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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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altbiblische Gott und die Schreckgestalt des alten Moloch ursprünglich zusammen¬
fallen. Jehovah ist ein Gott des Schreckens, dessen Anblick tödtet, dessen Gebote
Opferungen sind; ein Geist, der die Natur und das Leben haßt, und der nur in
der Zerstörung sich offenbart. Eine spätere Zeit hat diesen Cultus des Verder¬
bens gemildert, sie hat die realen Opferungen auf symbolische zurückgeführt. Das
ist aber nur eine Abschwnchuug des alten historischen Glaubens; im Hintergrunde
steht noch immer der Götze, der edles Blut will, und der an dem symbolischen
Blut der Rinder kein Genüge findet. Es soll daher noch immer ein jüdischer
Geheimdienst bestehen, in dem das reale Osterlamm, d. h. der Mensch geschlach¬
tet wird.

Dann folgen die "Geheimnisse des christlichen Alterthums." Bei den Juden
hatte die Reformpartei gesiegt, sie hatte sogar, ihren Zwecken zu Liebe, die heili¬
gen Bücher entstellt, und in den bösen Geist, Jehovah, wenigstens einzelne gute
Eigenschaften interpolirt. Da trat Christus auf als Eiferer für den alten, legitimen
Glauben, den Molochdienst und die Menschenopfer. Das natnrfeindliche Princip
wurde mit einer halb wahnsinnigen Konsequenz theoretisch abgerundet und prak¬
tisch ausgeübt; Christus selbst erlag zwar der aufgeklärten Partei, aber seine Jün¬
ger verbreiteten die entsetzliche'Lehre über ganz Europa, und so haben wir alle,
ohne es zu wissen, einem kannibalischen Cultus gehuldigt.

In der nächsten offenbarten Religion*) sieht Danaer einen Fortschritt. Ma-
homed's Himmel ist eine Apotheose der sinnlichen Genüsse; d. h. er billigt den
sinnlichen Genuß im Princip. Die Inconsequenzen in der Ausübung dieses Prin¬
cips haben spätere mcchomedauische Dichter, namentlich Hafis, theilweise verbessert.
Der Islam ist also die Vorstufe zu der neuen Religion, der absoluten, deren
Verkündigung jetzt an der Zeit ist. "Im Hintergrunde der Menschheitsentwicke-
lnng steht, als ihr Verlornes Paradies, die altheidnische Cultur. Vou der glor¬
reichen Höhe dieser Cultur sank die Menschheit wieder hinab, und es erfolgte ihr
Sündenfall, jener traurige, thräuenwerthe Sturz in die Tiefen der Barbarei, der
Inhumanität und der geistigen Finsterniß, der sich dnrch die Erscheinung und
siegreiche Wirksamkeit des Christenthums vollbrachte. -- Was die Welt dem Chri¬
stenthum als solchem verdankt, ist nichts als Barbarei. -- Aus diesem ungeheuern
Ruin erhob sich die Menschheit zuerst wieder im Islam. -- Es bricht diese Zeit
eines nicht blos angeblichen und vorgespiegelten Heiles dann anch im Westen an,
sofern hier endlich die alte christliche Barbarei überwunden wird; vor uns in
wahrscheinlich naher Zukunft steht eine neue Religion -- eine Erscheinung, ähn¬
lich dem Islam, aber noch höher und herrlicher, so daß sie die reinste, wider-



Mohamed und sein Werk. Eine Sammlung orientalischer Gedichte. Von G. Fr.
Danaer" Hamburg, Hoffmann^und Campe, 1848.
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altbiblische Gott und die Schreckgestalt des alten Moloch ursprünglich zusammen¬
fallen. Jehovah ist ein Gott des Schreckens, dessen Anblick tödtet, dessen Gebote
Opferungen sind; ein Geist, der die Natur und das Leben haßt, und der nur in
der Zerstörung sich offenbart. Eine spätere Zeit hat diesen Cultus des Verder¬
bens gemildert, sie hat die realen Opferungen auf symbolische zurückgeführt. Das
ist aber nur eine Abschwnchuug des alten historischen Glaubens; im Hintergrunde
steht noch immer der Götze, der edles Blut will, und der an dem symbolischen
Blut der Rinder kein Genüge findet. Es soll daher noch immer ein jüdischer
Geheimdienst bestehen, in dem das reale Osterlamm, d. h. der Mensch geschlach¬
tet wird.

Dann folgen die „Geheimnisse des christlichen Alterthums." Bei den Juden
hatte die Reformpartei gesiegt, sie hatte sogar, ihren Zwecken zu Liebe, die heili¬
gen Bücher entstellt, und in den bösen Geist, Jehovah, wenigstens einzelne gute
Eigenschaften interpolirt. Da trat Christus auf als Eiferer für den alten, legitimen
Glauben, den Molochdienst und die Menschenopfer. Das natnrfeindliche Princip
wurde mit einer halb wahnsinnigen Konsequenz theoretisch abgerundet und prak¬
tisch ausgeübt; Christus selbst erlag zwar der aufgeklärten Partei, aber seine Jün¬
ger verbreiteten die entsetzliche'Lehre über ganz Europa, und so haben wir alle,
ohne es zu wissen, einem kannibalischen Cultus gehuldigt.

