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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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die einseitig geistigen Anforderungen des Christenthums steht er keineswegs allein,
die Hälfte unserer Literatur geht nach demselben Ziel; an Energie und Jntensivi-
tät des Hasses läßt er aber alle seine Mitkämpfer weit hinter sich.

In seiner ersten Schrift: "Hafis. Eine Sammlung persischer Gedichte.
1846" war die Polemik noch versteckt. Der mahomeoanische Sänger erkennt das
Ziel der Weisheit in der sinnlichen Lust, und spottet der Pfaffen, welche es in
ascetischen Uebungen oder in wüster Mystik suchen.


Mit aller Andacht früh und spat lies in der Schönheit Alkoran,
Denn daß ein ander heilig Buch authentisch sei, das ist ein Wahn.
Nur nicht dein Ich vergöttere; doch was du liebst, o bet' es an!
Denn daß die Liebe Götzendienst und Ketzerei, das ist ein Wahn. --
-- Traue keinem Heiligen! süße Worte spricht er;
Aber in der Kutte steckt immer ein Halunke. --

Als man ihm seines sündigen Wandels wegen Gewissensbisse machen will:


Am jüngsten Tage gilt
Kaputze, Scheich und Mufti keinen Deut;
Du bete Gott den Herrn
In Weinspelunkcn an und zittre nicht. --
-- Ein Schatte nur ganz ohne Wesen wäre,
Wer vor dem Herrn in aller Reine stünde.
Lebendig ist die Sünde nur im Leben.
Das Leben, es bestehet in der Sünde. --
'-- Eben kam mir ein echter Bußgedanke,
Kehren wollt' ich in heilsam enge Schranke,
Doch mein Liebchen, es lugt herein mit hellen
Schclmenaugen und merket, daß ich kranke,
Schleicht dann näher und lacht mich aus und schmeichelt
Und umgarnet die Seele mir, die schwanke. . .
Sag', o Himmel, o sage selbst, wie bliebe
Frei das Innere hier von argem Warte?
Du, das Gold der realen Wonne heischend,
Gibst so luftige Wonne nur zum Danke!
Drum erlaube mir immer noch ein wenig,
Daß ein traulicher Arm mich süß umranke!
-- Reicht meiner Sünde den Tugendpreis!
Wer so, wie Hafis zu sündigen weiß,
Tief in der Gottheit Gnadenmecr,
Der Selige, versinket er. --
-- Mit der Kutte, das ist wahr, reimt sich unser Wandel schwer;
Aber unsre Seele trägt lange keine Kutte mehr. --

Der Cultus der Natur, der Luft und Liebe, wirst hier nur beiläufig die
schwarzen Kutten von sich, welche mit ihren Einbildungen das Leben verfinstern.
Das naturfeiudliche, also böse Princip, wird nnr in seinen vereinzelten Aeußerun¬
gen verspottet. --- In einem zweiten Werk: "Molochdienst der alten Hebräer,"
geht Danaer diesem Princip näher zu Leibe. Er sucht nachzuweisen, daß der


die einseitig geistigen Anforderungen des Christenthums steht er keineswegs allein,
die Hälfte unserer Literatur geht nach demselben Ziel; an Energie und Jntensivi-
tät des Hasses läßt er aber alle seine Mitkämpfer weit hinter sich.

In seiner ersten Schrift: „Hafis. Eine Sammlung persischer Gedichte.
1846" war die Polemik noch versteckt. Der mahomeoanische Sänger erkennt das
Ziel der Weisheit in der sinnlichen Lust, und spottet der Pfaffen, welche es in
ascetischen Uebungen oder in wüster Mystik suchen.


Mit aller Andacht früh und spat lies in der Schönheit Alkoran,
Denn daß ein ander heilig Buch authentisch sei, das ist ein Wahn.
Nur nicht dein Ich vergöttere; doch was du liebst, o bet' es an!
Denn daß die Liebe Götzendienst und Ketzerei, das ist ein Wahn. —
— Traue keinem Heiligen! süße Worte spricht er;
Aber in der Kutte steckt immer ein Halunke. —

Als man ihm seines sündigen Wandels wegen Gewissensbisse machen will:


