Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

vergrößern, als es die stille, aufopferungsvolle Hingebung, deren dieselben in
früherer Zeit wohl fähig gewesen waren, verwischte. Die Mode war es bald, die
den Kunstvereinen zu Hilfe kam, deren Walten sofort vielfacher, oft unverständiger,
oft böswilliger Kritik unterworfen wurde. Der witzige Detmold in Hannover
geißelte damals diese neue Mode in seiner "Anleitung zur Kunstkennerschaft."
Und gewiß, hätte hinter der Mode nicht ein tieferes Bedürfniß gesteckt, so würde
dieselbe so schnell wie manche andere verschwunden sein. Sie hat jedoch Ergeb¬
nisse zur Folge gehabt, die in ihrer Gesammtheit für die Cultur- und Kunst¬
geschichte zu bedeutend sind, als daß der Spott über die "Bildcrlotterien" oder die
Behauptung, die Kunstvereine hätten die Mittelmäßigkeit beschützt, eine Menge gerin¬
ger Talente lediglich zur Selbsttäuschung verleitet, und daher ein künstlerisches Pro¬
letariat hervorgerufen, das historische Gewicht jener Resultate entkräften könnte. Den
Sinn für bildende Kunst, der durch den für die Musik bei der vergangenen Ge¬
neration unterdrückt war, hat das Institut der Kunstvereine weit über das ganze
deutsche Land verbreitet. Diese Verbreitung ist an sich zu wichtig, als daß die
Wahrnehmung der von einzelnen Vereinen hin und wieder begangenen Mißgriffe,
die Anerkennung des Gesammterfolgs schmälern könnte.

Es existiren in diesem Augenblicke größere und kleinere Kunstvereine in fol¬
genden Städten: in Augsburg, Berlin, Breslau, Bremen, Braun¬
schweig, Carlsruhe, Cassel, Cöln, Danzig, Darmstadt, Dresden,
Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt a. M., Greifswald, Halberstadt,
Halle, Hamburg, Hannover, Königsberg i. Pr., Leipzig, Lübeck,
Magdeburg, Mannheim, München, Nürnberg, Potsdam, Posen,
Prag, Rostock, Salzburg, Stettin, Stuttgart, Triest, Wien. Hierzu
sind noch zwei außerhalb der Grenzen des deutschen Vaterlandes liegende Städte,
nämlich: Pesth und Straßburg, da ihre Kunstvereine mit Deutschland im
engsten Verkehr stehen, zu zählen.

Von allen diesen Vereinen ist der älteste der zu München (l823), wo durch
König Ludwigs persönliche Vorliebe für die bildenden Künste ein mächtiger Anstoß
gegeben war; die Begründung ging nicht von Dilettanten, sondern von Künstlern,
nämlich Stieler, Quaglio, Heß und Gärtner aus. Schnell folgten ihm Vereine
zu Berlin (der sich "Verein der Kunstfreunde im preußischen Staate" nannte),
Dresden, Leipzig, Breslau (1828). Von besonderem Gewicht und Ein¬
fluß wurde bei dem Aufschwünge, den die Düsseldorfer Akademie unter Schadow
nahm, der Düsseldorfer, der sich "Verein für die Rheinlande und Westphalen"
nannte (1829). Er erhob sich schnell, und zählt jetzt über 3000 Actien zu
5 Thaler. Seine Schritte nahmen sich viele andere Vereine zum Muster. Die
Anzahl derselben war bereits 1834 so stark, daß eine Versammlung und Be¬
rathung von Commissarien deutscher Kunstvereine zu Berlin im Oktober jenes
Jahres stattfand, welche das gegenseitige Verhältniß der verschiedenen Gesellschaf-


vergrößern, als es die stille, aufopferungsvolle Hingebung, deren dieselben in
früherer Zeit wohl fähig gewesen waren, verwischte. Die Mode war es bald, die
den Kunstvereinen zu Hilfe kam, deren Walten sofort vielfacher, oft unverständiger,
oft böswilliger Kritik unterworfen wurde. Der witzige Detmold in Hannover
geißelte damals diese neue Mode in seiner „Anleitung zur Kunstkennerschaft."
Und gewiß, hätte hinter der Mode nicht ein tieferes Bedürfniß gesteckt, so würde
dieselbe so schnell wie manche andere verschwunden sein. Sie hat jedoch Ergeb¬
nisse zur Folge gehabt, die in ihrer Gesammtheit für die Cultur- und Kunst¬
geschichte zu bedeutend sind, als daß der Spott über die „Bildcrlotterien" oder die
Behauptung, die Kunstvereine hätten die Mittelmäßigkeit beschützt, eine Menge gerin¬
ger Talente lediglich zur Selbsttäuschung verleitet, und daher ein künstlerisches Pro¬
letariat hervorgerufen, das historische Gewicht jener Resultate entkräften könnte. Den
Sinn für bildende Kunst, der durch den für die Musik bei der vergangenen Ge¬
neration unterdrückt war, hat das Institut der Kunstvereine weit über das ganze
deutsche Land verbreitet. Diese Verbreitung ist an sich zu wichtig, als daß die
Wahrnehmung der von einzelnen Vereinen hin und wieder begangenen Mißgriffe,
die Anerkennung des Gesammterfolgs schmälern könnte.