In der nächsten offenbarten Religion*) sieht Danaer einen Fortschritt. Ma-
homed's Himmel ist eine Apotheose der sinnlichen Genüsse; d. h. er billigt den
sinnlichen Genuß im Princip. Die Inconsequenzen in der Ausübung dieses Prin¬
cips haben spätere mcchomedauische Dichter, namentlich Hafis, theilweise verbessert.
Der Islam ist also die Vorstufe zu der neuen Religion, der absoluten, deren
Verkündigung jetzt an der Zeit ist. „Im Hintergrunde der Menschheitsentwicke-
lnng steht, als ihr Verlornes Paradies, die altheidnische Cultur. Vou der glor¬
reichen Höhe dieser Cultur sank die Menschheit wieder hinab, und es erfolgte ihr
Sündenfall, jener traurige, thräuenwerthe Sturz in die Tiefen der Barbarei, der
Inhumanität und der geistigen Finsterniß, der sich dnrch die Erscheinung und
siegreiche Wirksamkeit des Christenthums vollbrachte. — Was die Welt dem Chri¬
stenthum als solchem verdankt, ist nichts als Barbarei. — Aus diesem ungeheuern
Ruin erhob sich die Menschheit zuerst wieder im Islam. — Es bricht diese Zeit
eines nicht blos angeblichen und vorgespiegelten Heiles dann anch im Westen an,
sofern hier endlich die alte christliche Barbarei überwunden wird; vor uns in
wahrscheinlich naher Zukunft steht eine neue Religion — eine Erscheinung, ähn¬
lich dem Islam, aber noch höher und herrlicher, so daß sie die reinste, wider-



Mohamed und sein Werk. Eine Sammlung orientalischer Gedichte. Von G. Fr.
Danaer» Hamburg, Hoffmann^und Campe, 1848.
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[0331] altbiblische Gott und die Schreckgestalt des alten Moloch ursprünglich zusammen¬ fallen. Jehovah ist ein Gott des Schreckens, dessen Anblick tödtet, dessen Gebote Opferungen sind; ein Geist, der die Natur und das Leben haßt, und der nur in der Zerstörung sich offenbart. Eine spätere Zeit hat diesen Cultus des Verder¬ bens gemildert, sie hat die realen Opferungen auf symbolische zurückgeführt. Das ist aber nur eine Abschwnchuug des alten historischen Glaubens; im Hintergrunde steht noch immer der Götze, der edles Blut will, und der an dem symbolischen Blut der Rinder kein Genüge findet. Es soll daher noch immer ein jüdischer Geheimdienst bestehen, in dem das reale Osterlamm, d. h. der Mensch geschlach¬ tet wird. Dann folgen die „Geheimnisse des christlichen Alterthums." Bei den Juden hatte die Reformpartei gesiegt, sie hatte sogar, ihren Zwecken zu Liebe, die heili¬ gen Bücher entstellt, und in den bösen Geist, Jehovah, wenigstens einzelne gute Eigenschaften interpolirt. Da trat Christus auf als Eiferer für den alten, legitimen Glauben, den Molochdienst und die Menschenopfer. Das natnrfeindliche Princip wurde mit einer halb wahnsinnigen Konsequenz theoretisch abgerundet und prak¬ tisch ausgeübt; Christus selbst erlag zwar der aufgeklärten Partei, aber seine Jün¬ ger verbreiteten die entsetzliche'Lehre über ganz Europa, und so haben wir alle, ohne es zu wissen, einem kannibalischen Cultus gehuldigt. In der nächsten offenbarten Religion*) sieht Danaer einen Fortschritt. Ma- homed's Himmel ist eine Apotheose der sinnlichen Genüsse; d. h. er billigt den sinnlichen Genuß im Princip. Die Inconsequenzen in der Ausübung dieses Prin¬ cips haben spätere mcchomedauische Dichter, namentlich Hafis, theilweise verbessert. Der Islam ist also die Vorstufe zu der neuen Religion, der absoluten, deren Verkündigung jetzt an der Zeit ist. „Im Hintergrunde der Menschheitsentwicke- lnng steht, als ihr Verlornes Paradies, die altheidnische Cultur. Vou der glor¬ reichen Höhe dieser Cultur sank die Menschheit wieder hinab, und es erfolgte ihr Sündenfall, jener traurige, thräuenwerthe Sturz in die Tiefen der Barbarei, der Inhumanität und der geistigen Finsterniß, der sich dnrch die Erscheinung und siegreiche Wirksamkeit des Christenthums vollbrachte. — Was die Welt dem Chri¬ stenthum als solchem verdankt, ist nichts als Barbarei. — Aus diesem ungeheuern Ruin erhob sich die Menschheit zuerst wieder im Islam. — Es bricht diese Zeit eines nicht blos angeblichen und vorgespiegelten Heiles dann anch im Westen an, sofern hier endlich die alte christliche Barbarei überwunden wird; vor uns in wahrscheinlich naher Zukunft steht eine neue Religion — eine Erscheinung, ähn¬ lich dem Islam, aber noch höher und herrlicher, so daß sie die reinste, wider- Mohamed und sein Werk. Eine Sammlung orientalischer Gedichte. Von G. Fr. Danaer» Hamburg, Hoffmann^und Campe, 1848. 41*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/331>, abgerufen am 21.06.2024.