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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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platten Medaillen in Metallfolie zu copiren und die kleinen Apparate unter dem
Namen Münzkabinet feilbot, entzog die Behörde den kargen Broterwerb mit dem
Bemerken, daß durch derartige Spielzeuge in den Kindern, vielleicht auch in
Erwachsenen die Just zur Falschmünzerei erweckt werden könne.

Außer den beiden kaufmännischen Ressourcen in Warschau, welche fast nur aus
deutschen und russischen Beamten und hohen Offizieren zusammengesetzt sind, ist jeder
gesellige Zirkel im Königreiche verboten. Auch keine Familienvereinigung, welche
eine feste Form, eine gesellschaftliche Abgeschlossenheit und Regelmäßigkeit hat, ist
erlaubt. Allein es ist nicht zu hindern, daß sich nicht hier und da dergleichen
bilden sollten, denn völlig dem angeborenen Bedürfniß der Geselligkeit zu entsa¬
gen, vermögen anch die Menschen in Warschau nicht. Daher haben die Spione
fortwährend etwas zu finden und erhalten immer neue Anregung zum Suchen.

Bei jedem Unternehmen, wie ehrlos es auch sei, kann immer noch eine ge¬
wisse Sympathie für Ehre und Sittengesetz bewahrt werden. Der russische Spion
in Polen aber ist im Stande, selbst das moralische Verderben seines Weibes und
seiner Kinder für seine Zwecke auszubeuten. Es sind ungefähr sieben Jahre her,
als ein niedliches Judenmädchen sich wiederholt einem jungen Franzosen, H. v.
Lef> zu nähern versuchte. Ihre eifrige Zudringlichkeit half ihr zum Gelingen und
Lef. wurde bald vertraut mit ihr und genoß ihre Reize ohne Mühe. Dabei
mochte aber in der Dirne ein Gefühl von Zärtlichkeit erwacht sein, und sie be¬
kannte ihm unaufgefordert: ihr Vater habe ihr befohlen, sich an.ihn zu drängen,
ihm Alles zu vergönnen und die Nächte bei ihm zuzubringen, um nach Briefen
zu suche" und deren so viele mit wegzunehmen, als sie nur finden könne. Dieser
Jude, der in seinem Eifer so weit ging, sein eigenes Kind in den tiefsten Schmutz
zu werfen, um sich mit ihrem Leib eine Brücke zu politischen Geheimnissen zu
schlagen, wurde von der edelsinnigen Beholde dadurch belohnt, daß sie ihm Liefe¬
rungen für das Heer überließ, die ihm bereits ein ziemliches Vermögen verschafft
haben. --

Vor zwei Jahren nahm ein Spion seinen Sohn, der die Handlung erlernte,
ans der Handlung und brachte ihn auf die Obwodschaftsschule, um hinter eine
^Verschwörung" einiger Gymnasiasten zu kommen. Allein die verschwörenden Kna-
ben waren schlau und nahmen den kleinen Jschariot, dessen Vater als Spion in
Warschau allzu bekannt ist, nicht zum Buudesmitglied ihres Kränzchens auf, und
so blieb ihm nichts übrig, als eines Abends die Gesellschaft mit einer Patrouille
zu überfallen und zu verhaften. Ob die Knaben eines politischen Verbrechens über¬
führt worden find, weiß ich nicht.

Die russischen Spione, welche man in den öffentlichen Wirthschaften zu finden
pflegt, sind die niedrigste", meist jüdischer Abkunft. Großentheils sind sie Makler,
Wirthe von Kaffeestuben, Bierhäusern und Winkelbordellen/ Sie erscheine", je
nachdem es ihnen vortheilhaft dünkt, in den verschiedensten Gestalten, als


platten Medaillen in Metallfolie zu copiren und die kleinen Apparate unter dem
Namen Münzkabinet feilbot, entzog die Behörde den kargen Broterwerb mit dem
Bemerken, daß durch derartige Spielzeuge in den Kindern, vielleicht auch in
Erwachsenen die Just zur Falschmünzerei erweckt werden könne.

Außer den beiden kaufmännischen Ressourcen in Warschau, welche fast nur aus
deutschen und russischen Beamten und hohen Offizieren zusammengesetzt sind, ist jeder
gesellige Zirkel im Königreiche verboten. Auch keine Familienvereinigung, welche
eine feste Form, eine gesellschaftliche Abgeschlossenheit und Regelmäßigkeit hat, ist
erlaubt. Allein es ist nicht zu hindern, daß sich nicht hier und da dergleichen
bilden sollten, denn völlig dem angeborenen Bedürfniß der Geselligkeit zu entsa¬
gen, vermögen anch die Menschen in Warschau nicht. Daher haben die Spione
fortwährend etwas zu finden und erhalten immer neue Anregung zum Suchen.

