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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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fertige Bauern begegnen, die er auf Englisch (!) nach einem sichern Weg in's
Lager der Rebellen frägt. Kur, erzählte er fast erstaunt, edle^ nrodabl^ M
not "iidei'Slina a vorä 0t' Lu^Iisti! (sie verstanden wahrscheinlich kein Wort
Englisch!) und sahen ihm glotzäugig und kopfschüttelnd Nach. Ein anderes Mal
versuchte er es, ein paar Bauern sich ans Lateinisch (in englischer Aussprache)
verständlich zu machen; sie klopfen ihre Pfeifen aus und sagen: önssAm! (Geh
zum Teufel!) Endlich wird er von Soldaten arretirt und trotz seiner warnenden
Ausrufung: KvAlisKmim! ^'in an LnKlisKmiui! auf den Posten gebracht und
unter allerhand Brutalitäten, wie sie in Kriegszeiten gewöhnlich sind, glücklich per
Schub nach Wien zurückbefördert. Ich frage Sie, scheint Ihnen der Mann mehr
geeignet, einen Professor in Cambridge, oder einen Agenten der Propaganda
abzugeben? --

Durch die Verwendung der britischen Gesandtschaft kam Mr. Pndham ohne
weitere Unannehmlichkeit aus Oestreich hinaus, ja nach der Beendigung deö Krie¬
ges erhielt er seinen Paß nach Ungarn visirt, von wo er sehr anschauliche Schil¬
derungen der Theißgegeuden für die Times schrieb. Diese Berichte sind nicht mit
den Oestreich lobpreisenden Timescorrespvndenzen zu verwechseln, die während der
Dauer des Aufstandes erschienen und größtentheils einen fnchern Englischlehrer
und Hausfreund der Familie Metternich zum Verfasser hatten. Mr. Pridham hat
weder Oestreich gelobhudelt noch "untergraben." Die Zeit wäre zu der letzteren
Thätigkeit schlecht gewählt. Möglich wäre aber, was die Sage erzählt, daß er
die Gelegenheit ergriff, Kossuth's unglücklicher Frau einen Dienst zu erweisen. Die
kältesten Engländer bekommen manchmal solche Anwandlunge" von galanter Gro߬
muth und entwickeln, bei sonstiger Steifheit ihrer Complimente, einen höhern Grad
von Energie und Scharfsinn als der verliebteste Ritter in Andalusien. So rettete
Wilson den unglücklichen Lavalette, ohne grade Franzosenfreund zu sein. -- Oder
wird Oestreich untergraben, wenn Madame Kossuth frei bleibt? Fürchtet sich Oest¬
reich vor einer schwachen Fran? Schämt euch, schämt euch! Seine Hungarische Ma¬
jestät Haynau I. von Gottes Gnaden soll zwar Trauer augelegt haben, weil
Bem und Kossuth seinem Strick entgingen, aber die Frau des Agitators kaun
er hoffentlich ungehenkt sehen, ohne vor Schmerz und Wuth darüber in Thrä¬
nen auszubrechen.




fertige Bauern begegnen, die er auf Englisch (!) nach einem sichern Weg in's
Lager der Rebellen frägt. Kur, erzählte er fast erstaunt, edle^ nrodabl^ M
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Englisch!) und sahen ihm glotzäugig und kopfschüttelnd Nach. Ein anderes Mal
versuchte er es, ein paar Bauern sich ans Lateinisch (in englischer Aussprache)
verständlich zu machen; sie klopfen ihre Pfeifen aus und sagen: önssAm! (Geh
zum Teufel!) Endlich wird er von Soldaten arretirt und trotz seiner warnenden
Ausrufung: KvAlisKmim! ^'in an LnKlisKmiui! auf den Posten gebracht und
unter allerhand Brutalitäten, wie sie in Kriegszeiten gewöhnlich sind, glücklich per
Schub nach Wien zurückbefördert. Ich frage Sie, scheint Ihnen der Mann mehr
geeignet, einen Professor in Cambridge, oder einen Agenten der Propaganda
abzugeben? —

