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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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ten untereinander zu ordnen versuchten, eine Maßregel, die um so nöthiger war,
als die Thätigkeit der Vereine in vielen Städten ein ganz spezielles Ziel hatte,
das ohne Gemeinsamkeit nicht erreicht werden konnte, nämlich das der Einrichtung
von "Kunstausstellungen." Es zeigte sich hier vielfach ein lokales Bedürf¬
niß , das die mit einer vom Staate geförderten Kunstakademie versehenen Städte,
wie Berlin, Dresden, München, Düsseldorf, freilich gar nicht kannten; den Ver¬
einen dieser Städte kamen die Kunstwerke zur Auswahl zu, ohne daß sie selbst
sich um deren Heri'eischaffung Mühe zu geben brauchten. In den meisten deut¬
schen Städten aber fehlte dem Publikum gänzlich die Gelegenheit, sich durch An¬
schauung der Werke neuerer Meister zu bilden. Das Verlangen, selbst eine jährlich,
oder zweijährlich wiederkehrende Ausstellung neuer Erzeugnisse zu sehen, machte
nicht nur in den größeren Mittelstädten, sondern anch in denen unter 20,000
Einwohnern sich so vielfach geltend, daß ohne Verträge, welche die Zeitfolge sol¬
cher Ausstellungen regulirten, ein Wettkampf, eine zwecklose Nebenbuhlern nach
dem Besitz von gerade etwa vielbesprochenen Bildern unvermeidlich wurde; diese
Zeitfrage aber regelte man, indem die geographische Lage einzelner Städte
dieselben darauf führte, sich zu einem Cyklus zu verbinden.

So verbanden sich die preußischen Städte östlich von der Elbe, nämlich Königs¬
berg, Danzig, Stettin, Posen, Breslau, dann die westlich von derselben ge¬
legenen, Halle, Halberstadt, Magdeburg, denen Braunschweig und Kassel sich an¬
schlössen. Eben so machten es andre norddeutsche, dann die süddeutschen, durch
die Vermehrung und Ausbreitung der Ausstellungen wirkten die Kunstvereine sehr
viel; denn an Orte, wohin früher selten, eben nur wenn ein spekulativer Bilder¬
krämer ans seiner Tour sie heimsuchte, etwas von neuen, namentlich größeren
Werken gelangt war, wurde dnrch die Möglichkeit der Vergleichung auf die Ge¬
schmacksbildung vortheilhaft gewirkt. Daß die Erleichterung des Transports dnrch
die Eisenbahnen diese Unternehmungen sehr begünstigt hat, ist nicht zu leugnen.
Mag immerhin die Eitelkeit einzelner Dilettanten, die auf solchem Wege Ansehen
und Bedeutung in ihren Wohnorten, wo sie nun als Mäcene verehrt wurden, er¬
reichten, bei dem Betriebe der Sache als mächtiger Hebel in's Spiel gekommen sein,
so verringert dies nicht im Geringsten den Werth des Resultates, daß nämlich
die Geschmacksbildung in größeren Kreisen nunmehr verbreitet wurde, während sie frü¬
her von einigen wenigen Städten als ein Vorrecht in Anspruch genommen wurde. Die
Erfahrung lehrt, daß die Anzahl der Mitglieder bei jedem Kunstvereine, sich un¬
mittelbar nach der von ihm veranstalteten Ausstellung vermehrte, Beweis genug,
wie nothwendig es war, der Kunst Brücken zu bauen, ,die sie mit dem Leben
verbanden. Lassen wir den Spott, den z. B. L. Tieck in seiner witzigen Novelle:
"Die Vogelscheuche" über die modernen Kunstmaßregeln ausgießt, immerhin ge¬
währen, die Thatsache" sind dennoch weit gewaltiger, als sein ironischer Stachel.

Es ist nicht möglich, die Summe, worüber alle deutschen Kunstvereine zu-


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ten untereinander zu ordnen versuchten, eine Maßregel, die um so nöthiger war,
als die Thätigkeit der Vereine in vielen Städten ein ganz spezielles Ziel hatte,
das ohne Gemeinsamkeit nicht erreicht werden konnte, nämlich das der Einrichtung
von „Kunstausstellungen." Es zeigte sich hier vielfach ein lokales Bedürf¬
niß , das die mit einer vom Staate geförderten Kunstakademie versehenen Städte,
wie Berlin, Dresden, München, Düsseldorf, freilich gar nicht kannten; den Ver¬
einen dieser Städte kamen die Kunstwerke zur Auswahl zu, ohne daß sie selbst
sich um deren Heri'eischaffung Mühe zu geben brauchten. In den meisten deut¬
schen Städten aber fehlte dem Publikum gänzlich die Gelegenheit, sich durch An¬
schauung der Werke neuerer Meister zu bilden. Das Verlangen, selbst eine jährlich,
oder zweijährlich wiederkehrende Ausstellung neuer Erzeugnisse zu sehen, machte
nicht nur in den größeren Mittelstädten, sondern anch in denen unter 20,000
Einwohnern sich so vielfach geltend, daß ohne Verträge, welche die Zeitfolge sol¬
cher Ausstellungen regulirten, ein Wettkampf, eine zwecklose Nebenbuhlern nach
dem Besitz von gerade etwa vielbesprochenen Bildern unvermeidlich wurde; diese
Zeitfrage aber regelte man, indem die geographische Lage einzelner Städte
dieselben darauf führte, sich zu einem Cyklus zu verbinden.