Es existiren in diesem Augenblicke größere und kleinere Kunstvereine in fol¬
genden Städten: in Augsburg, Berlin, Breslau, Bremen, Braun¬
schweig, Carlsruhe, Cassel, Cöln, Danzig, Darmstadt, Dresden,
Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt a. M., Greifswald, Halberstadt,
Halle, Hamburg, Hannover, Königsberg i. Pr., Leipzig, Lübeck,
Magdeburg, Mannheim, München, Nürnberg, Potsdam, Posen,
Prag, Rostock, Salzburg, Stettin, Stuttgart, Triest, Wien. Hierzu
sind noch zwei außerhalb der Grenzen des deutschen Vaterlandes liegende Städte,
nämlich: Pesth und Straßburg, da ihre Kunstvereine mit Deutschland im
engsten Verkehr stehen, zu zählen.

Von allen diesen Vereinen ist der älteste der zu München (l823), wo durch
König Ludwigs persönliche Vorliebe für die bildenden Künste ein mächtiger Anstoß
gegeben war; die Begründung ging nicht von Dilettanten, sondern von Künstlern,
nämlich Stieler, Quaglio, Heß und Gärtner aus. Schnell folgten ihm Vereine
zu Berlin (der sich „Verein der Kunstfreunde im preußischen Staate" nannte),
Dresden, Leipzig, Breslau (1828). Von besonderem Gewicht und Ein¬
fluß wurde bei dem Aufschwünge, den die Düsseldorfer Akademie unter Schadow
nahm, der Düsseldorfer, der sich „Verein für die Rheinlande und Westphalen"
nannte (1829). Er erhob sich schnell, und zählt jetzt über 3000 Actien zu
5 Thaler. Seine Schritte nahmen sich viele andere Vereine zum Muster. Die
Anzahl derselben war bereits 1834 so stark, daß eine Versammlung und Be¬
rathung von Commissarien deutscher Kunstvereine zu Berlin im Oktober jenes
Jahres stattfand, welche das gegenseitige Verhältniß der verschiedenen Gesellschaf-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0370" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93193"/>
          <p xml:id="ID_1287" prev="#ID_1286"> vergrößern, als es die stille, aufopferungsvolle Hingebung, deren dieselben in<lb/>
früherer Zeit wohl fähig gewesen waren, verwischte. Die Mode war es bald, die<lb/>
den Kunstvereinen zu Hilfe kam, deren Walten sofort vielfacher, oft unverständiger,<lb/>
oft böswilliger Kritik unterworfen wurde. Der witzige Detmold in Hannover<lb/>
geißelte damals diese neue Mode in seiner &#x201E;Anleitung zur Kunstkennerschaft."<lb/>
Und gewiß, hätte hinter der Mode nicht ein tieferes Bedürfniß gesteckt, so würde<lb/>
dieselbe so schnell wie manche andere verschwunden sein. Sie hat jedoch Ergeb¬<lb/>
nisse zur Folge gehabt, die in ihrer Gesammtheit für die Cultur- und Kunst¬<lb/>
geschichte zu bedeutend sind, als daß der Spott über die &#x201E;Bildcrlotterien" oder die<lb/>
Behauptung, die Kunstvereine hätten die Mittelmäßigkeit beschützt, eine Menge gerin¬<lb/>
ger Talente lediglich zur Selbsttäuschung verleitet, und daher ein künstlerisches Pro¬<lb/>
letariat hervorgerufen, das historische Gewicht jener Resultate entkräften könnte. Den<lb/>
Sinn für bildende Kunst, der durch den für die Musik bei der vergangenen Ge¬<lb/>
neration unterdrückt war, hat das Institut der Kunstvereine weit über das ganze<lb/>
deutsche Land verbreitet. Diese Verbreitung ist an sich zu wichtig, als daß die<lb/>
Wahrnehmung der von einzelnen Vereinen hin und wieder begangenen Mißgriffe,<lb/>
die Anerkennung des Gesammterfolgs schmälern könnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1288"> Es existiren in diesem Augenblicke größere und kleinere Kunstvereine in fol¬<lb/>
genden Städten: in Augsburg, Berlin, Breslau, Bremen, Braun¬<lb/>
schweig, Carlsruhe, Cassel, Cöln, Danzig, Darmstadt, Dresden,<lb/>
Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt a. M., Greifswald, Halberstadt,<lb/>
Halle, Hamburg, Hannover, Königsberg i. Pr., Leipzig, Lübeck,<lb/>
Magdeburg, Mannheim, München, Nürnberg, Potsdam, Posen,<lb/>
Prag, Rostock, Salzburg, Stettin, Stuttgart, Triest, Wien. Hierzu<lb/>
sind noch zwei außerhalb der Grenzen des deutschen Vaterlandes liegende Städte,<lb/>
nämlich: Pesth und Straßburg, da ihre Kunstvereine mit Deutschland im<lb/>
engsten Verkehr stehen, zu zählen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1289" next="#ID_1290"> Von allen diesen Vereinen ist der älteste der zu München (l823), wo durch<lb/>
