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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Ernst Freiherr von Feuchtersleven.
Von Friedrich W. Ebeling.



Oestreich ist seit. mehreren Jahren eine sehr ergiebige Quelle sür Schrift¬
steller und Buchhändler geworden, da dieser Staat in vielen Beziehungen denen,
die außerhalb der schwarzgelben Barrieren wohnten, eine wahre toi-im meo^uni"
war. Und was sage ich von außerhalb, wissen doch Alle, die in Oestreich ge¬
lebt haben, daß seiue Angehörige" die eigenen Zustände und Angelegenheiten mehr
noch von Fremden als von Einheimischen kennen lernen mußten. nachgerade hat
sich das Verhältniß etwas anders gestaltet; allein wenn wir denen zu Dank ver¬
pflichtet sind, die Oestreich zum Gegenstande literarischer Thätigkeit, geleitet von
unmittelbaren Anschauungen, machten, so müssen wir andererseits auch bekennen,
daß zur Beseitigung der Unkenntniß der Deutschen über das Land, dessen Mo¬
narch mit dem Hause Hohenzollern um die Suprematie in unserm großen, gemein¬
samen Vaterhause ringt, zur Berichtigung einer Menge confuser Betrachtungen
und Urtheile, uoch ein gutes Stück'Arbeit über Oestreich erübrigt. Besonders
ist es die Geschichte der vergangenen zwei Jahre, die man weder im Großen
und Ganzen noch im Besondern erforscht und gemeinzngänglich gemacht hat; denn
außer den Revolutionsgeschichten, die fast Alle an Lücken und Oberflächlichkeiten,
mitunter an Entfernungen von der Wahrheit leiden, da sie meist von Männeri;
geschrieben sind, deren literarische Befähigung wir zwar nicht antasten wollen, die
aber in der Politik auf der Oberfläche fortgeschwommen und dann von den Er¬
eignissen ohne Haltpunkt fortgetragen, und von diesen persönlich sehr berührt wor¬
den sind, wir sagen, außer diesen ist sehr wenig zur Erweiterung unseres Blicks,
zur Kenntniß des Staatsgetriebes in diesem Zeitraume, geschehen. Wer hierzu
beitragen kann, meine ich,, soll es thun, und was einer erlebt hat von Bedeutung,
das soll er nicht als todtes Capital im Schatze seines Gedächtnisses ruhen
lassen.

Wir unterfangen uns zur Charakteristik der Männer, die in den schweren
Jahren 1848--49 am Unter des Staats standen, einen Beitrag zu liefern, und
mandelt den Anfang mit einem Mann, dessen unseres Wissens nnr wenig gedacht worden
ist, mit Dr. Ernst Freiherr v. Feuchtersleben. Anton, Freiherr von Dobl-
h o ff, weil. Minister des Innern und provisorisch auch der Unterrichtsangelegenheiten,-
hatte die Leitung der letztern in die Hände Feuchtersleben's gelegt, der als Un-
terstaatssecretär die großartigen Pläne Doblhoffs zu würdigen verstand. Und wenn


Ernst Freiherr von Feuchtersleven.
Von Friedrich W. Ebeling.



Oestreich ist seit. mehreren Jahren eine sehr ergiebige Quelle sür Schrift¬
steller und Buchhändler geworden, da dieser Staat in vielen Beziehungen denen,
die außerhalb der schwarzgelben Barrieren wohnten, eine wahre toi-im meo^uni»
war. Und was sage ich von außerhalb, wissen doch Alle, die in Oestreich ge¬
lebt haben, daß seiue Angehörige» die eigenen Zustände und Angelegenheiten mehr
noch von Fremden als von Einheimischen kennen lernen mußten. nachgerade hat
sich das Verhältniß etwas anders gestaltet; allein wenn wir denen zu Dank ver¬
pflichtet sind, die Oestreich zum Gegenstande literarischer Thätigkeit, geleitet von
unmittelbaren Anschauungen, machten, so müssen wir andererseits auch bekennen,
daß zur Beseitigung der Unkenntniß der Deutschen über das Land, dessen Mo¬
narch mit dem Hause Hohenzollern um die Suprematie in unserm großen, gemein¬
samen Vaterhause ringt, zur Berichtigung einer Menge confuser Betrachtungen
und Urtheile, uoch ein gutes Stück'Arbeit über Oestreich erübrigt. Besonders
ist es die Geschichte der vergangenen zwei Jahre, die man weder im Großen
und Ganzen noch im Besondern erforscht und gemeinzngänglich gemacht hat; denn
außer den Revolutionsgeschichten, die fast Alle an Lücken und Oberflächlichkeiten,
mitunter an Entfernungen von der Wahrheit leiden, da sie meist von Männeri;
geschrieben sind, deren literarische Befähigung wir zwar nicht antasten wollen, die
aber in der Politik auf der Oberfläche fortgeschwommen und dann von den Er¬
eignissen ohne Haltpunkt fortgetragen, und von diesen persönlich sehr berührt wor¬
den sind, wir sagen, außer diesen ist sehr wenig zur Erweiterung unseres Blicks,
zur Kenntniß des Staatsgetriebes in diesem Zeitraume, geschehen. Wer hierzu
beitragen kann, meine ich,, soll es thun, und was einer erlebt hat von Bedeutung,
das soll er nicht als todtes Capital im Schatze seines Gedächtnisses ruhen
lassen.

