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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Mehr als irgend ein Anderer erkannte Feuchtersleben die Schwäche Doblhoff's.
Mehr als einmal sagte er zu mir: "Sehen Sie sich diese Erscheinung an, seine
persönliche Haltung, und verkehren Sie mit ihm 24 Stunden, und Dvblhoff wird
auf Sie deu Eindruck eiuer zu sanft schattirter Gradheit und Ritterlichkeit her¬
vorrufen, die im Kampfe zwischen der Anerkennung der Volksrechte und den For¬
derungen der Diplomatie außer alles Gleichgewicht geräth." In der That, Dvblhoff
ist ein biederer Mensch, aber er war ein unfähiger Minister. Ich glaube auch,
daß das Gefühl einer am Ende gänzlich fruchtlosen Arbeit Feuchtersleben ost beschlichen
und seine Schwungkraft gelähmt hat. So schien es mir. Hätte er ahnen können,
daß eines Tages ein junger Mann, der als Abgeordneter auf dem östreichischen
Reichstag die Zielscheibe des Spottes aller Parteien war, den man den Professor
ohne Zuhörer nannte, daß Professor Heisere seine Stellung einnehmen und seine
ganze Thätigkeit desavouiren würde, ich glaube nicht, daß Feuchtersleben seine
Zeit zu einem Opfer dargebracht haben würde, von dem nichts als der Rauch,
und bei den Ministern, die im Ministerium Dvblhoff gegen Dvblhoff arbeiteten,
mißfälliger Rauch hinterbleiben sollte.

So weit Feuchtersleben in dem Plane der Reorganisation des Unterrichts¬
wesens mit mir übereinstimmte, waren es folgende Punkte: Zuvörderst strenge
Sonderung des Unterrichtswesens für Universitäten, Gymnasien und Volksschulen;
für jede dieser drei eine besondere Abtheilung mit einem eigenen Chef im Unter¬
richtsministerium. Für die Provinzen entsprechend gebildete Schulcollegien mit
einem, nicht auf Lebenszeit ernannten, sondern mit relativer Stimmenmehrheit aus
der Mitte ihrer Mitglieder auf eine bestimmte Zeit erwählten Chef, der je nach
den verschiedenen Angelegenheiten den Dirigenten der drei Abtheilungen im Mi-
nisterium untersteht. Wo in einer Provinz verschiedene Nationalitäten waren,
eine Berücksichtigung derselbe" bei der Zusammensetzung der Schulcollegien, dage¬
gen -- und hiermit war Feuchtersleben nicht einverstanden -- sollten die Mit¬
glieder der Abtheilungen des Ministeriums nur Deutsche sein. Den Schulcolle¬
gien sollte es frei stehen, Vorschläge zu machen und Einsprüche gegen Maßnahmen
des Ministeriums zu thun. Dieses gibt aber in allen Fällen den Ausschlag. Der
Chef eines Schulcollegiums ist zugleich Proviuzialschul-Vifltator und für alle Un¬
terrichtsangelegenheiten der Provinz dem Ministerium verantwortlich, nicht aber
die Mitglieder der Collegien. Diese können in außerordentlichen Fällen Bestim¬
mungen für die Provinz treffen, für welche erst nachträglich eine besondere Geneh¬
migung des Ministeriums erforderlich ist. Aus der Mitte der Schulcollegien wer¬
den die Prüfungscommissionen für die Gymnasial- und Volksschullehrer ernannt.

Die Universitäten werden nach preußischem Muster errichtet. Jede Universität
leitet ihre Angelegenheiten selbst. An der Spitze jeder einzelnen steht der Rector
mit dem Senat. Der Senat wird gebildet mittelst Wahl auf Zeit aus der Mitte


Mehr als irgend ein Anderer erkannte Feuchtersleben die Schwäche Doblhoff's.
Mehr als einmal sagte er zu mir: „Sehen Sie sich diese Erscheinung an, seine
persönliche Haltung, und verkehren Sie mit ihm 24 Stunden, und Dvblhoff wird
auf Sie deu Eindruck eiuer zu sanft schattirter Gradheit und Ritterlichkeit her¬
vorrufen, die im Kampfe zwischen der Anerkennung der Volksrechte und den For¬
derungen der Diplomatie außer alles Gleichgewicht geräth." In der That, Dvblhoff
ist ein biederer Mensch, aber er war ein unfähiger Minister. Ich glaube auch,
daß das Gefühl einer am Ende gänzlich fruchtlosen Arbeit Feuchtersleben ost beschlichen
und seine Schwungkraft gelähmt hat. So schien es mir. Hätte er ahnen können,
daß eines Tages ein junger Mann, der als Abgeordneter auf dem östreichischen
Reichstag die Zielscheibe des Spottes aller Parteien war, den man den Professor
ohne Zuhörer nannte, daß Professor Heisere seine Stellung einnehmen und seine
ganze Thätigkeit desavouiren würde, ich glaube nicht, daß Feuchtersleben seine
Zeit zu einem Opfer dargebracht haben würde, von dem nichts als der Rauch,
und bei den Ministern, die im Ministerium Dvblhoff gegen Dvblhoff arbeiteten,
mißfälliger Rauch hinterbleiben sollte.

So weit Feuchtersleben in dem Plane der Reorganisation des Unterrichts¬
wesens mit mir übereinstimmte, waren es folgende Punkte: Zuvörderst strenge
Sonderung des Unterrichtswesens für Universitäten, Gymnasien und Volksschulen;
für jede dieser drei eine besondere Abtheilung mit einem eigenen Chef im Unter¬
richtsministerium. Für die Provinzen entsprechend gebildete Schulcollegien mit
einem, nicht auf Lebenszeit ernannten, sondern mit relativer Stimmenmehrheit aus
der Mitte ihrer Mitglieder auf eine bestimmte Zeit erwählten Chef, der je nach
den verschiedenen Angelegenheiten den Dirigenten der drei Abtheilungen im Mi-
nisterium untersteht. Wo in einer Provinz verschiedene Nationalitäten waren,
eine Berücksichtigung derselbe» bei der Zusammensetzung der Schulcollegien, dage¬
gen — und hiermit war Feuchtersleben nicht einverstanden — sollten die Mit¬
glieder der Abtheilungen des Ministeriums nur Deutsche sein. Den Schulcolle¬
gien sollte es frei stehen, Vorschläge zu machen und Einsprüche gegen Maßnahmen
des Ministeriums zu thun. Dieses gibt aber in allen Fällen den Ausschlag. Der
Chef eines Schulcollegiums ist zugleich Proviuzialschul-Vifltator und für alle Un¬
terrichtsangelegenheiten der Provinz dem Ministerium verantwortlich, nicht aber
die Mitglieder der Collegien. Diese können in außerordentlichen Fällen Bestim¬
mungen für die Provinz treffen, für welche erst nachträglich eine besondere Geneh¬
migung des Ministeriums erforderlich ist. Aus der Mitte der Schulcollegien wer¬
den die Prüfungscommissionen für die Gymnasial- und Volksschullehrer ernannt.

Die Universitäten werden nach preußischem Muster errichtet. Jede Universität
leitet ihre Angelegenheiten selbst. An der Spitze jeder einzelnen steht der Rector
mit dem Senat. Der Senat wird gebildet mittelst Wahl auf Zeit aus der Mitte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/324>, abgerufen am 21.06.2024.