Bei jedem Unternehmen, wie ehrlos es auch sei, kann immer noch eine ge¬
wisse Sympathie für Ehre und Sittengesetz bewahrt werden. Der russische Spion
in Polen aber ist im Stande, selbst das moralische Verderben seines Weibes und
seiner Kinder für seine Zwecke auszubeuten. Es sind ungefähr sieben Jahre her,
als ein niedliches Judenmädchen sich wiederholt einem jungen Franzosen, H. v.
Lef> zu nähern versuchte. Ihre eifrige Zudringlichkeit half ihr zum Gelingen und
Lef. wurde bald vertraut mit ihr und genoß ihre Reize ohne Mühe. Dabei
mochte aber in der Dirne ein Gefühl von Zärtlichkeit erwacht sein, und sie be¬
kannte ihm unaufgefordert: ihr Vater habe ihr befohlen, sich an.ihn zu drängen,
ihm Alles zu vergönnen und die Nächte bei ihm zuzubringen, um nach Briefen
zu suche» und deren so viele mit wegzunehmen, als sie nur finden könne. Dieser
Jude, der in seinem Eifer so weit ging, sein eigenes Kind in den tiefsten Schmutz
zu werfen, um sich mit ihrem Leib eine Brücke zu politischen Geheimnissen zu
schlagen, wurde von der edelsinnigen Beholde dadurch belohnt, daß sie ihm Liefe¬
rungen für das Heer überließ, die ihm bereits ein ziemliches Vermögen verschafft
haben. —

Vor zwei Jahren nahm ein Spion seinen Sohn, der die Handlung erlernte,
ans der Handlung und brachte ihn auf die Obwodschaftsschule, um hinter eine
^Verschwörung" einiger Gymnasiasten zu kommen. Allein die verschwörenden Kna-
ben waren schlau und nahmen den kleinen Jschariot, dessen Vater als Spion in
Warschau allzu bekannt ist, nicht zum Buudesmitglied ihres Kränzchens auf, und
so blieb ihm nichts übrig, als eines Abends die Gesellschaft mit einer Patrouille
zu überfallen und zu verhaften. Ob die Knaben eines politischen Verbrechens über¬
führt worden find, weiß ich nicht.

Die russischen Spione, welche man in den öffentlichen Wirthschaften zu finden
pflegt, sind die niedrigste», meist jüdischer Abkunft. Großentheils sind sie Makler,
Wirthe von Kaffeestuben, Bierhäusern und Winkelbordellen/ Sie erscheine», je
nachdem es ihnen vortheilhaft dünkt, in den verschiedensten Gestalten, als


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[0344] platten Medaillen in Metallfolie zu copiren und die kleinen Apparate unter dem Namen Münzkabinet feilbot, entzog die Behörde den kargen Broterwerb mit dem Bemerken, daß durch derartige Spielzeuge in den Kindern, vielleicht auch in Erwachsenen die Just zur Falschmünzerei erweckt werden könne. Außer den beiden kaufmännischen Ressourcen in Warschau, welche fast nur aus deutschen und russischen Beamten und hohen Offizieren zusammengesetzt sind, ist jeder gesellige Zirkel im Königreiche verboten. Auch keine Familienvereinigung, welche eine feste Form, eine gesellschaftliche Abgeschlossenheit und Regelmäßigkeit hat, ist erlaubt. Allein es ist nicht zu hindern, daß sich nicht hier und da dergleichen bilden sollten, denn völlig dem angeborenen Bedürfniß der Geselligkeit zu entsa¬ gen, vermögen anch die Menschen in Warschau nicht. Daher haben die Spione fortwährend etwas zu finden und erhalten immer neue Anregung zum Suchen. Bei jedem Unternehmen, wie ehrlos es auch sei, kann immer noch eine ge¬ wisse Sympathie für Ehre und Sittengesetz bewahrt werden. Der russische Spion in Polen aber ist im Stande, selbst das moralische Verderben seines Weibes und seiner Kinder für seine Zwecke auszubeuten. Es sind ungefähr sieben Jahre her, als ein niedliches Judenmädchen sich wiederholt einem jungen Franzosen, H. v. Lef> zu nähern versuchte. Ihre eifrige Zudringlichkeit half ihr zum Gelingen und Lef. wurde bald vertraut mit ihr und genoß ihre Reize ohne Mühe. Dabei mochte aber in der Dirne ein Gefühl von Zärtlichkeit erwacht sein, und sie be¬ kannte ihm unaufgefordert: ihr Vater habe ihr befohlen, sich an.ihn zu drängen, ihm Alles zu vergönnen und die Nächte bei ihm zuzubringen, um nach Briefen zu suche» und deren so viele mit wegzunehmen, als sie nur finden könne. Dieser Jude, der in seinem Eifer so weit ging, sein eigenes Kind in den tiefsten Schmutz zu werfen, um sich mit ihrem Leib eine Brücke zu politischen Geheimnissen zu schlagen, wurde von der edelsinnigen Beholde dadurch belohnt, daß sie ihm Liefe¬ rungen für das Heer überließ, die ihm bereits ein ziemliches Vermögen verschafft haben. — Vor zwei Jahren nahm ein Spion seinen Sohn, der die Handlung erlernte, ans der Handlung und brachte ihn auf die Obwodschaftsschule, um hinter eine ^Verschwörung" einiger Gymnasiasten zu kommen. Allein die verschwörenden Kna- ben waren schlau und nahmen den kleinen Jschariot, dessen Vater als Spion in Warschau allzu bekannt ist, nicht zum Buudesmitglied ihres Kränzchens auf, und so blieb ihm nichts übrig, als eines Abends die Gesellschaft mit einer Patrouille zu überfallen und zu verhaften. Ob die Knaben eines politischen Verbrechens über¬ führt worden find, weiß ich nicht. Die russischen Spione, welche man in den öffentlichen Wirthschaften zu finden pflegt, sind die niedrigste», meist jüdischer Abkunft. Großentheils sind sie Makler, Wirthe von Kaffeestuben, Bierhäusern und Winkelbordellen/ Sie erscheine», je nachdem es ihnen vortheilhaft dünkt, in den verschiedensten Gestalten, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/344>, abgerufen am 21.06.2024.