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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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ist dies aber eine sehr natürliche Folge der Verbindung mit dem Municipalgericht
und der Schatzcommisston. Leiht der Vermögende irgend Jemandem ein Kapital,
so läßt er es natürlich gerichtlich zur Hypothek eintragen und dies geschieht durch
das Mnnicipalgericht, schon am anderen Tage kann er im geheimen Bureau des
Polizeimeisters die nöthigen Notizen darüber finden. Daher hat man sich oft,
wenn man auf das nicht Zusammenhängen der Aemter rechnete, bei Prozessen,
welche auf Confiscation hinauslaufen, bitter in der Hoffnung getäuscht, daß man
doch diesen oder jenen Theil des Vermögens retten werde. In den meisten Fäl¬
len waren die Criminalgcrichte durch das Polizeibureau so gut unterrichtet, daß
sie dem Cvnfiscirungödecret die genaueste Verzeichnung aller Vermögenstheile vom
ersten bis zum letzten, wie zersplittert und zersprengt sie auch liegen mochten, bei¬
fügen konnten. Damit Niemand sein Vermögen verbergen könne, ist
die Anordnung getroffen, daß keine ohne Vermittelung der Ge¬
richte ausgefertigte Schuldverschreibung rechtskräftig ist. Nur
dem Handel hat man in dieser Anordnung eine Lücke gelassen, um die besten Be¬
gründer eines friedlichen Sinnes und des Nevolntionöhasses durch nichts am Em¬
porkommen zu hindern. Wechsel brauchen daher nicht vom Gerichte vidimirt zu
werden, Um vor Gericht Kraft zu haben, und dies könnte allerdings zum Verber¬
gen des Vermögens Gelegenheit geben. In der That benutzt man den Wechsel¬
verkehr zu diesem Zwecke. Mehrere Personen verliehen ihr Vermögen gegen Wech¬
sel auf Jahresfrist und prolougirteu nach Jahresablauf die Urkundenkraft. Allein
auch dieser Ausweg wurde verschlossen, als vor einigen Jahren die Sache durch
deu Bergrath L. zu Kenntniß der Schatzcommisfivn, und sodann des Generalpoli-
zeibureaus gelaugte. Es wurde verordnet, daß Wechsel nur vor und durch das
Gericht prvlvngirt werden dürfen und nur ein so prolongüter Wechsel vor Gericht
als giltig anerkannt werde. Zugleich wurde auch verfügt, daß ein Wechsel nicht er¬
neuert, nämlich der alle durch eiuen neuen ersetzt werden könne, wenn die Lage
des Kapitals oder das Kapital selbst nicht eine Veränderung erlitten habe. Der
Schuldner wurde also in den Stand gesetzt, sich durch eine bloße Anzeige der un-
gesetzlichen Prolongation seines Wechsels seiner Schuld zu entledigen. Demungeach-
tet wird wohl noch heut der Wechsel dazu benntzt, das Vermögen, vielleicht we¬
nigstens theilweise, der Kenntniß der gefährlichen Behörde zu entziehen.

Stand, Wohnort und dergleichen sind natürlich Rubriken, die in unserem
schwarzen Buche des Generalpolizeimeisters nicht fehlen. Es soll aber auch Ru¬
briken für ganz eigenthümliche Aufzeichnungen enthalten, z. B. für verwandtschaft¬
liche und geschäftliche Verbindungen, für mit Leidenschaft betriebene Beschäftigun¬
gen, für geselligen Verkehr und so weiter. Beweise davon kommen bisweilen zu
Tage. Der Sohn eines Fabrikanten suchte beim Pvlizeimcister darum nach, ein
selbstständiges Geschäft anlegen zu dürfen; er wurde befehligt, am anderen Tage
wieder zu erscheine". Der General empfing ihn mit den Worten: "Warum haben


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ist dies aber eine sehr natürliche Folge der Verbindung mit dem Municipalgericht
und der Schatzcommisston. Leiht der Vermögende irgend Jemandem ein Kapital,
so läßt er es natürlich gerichtlich zur Hypothek eintragen und dies geschieht durch
das Mnnicipalgericht, schon am anderen Tage kann er im geheimen Bureau des
Polizeimeisters die nöthigen Notizen darüber finden. Daher hat man sich oft,
wenn man auf das nicht Zusammenhängen der Aemter rechnete, bei Prozessen,
welche auf Confiscation hinauslaufen, bitter in der Hoffnung getäuscht, daß man
doch diesen oder jenen Theil des Vermögens retten werde. In den meisten Fäl¬
len waren die Criminalgcrichte durch das Polizeibureau so gut unterrichtet, daß
sie dem Cvnfiscirungödecret die genaueste Verzeichnung aller Vermögenstheile vom
ersten bis zum letzten, wie zersplittert und zersprengt sie auch liegen mochten, bei¬
fügen konnten. Damit Niemand sein Vermögen verbergen könne, ist
die Anordnung getroffen, daß keine ohne Vermittelung der Ge¬
richte ausgefertigte Schuldverschreibung rechtskräftig ist. Nur
dem Handel hat man in dieser Anordnung eine Lücke gelassen, um die besten Be¬
gründer eines friedlichen Sinnes und des Nevolntionöhasses durch nichts am Em¬
porkommen zu hindern. Wechsel brauchen daher nicht vom Gerichte vidimirt zu
werden, Um vor Gericht Kraft zu haben, und dies könnte allerdings zum Verber¬
gen des Vermögens Gelegenheit geben. In der That benutzt man den Wechsel¬
verkehr zu diesem Zwecke. Mehrere Personen verliehen ihr Vermögen gegen Wech¬
sel auf Jahresfrist und prolougirteu nach Jahresablauf die Urkundenkraft. Allein
auch dieser Ausweg wurde verschlossen, als vor einigen Jahren die Sache durch
deu Bergrath L. zu Kenntniß der Schatzcommisfivn, und sodann des Generalpoli-
zeibureaus gelaugte. Es wurde verordnet, daß Wechsel nur vor und durch das
Gericht prvlvngirt werden dürfen und nur ein so prolongüter Wechsel vor Gericht
als giltig anerkannt werde. Zugleich wurde auch verfügt, daß ein Wechsel nicht er¬
neuert, nämlich der alle durch eiuen neuen ersetzt werden könne, wenn die Lage
des Kapitals oder das Kapital selbst nicht eine Veränderung erlitten habe. Der
Schuldner wurde also in den Stand gesetzt, sich durch eine bloße Anzeige der un-
gesetzlichen Prolongation seines Wechsels seiner Schuld zu entledigen. Demungeach-
tet wird wohl noch heut der Wechsel dazu benntzt, das Vermögen, vielleicht we¬
nigstens theilweise, der Kenntniß der gefährlichen Behörde zu entziehen.

Stand, Wohnort und dergleichen sind natürlich Rubriken, die in unserem
schwarzen Buche des Generalpolizeimeisters nicht fehlen. Es soll aber auch Ru¬
briken für ganz eigenthümliche Aufzeichnungen enthalten, z. B. für verwandtschaft¬
liche und geschäftliche Verbindungen, für mit Leidenschaft betriebene Beschäftigun¬
gen, für geselligen Verkehr und so weiter. Beweise davon kommen bisweilen zu
Tage. Der Sohn eines Fabrikanten suchte beim Pvlizeimcister darum nach, ein
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/313>, abgerufen am 21.06.2024.