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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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tete die Nationalgarde. Aber der Teufel selbst wußte nicht, was eigentlich die
bewaffneten Bürger für Zwecke haben, das lag damals (S. 138) "noch tief verborgen
in der Brust Kossuth's und seiner Mitverschwornen." Der Herr v. Adlerstein hat
es aber schon damals gewußt; aber er sagte es nnr nicht, dagegen gibt er jetzt
sein Räsonnement über die Unzweckmäßigkeit der Nationalgarde, über das Gefähr¬
liche dieses Instituts, und S. 140 sagt er: Kossuth und sein Gelichter konnten ihre
teuflische Freude nicht (?) bergen, als sie sahen, wie das bethörte Volk ans allen
(?) Ständen heerdenweise (!) dem Rufe zu den Waffen folgte. Wie verderbt
aber diese Garde war, beweist der Herr v. Adlerstein in gerechter Entrüstung, daß
ihre Wachtposten Cigarren rauchten und sogar Placate lasen! -- Das dachte der
Herr von Adlerstein nicht, obwohl er 8 --10 Jahre lang Schildwache stand.

Die nächste Federzeichnung ist eine Beschreibung des Jndencrawalls in Pesth.
Herr v. Adlerstein, mit gewohntem Scharfsinn, behauptet, (S. 168) die Pesther
Juden hätten die Wiener Revolution schon eine Woche früher gewußt, denn "ein
Jude habe sich im Vornherein einen Attila (Schnürrock) bestellt."

Daß die ungarischen Juden die Republik einführen wollten, beweist der Herr
v. Adlerstein durch die Nvtitz, daß ein getaufter jüdischer Tabackskrämer eine rothe
Fahne aussteckte.

S. 173. Der Beschluß, die Republik zu proklamiren, war gefaßt (Ende
März 1848) oder vielmehr der geheime Befehl hierzu von Preßburg nach Pesth
gelangt; im Pellwax-Kaffeehause wurde sie angenommen (!!!) und einige Juden
trugen die Abzeichen, und (175) wurden jämmerlich durchgebläut.

Solche Widersprüche sind dem Herrn von Adlerstein eine Kleinigkeit; am
19. April forderten Pesther Bürger, daß man die Juden aus der Nationalgarde
ausschließe, und die nicht 10 Jahre in der Stadt find, wegschaffe, und der Bür¬
germeister nannte die Petenten Aufwiegler. Herr v. Adlerstein aber behauptet,
die Frechheit der Juden habe diesen Aufruhr provocirt; der Vorgespan Nyary
habe mit einigen 100 Gulden den Crawall angezettelt, um die bewaffneten Hau¬
fen vom Magistratsgebäude abzulenken. Diese teuflische List gelang. Die Bewaff¬
neten zogen zur Plünderung in die Judenwohnnugen. -- Batthyauyi forderte sie
auf nach Hause zu gehen, aber erst der Militärgewalt wichen sie.

Mit dem Ausrufe: o viuiit-denn v-ulei^! schließt dieses an Wahnwitz gren¬
zende Gcschichtskapitel.

Hierauf folgt: deutsche Anfrage bei dem magyarischen Nationalstolz. -- Herr
v. Adlerstein beklagt sich, daß in Ungarn Alles ungarisch ist, und der Deutsche
keine Achtung genieße, und fragt: Auf welche gruudhalligen Verdienste reducirt (?)
der Magyare seinen stets und überall in der bvruirtcften Weise zur Schau aus¬
gestellten Nationalstolz, und mit welchem Rechte wagt er es, den Deutschen, welchen
er in Ungarn doch Alles in Allem zu verdanken hat, fortwährend mit der tiefsten
Verachtung zu begegnen und ihnen bei jeder Gelegenheit sein mundgclänfigcö


tete die Nationalgarde. Aber der Teufel selbst wußte nicht, was eigentlich die
bewaffneten Bürger für Zwecke haben, das lag damals (S. 138) „noch tief verborgen
in der Brust Kossuth's und seiner Mitverschwornen." Der Herr v. Adlerstein hat
es aber schon damals gewußt; aber er sagte es nnr nicht, dagegen gibt er jetzt
sein Räsonnement über die Unzweckmäßigkeit der Nationalgarde, über das Gefähr¬
liche dieses Instituts, und S. 140 sagt er: Kossuth und sein Gelichter konnten ihre
teuflische Freude nicht (?) bergen, als sie sahen, wie das bethörte Volk ans allen
(?) Ständen heerdenweise (!) dem Rufe zu den Waffen folgte. Wie verderbt
aber diese Garde war, beweist der Herr v. Adlerstein in gerechter Entrüstung, daß
ihre Wachtposten Cigarren rauchten und sogar Placate lasen! — Das dachte der
Herr von Adlerstein nicht, obwohl er 8 —10 Jahre lang Schildwache stand.

Die nächste Federzeichnung ist eine Beschreibung des Jndencrawalls in Pesth.
Herr v. Adlerstein, mit gewohntem Scharfsinn, behauptet, (S. 168) die Pesther
Juden hätten die Wiener Revolution schon eine Woche früher gewußt, denn „ein
Jude habe sich im Vornherein einen Attila (Schnürrock) bestellt."

Daß die ungarischen Juden die Republik einführen wollten, beweist der Herr
v. Adlerstein durch die Nvtitz, daß ein getaufter jüdischer Tabackskrämer eine rothe
Fahne aussteckte.

