der besprochenen Kunstmaßregel ebenfalls fühlbar. Sie
muß gar oft nur dazu dienen, einen ganz lokalen Wunsch zu befriedigen, oder ein
provinzielles Talent zu unterstützen und aufzumuntern. Vereinigung zu gemein¬
samen Schritten aller Kunstvereine, dies würde hier von wesentlichem Nutzen sein.
Wir kommen am Schlüsse dieses Aufsatzes hierauf zurück. —

Nun zu einem vierten Punkte! Alle Kunstvereine haben die Vervielfältigung
beifällig aufgenommener Gemälde behufs der Vertheilung unter ihre Mitglieder
als ersprießlich für Verbreitung des Kunstsinns erkannt. Zuerst wendete man
hierzu die Lithographie an, weil sie wohlfeiler als Kupferstich zu steheu kommt,
später, als die Vereine ausgebreiteter geworden waren, und man die Unzuläng¬
lichkeit der Lithographie bei vielen Aufgaben empfand, den Kupferstich in der schon
vor langer Zeit einmal beliebten Aqua-tinta-Manier, womit sich angenehme Effecte
erreichen lassen, während die dem Kenner theure Linienmanier zu viel Zeit und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/373>, abgerufen am 21.06.2024.