König Ludwigs persönliche Vorliebe für die bildenden Künste ein mächtiger Anstoß<lb/>
gegeben war; die Begründung ging nicht von Dilettanten, sondern von Künstlern,<lb/>
nämlich Stieler, Quaglio, Heß und Gärtner aus. Schnell folgten ihm Vereine<lb/>
zu Berlin (der sich &#x201E;Verein der Kunstfreunde im preußischen Staate" nannte),<lb/>
Dresden, Leipzig, Breslau (1828). Von besonderem Gewicht und Ein¬<lb/>
fluß wurde bei dem Aufschwünge, den die Düsseldorfer Akademie unter Schadow<lb/>
nahm, der Düsseldorfer, der sich &#x201E;Verein für die Rheinlande und Westphalen"<lb/>
nannte (1829). Er erhob sich schnell, und zählt jetzt über 3000 Actien zu<lb/>
5 Thaler. Seine Schritte nahmen sich viele andere Vereine zum Muster. Die<lb/>
Anzahl derselben war bereits 1834 so stark, daß eine Versammlung und Be¬<lb/>
rathung von Commissarien deutscher Kunstvereine zu Berlin im Oktober jenes<lb/>
Jahres stattfand, welche das gegenseitige Verhältniß der verschiedenen Gesellschaf-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0370] vergrößern, als es die stille, aufopferungsvolle Hingebung, deren dieselben in früherer Zeit wohl fähig gewesen waren, verwischte. Die Mode war es bald, die den Kunstvereinen zu Hilfe kam, deren Walten sofort vielfacher, oft unverständiger, oft böswilliger Kritik unterworfen wurde. Der witzige Detmold in Hannover geißelte damals diese neue Mode in seiner „Anleitung zur Kunstkennerschaft." Und gewiß, hätte hinter der Mode nicht ein tieferes Bedürfniß gesteckt, so würde dieselbe so schnell wie manche andere verschwunden sein. Sie hat jedoch Ergeb¬ nisse zur Folge gehabt, die in ihrer Gesammtheit für die Cultur- und Kunst¬ geschichte zu bedeutend sind, als daß der Spott über die „Bildcrlotterien" oder die Behauptung, die Kunstvereine hätten die Mittelmäßigkeit beschützt, eine Menge gerin¬ ger Talente lediglich zur Selbsttäuschung verleitet, und daher ein künstlerisches Pro¬ letariat hervorgerufen, das historische Gewicht jener Resultate entkräften könnte. Den Sinn für bildende Kunst, der durch den für die Musik bei der vergangenen Ge¬ neration unterdrückt war, hat das Institut der Kunstvereine weit über das ganze deutsche Land verbreitet. Diese Verbreitung ist an sich zu wichtig, als daß die Wahrnehmung der von einzelnen Vereinen hin und wieder begangenen Mißgriffe, die Anerkennung des Gesammterfolgs schmälern könnte. Es existiren in diesem Augenblicke größere und kleinere Kunstvereine in fol¬ genden Städten: in Augsburg, Berlin, Breslau, Bremen, Braun¬ schweig, Carlsruhe, Cassel, Cöln, Danzig, Darmstadt, Dresden, Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt a. M., Greifswald, Halberstadt, Halle, Hamburg, Hannover, Königsberg i. Pr., Leipzig, Lübeck, Magdeburg, Mannheim, München, Nürnberg, Potsdam, Posen, Prag, Rostock, Salzburg, Stettin, Stuttgart, Triest, Wien. Hierzu sind noch zwei außerhalb der Grenzen des deutschen Vaterlandes liegende Städte, nämlich: Pesth und Straßburg, da ihre Kunstvereine mit Deutschland im engsten Verkehr stehen, zu zählen. Von allen diesen Vereinen ist der älteste der zu München (l823), wo durch König Ludwigs persönliche Vorliebe für die bildenden Künste ein mächtiger Anstoß gegeben war; die Begründung ging nicht von Dilettanten, sondern von Künstlern, nämlich Stieler, Quaglio, Heß und Gärtner aus. Schnell folgten ihm Vereine zu Berlin (der sich „Verein der Kunstfreunde im preußischen Staate" nannte), Dresden, Leipzig, Breslau (1828). Von besonderem Gewicht und Ein¬ fluß wurde bei dem Aufschwünge, den die Düsseldorfer Akademie unter Schadow nahm, der Düsseldorfer, der sich „Verein für die Rheinlande und Westphalen" nannte (1829). Er erhob sich schnell, und zählt jetzt über 3000 Actien zu 5 Thaler. Seine Schritte nahmen sich viele andere Vereine zum Muster. Die Anzahl derselben war bereits 1834 so stark, daß eine Versammlung und Be¬ rathung von Commissarien deutscher Kunstvereine zu Berlin im Oktober jenes Jahres stattfand, welche das gegenseitige Verhältniß der verschiedenen Gesellschaf-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/370
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/370>, abgerufen am 27.06.2024.