Am jüngsten Tage gilt
Kaputze, Scheich und Mufti keinen Deut;
Du bete Gott den Herrn
In Weinspelunkcn an und zittre nicht. —
— Ein Schatte nur ganz ohne Wesen wäre,
Wer vor dem Herrn in aller Reine stünde.
Lebendig ist die Sünde nur im Leben.
Das Leben, es bestehet in der Sünde. —
'— Eben kam mir ein echter Bußgedanke,
Kehren wollt' ich in heilsam enge Schranke,
Doch mein Liebchen, es lugt herein mit hellen
Schclmenaugen und merket, daß ich kranke,
Schleicht dann näher und lacht mich aus und schmeichelt
Und umgarnet die Seele mir, die schwanke. . .
Sag', o Himmel, o sage selbst, wie bliebe
Frei das Innere hier von argem Warte?
Du, das Gold der realen Wonne heischend,
Gibst so luftige Wonne nur zum Danke!
Drum erlaube mir immer noch ein wenig,
Daß ein traulicher Arm mich süß umranke!
— Reicht meiner Sünde den Tugendpreis!
Wer so, wie Hafis zu sündigen weiß,
Tief in der Gottheit Gnadenmecr,
Der Selige, versinket er. —
— Mit der Kutte, das ist wahr, reimt sich unser Wandel schwer;
Aber unsre Seele trägt lange keine Kutte mehr. —

Der Cultus der Natur, der Luft und Liebe, wirst hier nur beiläufig die
schwarzen Kutten von sich, welche mit ihren Einbildungen das Leben verfinstern.
Das naturfeiudliche, also böse Princip, wird nnr in seinen vereinzelten Aeußerun¬
gen verspottet. —- In einem zweiten Werk: „Molochdienst der alten Hebräer,"
geht Danaer diesem Princip näher zu Leibe. Er sucht nachzuweisen, daß der


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[0330] die einseitig geistigen Anforderungen des Christenthums steht er keineswegs allein, die Hälfte unserer Literatur geht nach demselben Ziel; an Energie und Jntensivi- tät des Hasses läßt er aber alle seine Mitkämpfer weit hinter sich. In seiner ersten Schrift: „Hafis. Eine Sammlung persischer Gedichte. 1846" war die Polemik noch versteckt. Der mahomeoanische Sänger erkennt das Ziel der Weisheit in der sinnlichen Lust, und spottet der Pfaffen, welche es in ascetischen Uebungen oder in wüster Mystik suchen. Mit aller Andacht früh und spat lies in der Schönheit Alkoran, Denn daß ein ander heilig Buch authentisch sei, das ist ein Wahn. Nur nicht dein Ich vergöttere; doch was du liebst, o bet' es an! Denn daß die Liebe Götzendienst und Ketzerei, das ist ein Wahn. — — Traue keinem Heiligen! süße Worte spricht er; Aber in der Kutte steckt immer ein Halunke. — Als man ihm seines sündigen Wandels wegen Gewissensbisse machen will: Am jüngsten Tage gilt Kaputze, Scheich und Mufti keinen Deut; Du bete Gott den Herrn In Weinspelunkcn an und zittre nicht. — — Ein Schatte nur ganz ohne Wesen wäre, Wer vor dem Herrn in aller Reine stünde. Lebendig ist die Sünde nur im Leben. Das Leben, es bestehet in der Sünde. — '— Eben kam mir ein echter Bußgedanke, Kehren wollt' ich in heilsam enge Schranke, Doch mein Liebchen, es lugt herein mit hellen Schclmenaugen und merket, daß ich kranke, Schleicht dann näher und lacht mich aus und schmeichelt Und umgarnet die Seele mir, die schwanke. . . Sag', o Himmel, o sage selbst, wie bliebe Frei das Innere hier von argem Warte? Du, das Gold der realen Wonne heischend, Gibst so luftige Wonne nur zum Danke! Drum erlaube mir immer noch ein wenig, Daß ein traulicher Arm mich süß umranke! — Reicht meiner Sünde den Tugendpreis! Wer so, wie Hafis zu sündigen weiß, Tief in der Gottheit Gnadenmecr, Der Selige, versinket er. — — Mit der Kutte, das ist wahr, reimt sich unser Wandel schwer; Aber unsre Seele trägt lange keine Kutte mehr. — Der Cultus der Natur, der Luft und Liebe, wirst hier nur beiläufig die schwarzen Kutten von sich, welche mit ihren Einbildungen das Leben verfinstern. Das naturfeiudliche, also böse Princip, wird nnr in seinen vereinzelten Aeußerun¬ gen verspottet. —- In einem zweiten Werk: „Molochdienst der alten Hebräer," geht Danaer diesem Princip näher zu Leibe. Er sucht nachzuweisen, daß der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/330>, abgerufen am 21.06.2024.