S. 173. Der Beschluß, die Republik zu proklamiren, war gefaßt (Ende
März 1848) oder vielmehr der geheime Befehl hierzu von Preßburg nach Pesth
gelangt; im Pellwax-Kaffeehause wurde sie angenommen (!!!) und einige Juden
trugen die Abzeichen, und (175) wurden jämmerlich durchgebläut.

Solche Widersprüche sind dem Herrn von Adlerstein eine Kleinigkeit; am
19. April forderten Pesther Bürger, daß man die Juden aus der Nationalgarde
ausschließe, und die nicht 10 Jahre in der Stadt find, wegschaffe, und der Bür¬
germeister nannte die Petenten Aufwiegler. Herr v. Adlerstein aber behauptet,
die Frechheit der Juden habe diesen Aufruhr provocirt; der Vorgespan Nyary
habe mit einigen 100 Gulden den Crawall angezettelt, um die bewaffneten Hau¬
fen vom Magistratsgebäude abzulenken. Diese teuflische List gelang. Die Bewaff¬
neten zogen zur Plünderung in die Judenwohnnugen. — Batthyauyi forderte sie
auf nach Hause zu gehen, aber erst der Militärgewalt wichen sie.

Mit dem Ausrufe: o viuiit-denn v-ulei^! schließt dieses an Wahnwitz gren¬
zende Gcschichtskapitel.

Hierauf folgt: deutsche Anfrage bei dem magyarischen Nationalstolz. — Herr
v. Adlerstein beklagt sich, daß in Ungarn Alles ungarisch ist, und der Deutsche
keine Achtung genieße, und fragt: Auf welche gruudhalligen Verdienste reducirt (?)
der Magyare seinen stets und überall in der bvruirtcften Weise zur Schau aus¬
gestellten Nationalstolz, und mit welchem Rechte wagt er es, den Deutschen, welchen
er in Ungarn doch Alles in Allem zu verdanken hat, fortwährend mit der tiefsten
Verachtung zu begegnen und ihnen bei jeder Gelegenheit sein mundgclänfigcö


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[0354] tete die Nationalgarde. Aber der Teufel selbst wußte nicht, was eigentlich die bewaffneten Bürger für Zwecke haben, das lag damals (S. 138) „noch tief verborgen in der Brust Kossuth's und seiner Mitverschwornen." Der Herr v. Adlerstein hat es aber schon damals gewußt; aber er sagte es nnr nicht, dagegen gibt er jetzt sein Räsonnement über die Unzweckmäßigkeit der Nationalgarde, über das Gefähr¬ liche dieses Instituts, und S. 140 sagt er: Kossuth und sein Gelichter konnten ihre teuflische Freude nicht (?) bergen, als sie sahen, wie das bethörte Volk ans allen (?) Ständen heerdenweise (!) dem Rufe zu den Waffen folgte. Wie verderbt aber diese Garde war, beweist der Herr v. Adlerstein in gerechter Entrüstung, daß ihre Wachtposten Cigarren rauchten und sogar Placate lasen! — Das dachte der Herr von Adlerstein nicht, obwohl er 8 —10 Jahre lang Schildwache stand. Die nächste Federzeichnung ist eine Beschreibung des Jndencrawalls in Pesth. Herr v. Adlerstein, mit gewohntem Scharfsinn, behauptet, (S. 168) die Pesther Juden hätten die Wiener Revolution schon eine Woche früher gewußt, denn „ein Jude habe sich im Vornherein einen Attila (Schnürrock) bestellt." Daß die ungarischen Juden die Republik einführen wollten, beweist der Herr v. Adlerstein durch die Nvtitz, daß ein getaufter jüdischer Tabackskrämer eine rothe Fahne aussteckte. S. 173. Der Beschluß, die Republik zu proklamiren, war gefaßt (Ende März 1848) oder vielmehr der geheime Befehl hierzu von Preßburg nach Pesth gelangt; im Pellwax-Kaffeehause wurde sie angenommen (!!!) und einige Juden trugen die Abzeichen, und (175) wurden jämmerlich durchgebläut. Solche Widersprüche sind dem Herrn von Adlerstein eine Kleinigkeit; am 19. April forderten Pesther Bürger, daß man die Juden aus der Nationalgarde ausschließe, und die nicht 10 Jahre in der Stadt find, wegschaffe, und der Bür¬ germeister nannte die Petenten Aufwiegler. Herr v. Adlerstein aber behauptet, die Frechheit der Juden habe diesen Aufruhr provocirt; der Vorgespan Nyary habe mit einigen 100 Gulden den Crawall angezettelt, um die bewaffneten Hau¬ fen vom Magistratsgebäude abzulenken. Diese teuflische List gelang. Die Bewaff¬ neten zogen zur Plünderung in die Judenwohnnugen. — Batthyauyi forderte sie auf nach Hause zu gehen, aber erst der Militärgewalt wichen sie. Mit dem Ausrufe: o viuiit-denn v-ulei^! schließt dieses an Wahnwitz gren¬ zende Gcschichtskapitel. Hierauf folgt: deutsche Anfrage bei dem magyarischen Nationalstolz. — Herr v. Adlerstein beklagt sich, daß in Ungarn Alles ungarisch ist, und der Deutsche keine Achtung genieße, und fragt: Auf welche gruudhalligen Verdienste reducirt (?) der Magyare seinen stets und überall in der bvruirtcften Weise zur Schau aus¬ gestellten Nationalstolz, und mit welchem Rechte wagt er es, den Deutschen, welchen er in Ungarn doch Alles in Allem zu verdanken hat, fortwährend mit der tiefsten Verachtung zu begegnen und ihnen bei jeder Gelegenheit sein mundgclänfigcö

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/354>, abgerufen am 27.06.2024.