Durch die Verwendung der britischen Gesandtschaft kam Mr. Pndham ohne
weitere Unannehmlichkeit aus Oestreich hinaus, ja nach der Beendigung deö Krie¬
ges erhielt er seinen Paß nach Ungarn visirt, von wo er sehr anschauliche Schil¬
derungen der Theißgegeuden für die Times schrieb. Diese Berichte sind nicht mit
den Oestreich lobpreisenden Timescorrespvndenzen zu verwechseln, die während der
Dauer des Aufstandes erschienen und größtentheils einen fnchern Englischlehrer
und Hausfreund der Familie Metternich zum Verfasser hatten. Mr. Pridham hat
weder Oestreich gelobhudelt noch „untergraben." Die Zeit wäre zu der letzteren
Thätigkeit schlecht gewählt. Möglich wäre aber, was die Sage erzählt, daß er
die Gelegenheit ergriff, Kossuth's unglücklicher Frau einen Dienst zu erweisen. Die
kältesten Engländer bekommen manchmal solche Anwandlunge» von galanter Gro߬
muth und entwickeln, bei sonstiger Steifheit ihrer Complimente, einen höhern Grad
von Energie und Scharfsinn als der verliebteste Ritter in Andalusien. So rettete
Wilson den unglücklichen Lavalette, ohne grade Franzosenfreund zu sein. — Oder
wird Oestreich untergraben, wenn Madame Kossuth frei bleibt? Fürchtet sich Oest¬
reich vor einer schwachen Fran? Schämt euch, schämt euch! Seine Hungarische Ma¬
jestät Haynau I. von Gottes Gnaden soll zwar Trauer augelegt haben, weil
Bem und Kossuth seinem Strick entgingen, aber die Frau des Agitators kaun
er hoffentlich ungehenkt sehen, ohne vor Schmerz und Wuth darüber in Thrä¬
nen auszubrechen.




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[0319] fertige Bauern begegnen, die er auf Englisch (!) nach einem sichern Weg in's Lager der Rebellen frägt. Kur, erzählte er fast erstaunt, edle^ nrodabl^ M not »iidei'Slina a vorä 0t' Lu^Iisti! (sie verstanden wahrscheinlich kein Wort Englisch!) und sahen ihm glotzäugig und kopfschüttelnd Nach. Ein anderes Mal versuchte er es, ein paar Bauern sich ans Lateinisch (in englischer Aussprache) verständlich zu machen; sie klopfen ihre Pfeifen aus und sagen: önssAm! (Geh zum Teufel!) Endlich wird er von Soldaten arretirt und trotz seiner warnenden Ausrufung: KvAlisKmim! ^'in an LnKlisKmiui! auf den Posten gebracht und unter allerhand Brutalitäten, wie sie in Kriegszeiten gewöhnlich sind, glücklich per Schub nach Wien zurückbefördert. Ich frage Sie, scheint Ihnen der Mann mehr geeignet, einen Professor in Cambridge, oder einen Agenten der Propaganda abzugeben? — Durch die Verwendung der britischen Gesandtschaft kam Mr. Pndham ohne weitere Unannehmlichkeit aus Oestreich hinaus, ja nach der Beendigung deö Krie¬ ges erhielt er seinen Paß nach Ungarn visirt, von wo er sehr anschauliche Schil¬ derungen der Theißgegeuden für die Times schrieb. Diese Berichte sind nicht mit den Oestreich lobpreisenden Timescorrespvndenzen zu verwechseln, die während der Dauer des Aufstandes erschienen und größtentheils einen fnchern Englischlehrer und Hausfreund der Familie Metternich zum Verfasser hatten. Mr. Pridham hat weder Oestreich gelobhudelt noch „untergraben." Die Zeit wäre zu der letzteren Thätigkeit schlecht gewählt. Möglich wäre aber, was die Sage erzählt, daß er die Gelegenheit ergriff, Kossuth's unglücklicher Frau einen Dienst zu erweisen. Die kältesten Engländer bekommen manchmal solche Anwandlunge» von galanter Gro߬ muth und entwickeln, bei sonstiger Steifheit ihrer Complimente, einen höhern Grad von Energie und Scharfsinn als der verliebteste Ritter in Andalusien. So rettete Wilson den unglücklichen Lavalette, ohne grade Franzosenfreund zu sein. — Oder wird Oestreich untergraben, wenn Madame Kossuth frei bleibt? Fürchtet sich Oest¬ reich vor einer schwachen Fran? Schämt euch, schämt euch! Seine Hungarische Ma¬ jestät Haynau I. von Gottes Gnaden soll zwar Trauer augelegt haben, weil Bem und Kossuth seinem Strick entgingen, aber die Frau des Agitators kaun er hoffentlich ungehenkt sehen, ohne vor Schmerz und Wuth darüber in Thrä¬ nen auszubrechen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/319>, abgerufen am 21.06.2024.