So verbanden sich die preußischen Städte östlich von der Elbe, nämlich Königs¬
berg, Danzig, Stettin, Posen, Breslau, dann die westlich von derselben ge¬
legenen, Halle, Halberstadt, Magdeburg, denen Braunschweig und Kassel sich an¬
schlössen. Eben so machten es andre norddeutsche, dann die süddeutschen, durch
die Vermehrung und Ausbreitung der Ausstellungen wirkten die Kunstvereine sehr
viel; denn an Orte, wohin früher selten, eben nur wenn ein spekulativer Bilder¬
krämer ans seiner Tour sie heimsuchte, etwas von neuen, namentlich größeren
Werken gelangt war, wurde dnrch die Möglichkeit der Vergleichung auf die Ge¬
schmacksbildung vortheilhaft gewirkt. Daß die Erleichterung des Transports dnrch
die Eisenbahnen diese Unternehmungen sehr begünstigt hat, ist nicht zu leugnen.
Mag immerhin die Eitelkeit einzelner Dilettanten, die auf solchem Wege Ansehen
und Bedeutung in ihren Wohnorten, wo sie nun als Mäcene verehrt wurden, er¬
reichten, bei dem Betriebe der Sache als mächtiger Hebel in's Spiel gekommen sein,
so verringert dies nicht im Geringsten den Werth des Resultates, daß nämlich
die Geschmacksbildung in größeren Kreisen nunmehr verbreitet wurde, während sie frü¬
her von einigen wenigen Städten als ein Vorrecht in Anspruch genommen wurde. Die
Erfahrung lehrt, daß die Anzahl der Mitglieder bei jedem Kunstvereine, sich un¬
mittelbar nach der von ihm veranstalteten Ausstellung vermehrte, Beweis genug,
wie nothwendig es war, der Kunst Brücken zu bauen, ,die sie mit dem Leben
verbanden. Lassen wir den Spott, den z. B. L. Tieck in seiner witzigen Novelle:
„Die Vogelscheuche" über die modernen Kunstmaßregeln ausgießt, immerhin ge¬
währen, die Thatsache» sind dennoch weit gewaltiger, als sein ironischer Stachel.

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[0371] ten untereinander zu ordnen versuchten, eine Maßregel, die um so nöthiger war, als die Thätigkeit der Vereine in vielen Städten ein ganz spezielles Ziel hatte, das ohne Gemeinsamkeit nicht erreicht werden konnte, nämlich das der Einrichtung von „Kunstausstellungen." Es zeigte sich hier vielfach ein lokales Bedürf¬ niß , das die mit einer vom Staate geförderten Kunstakademie versehenen Städte, wie Berlin, Dresden, München, Düsseldorf, freilich gar nicht kannten; den Ver¬ einen dieser Städte kamen die Kunstwerke zur Auswahl zu, ohne daß sie selbst sich um deren Heri'eischaffung Mühe zu geben brauchten. In den meisten deut¬ schen Städten aber fehlte dem Publikum gänzlich die Gelegenheit, sich durch An¬ schauung der Werke neuerer Meister zu bilden. Das Verlangen, selbst eine jährlich, oder zweijährlich wiederkehrende Ausstellung neuer Erzeugnisse zu sehen, machte nicht nur in den größeren Mittelstädten, sondern anch in denen unter 20,000 Einwohnern sich so vielfach geltend, daß ohne Verträge, welche die Zeitfolge sol¬ cher Ausstellungen regulirten, ein Wettkampf, eine zwecklose Nebenbuhlern nach dem Besitz von gerade etwa vielbesprochenen Bildern unvermeidlich wurde; diese Zeitfrage aber regelte man, indem die geographische Lage einzelner Städte dieselben darauf führte, sich zu einem Cyklus zu verbinden. So verbanden sich die preußischen Städte östlich von der Elbe, nämlich Königs¬ berg, Danzig, Stettin, Posen, Breslau, dann die westlich von derselben ge¬ legenen, Halle, Halberstadt, Magdeburg, denen Braunschweig und Kassel sich an¬ schlössen. Eben so machten es andre norddeutsche, dann die süddeutschen, durch die Vermehrung und Ausbreitung der Ausstellungen wirkten die Kunstvereine sehr viel; denn an Orte, wohin früher selten, eben nur wenn ein spekulativer Bilder¬ krämer ans seiner Tour sie heimsuchte, etwas von neuen, namentlich größeren Werken gelangt war, wurde dnrch die Möglichkeit der Vergleichung auf die Ge¬ schmacksbildung vortheilhaft gewirkt. Daß die Erleichterung des Transports dnrch die Eisenbahnen diese Unternehmungen sehr begünstigt hat, ist nicht zu leugnen. Mag immerhin die Eitelkeit einzelner Dilettanten, die auf solchem Wege Ansehen und Bedeutung in ihren Wohnorten, wo sie nun als Mäcene verehrt wurden, er¬ reichten, bei dem Betriebe der Sache als mächtiger Hebel in's Spiel gekommen sein, so verringert dies nicht im Geringsten den Werth des Resultates, daß nämlich die Geschmacksbildung in größeren Kreisen nunmehr verbreitet wurde, während sie frü¬ her von einigen wenigen Städten als ein Vorrecht in Anspruch genommen wurde. Die Erfahrung lehrt, daß die Anzahl der Mitglieder bei jedem Kunstvereine, sich un¬ mittelbar nach der von ihm veranstalteten Ausstellung vermehrte, Beweis genug, wie nothwendig es war, der Kunst Brücken zu bauen, ,die sie mit dem Leben verbanden. Lassen wir den Spott, den z. B. L. Tieck in seiner witzigen Novelle: „Die Vogelscheuche" über die modernen Kunstmaßregeln ausgießt, immerhin ge¬ währen, die Thatsache» sind dennoch weit gewaltiger, als sein ironischer Stachel. Es ist nicht möglich, die Summe, worüber alle deutschen Kunstvereine zu- 46*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/371>, abgerufen am 27.06.2024.