Wir unterfangen uns zur Charakteristik der Männer, die in den schweren
Jahren 1848—49 am Unter des Staats standen, einen Beitrag zu liefern, und
mandelt den Anfang mit einem Mann, dessen unseres Wissens nnr wenig gedacht worden
ist, mit Dr. Ernst Freiherr v. Feuchtersleben. Anton, Freiherr von Dobl-
h o ff, weil. Minister des Innern und provisorisch auch der Unterrichtsangelegenheiten,-
hatte die Leitung der letztern in die Hände Feuchtersleben's gelegt, der als Un-
terstaatssecretär die großartigen Pläne Doblhoffs zu würdigen verstand. Und wenn


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[0320] Ernst Freiherr von Feuchtersleven. Von Friedrich W. Ebeling. Oestreich ist seit. mehreren Jahren eine sehr ergiebige Quelle sür Schrift¬ steller und Buchhändler geworden, da dieser Staat in vielen Beziehungen denen, die außerhalb der schwarzgelben Barrieren wohnten, eine wahre toi-im meo^uni» war. Und was sage ich von außerhalb, wissen doch Alle, die in Oestreich ge¬ lebt haben, daß seiue Angehörige» die eigenen Zustände und Angelegenheiten mehr noch von Fremden als von Einheimischen kennen lernen mußten. nachgerade hat sich das Verhältniß etwas anders gestaltet; allein wenn wir denen zu Dank ver¬ pflichtet sind, die Oestreich zum Gegenstande literarischer Thätigkeit, geleitet von unmittelbaren Anschauungen, machten, so müssen wir andererseits auch bekennen, daß zur Beseitigung der Unkenntniß der Deutschen über das Land, dessen Mo¬ narch mit dem Hause Hohenzollern um die Suprematie in unserm großen, gemein¬ samen Vaterhause ringt, zur Berichtigung einer Menge confuser Betrachtungen und Urtheile, uoch ein gutes Stück'Arbeit über Oestreich erübrigt. Besonders ist es die Geschichte der vergangenen zwei Jahre, die man weder im Großen und Ganzen noch im Besondern erforscht und gemeinzngänglich gemacht hat; denn außer den Revolutionsgeschichten, die fast Alle an Lücken und Oberflächlichkeiten, mitunter an Entfernungen von der Wahrheit leiden, da sie meist von Männeri; geschrieben sind, deren literarische Befähigung wir zwar nicht antasten wollen, die aber in der Politik auf der Oberfläche fortgeschwommen und dann von den Er¬ eignissen ohne Haltpunkt fortgetragen, und von diesen persönlich sehr berührt wor¬ den sind, wir sagen, außer diesen ist sehr wenig zur Erweiterung unseres Blicks, zur Kenntniß des Staatsgetriebes in diesem Zeitraume, geschehen. Wer hierzu beitragen kann, meine ich,, soll es thun, und was einer erlebt hat von Bedeutung, das soll er nicht als todtes Capital im Schatze seines Gedächtnisses ruhen lassen. Wir unterfangen uns zur Charakteristik der Männer, die in den schweren Jahren 1848—49 am Unter des Staats standen, einen Beitrag zu liefern, und mandelt den Anfang mit einem Mann, dessen unseres Wissens nnr wenig gedacht worden ist, mit Dr. Ernst Freiherr v. Feuchtersleben. Anton, Freiherr von Dobl- h o ff, weil. Minister des Innern und provisorisch auch der Unterrichtsangelegenheiten,- hatte die Leitung der letztern in die Hände Feuchtersleben's gelegt, der als Un- terstaatssecretär die großartigen Pläne Doblhoffs zu würdigen verstand. Und wenn

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/320>, abgerufen am 21.06.2024.