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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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und im Großfürstenthum ziemlich eben so viel. Nach der letzten Affaire der Po¬
len im Jahre 1346, welche Gras Potocki unsinniger Weise veranlaßte, ver¬
mehrte sich dieses schleichende Heer auf eine so entsetzliche Weise, daß einige Kaffee-
und Bierstuben von ihren Inhabern für eine ""bestimmte Zeit geschlossen werden
mußten. Die Spione legten sich in so großer Anzahl von früh bis zum Abend
in diese Locale, daß sich keiner der reellen Gäste mehr hinein wagte.

Der Centralpunkt der geheimen Bewachung in Polen ist das Bureau des
Polizeimeisters. Mit diesem stehen alle Aemter, welche mit dem Paßwesen, so¬
wohl für das In- als Ausland, zu thun haben, serner das Postamt, die Cen-
surcvmmission, die. Bank und Schatzcommission, welche über die Vermögensverhält¬
nisse jedes Gruudstückbesitzers die genaueste Auskunft geben können, das Munici¬
palgericht, alle Gubernial- und Criminalgerichte, selbst das an einen Juden ver¬
pachtete Zollamt, ferner alle Bureaus der Gubernatoren in der engsten Verbin¬
dung, so daß das Bureau des Polizeimeisters zu Warschau von der gesammten'
Bevölkerung des Königreichs die allergenaueste Kenntniß hat, und amtliche
Fragen beantworten kann, welche sonst außer dem Einzelnen, den sie zumeist an-
gehn, vielleicht kein Wesen ans Erden beantworten -könnte. Kein Fremder darf
beim Marsch über die Grenze glauben, daß man von diesem Schritte nicht schon
im Bureau des Polizeimeisters unterrichtet sei, oder doch früher unterrichtet sein
werde, als er die Hauptstadt des Landes erreicht habe. Ist der Fremde ein Mann
von Bedeutung oder eine Person, über deren politische Bedeutung man sich Ge¬
danken machen kann, so erhält das Bureau des Po.lizeimeisters schon durch den
Gesandten, welcher den Paß viflrte, Meldung. Ist d!e Person unbedeutender
Art, so wird doch ihr Uebertritt über die Grenze von dem Grenzamte gemeldet.

In der Abtheilung für geheime Bewachung des Polizeibureaus befindet sich
neben anderen seltsamen Hilfsmitteln auch das berüchtigte schwarze Buch. Die
Fremden, welche nach Warschau kommen und von diesem Buche sprechen hören,
glauben Fabeln zu hören und belächeln gewöhnlich das phantasiereiche Mißtrauen
der Einheimischen. Allein die Gerüchte von diesem Buche sind in der Hauptsache
nicht übertrieben. Es ist eine einfache Liste der Bewohnerschaft des Königreichs, welche
einen ziemlich großen Folioband bildet. Die Seiten sind in Rubriken gespalten,
von deuen die erste den Namen enthält. Die zweite gibt Auskunft über das Ver¬
mögen des Genannten und bezeichnet das Grundeigenthum nach der Nummer des
Registers, welches in der Schatzcommission gehalten wird. Eine andere Rubrik
gibt Nachweis über die auf dem Grundstück lastenden Hypotheken und Bedingun¬
gen. Bewegliches Vermögen, welches in Mobilien besteht, ist nach dem unge¬
fähren Werthe aufgezeichnet, und der Ort, an welchem es sich befindet, genau
angegeben. Mit besonderer Sorgfalt sind die verliehenen Kapitalien verzeichnet
und es erscheint oft den Kapitalisten unbegreiflich, wie man im Bureau des Po¬
lizeimeisters wissen kann, wie viel Kapitalien sie verliehen haben und an wen. Es


und im Großfürstenthum ziemlich eben so viel. Nach der letzten Affaire der Po¬
len im Jahre 1346, welche Gras Potocki unsinniger Weise veranlaßte, ver¬
mehrte sich dieses schleichende Heer auf eine so entsetzliche Weise, daß einige Kaffee-
und Bierstuben von ihren Inhabern für eine »«bestimmte Zeit geschlossen werden
mußten. Die Spione legten sich in so großer Anzahl von früh bis zum Abend
in diese Locale, daß sich keiner der reellen Gäste mehr hinein wagte.

Der Centralpunkt der geheimen Bewachung in Polen ist das Bureau des
Polizeimeisters. Mit diesem stehen alle Aemter, welche mit dem Paßwesen, so¬
wohl für das In- als Ausland, zu thun haben, serner das Postamt, die Cen-
surcvmmission, die. Bank und Schatzcommission, welche über die Vermögensverhält¬
nisse jedes Gruudstückbesitzers die genaueste Auskunft geben können, das Munici¬
palgericht, alle Gubernial- und Criminalgerichte, selbst das an einen Juden ver¬
pachtete Zollamt, ferner alle Bureaus der Gubernatoren in der engsten Verbin¬
dung, so daß das Bureau des Polizeimeisters zu Warschau von der gesammten'
Bevölkerung des Königreichs die allergenaueste Kenntniß hat, und amtliche
Fragen beantworten kann, welche sonst außer dem Einzelnen, den sie zumeist an-
gehn, vielleicht kein Wesen ans Erden beantworten -könnte. Kein Fremder darf
beim Marsch über die Grenze glauben, daß man von diesem Schritte nicht schon
im Bureau des Polizeimeisters unterrichtet sei, oder doch früher unterrichtet sein
werde, als er die Hauptstadt des Landes erreicht habe. Ist der Fremde ein Mann
von Bedeutung oder eine Person, über deren politische Bedeutung man sich Ge¬
danken machen kann, so erhält das Bureau des Po.lizeimeisters schon durch den
Gesandten, welcher den Paß viflrte, Meldung. Ist d!e Person unbedeutender
Art, so wird doch ihr Uebertritt über die Grenze von dem Grenzamte gemeldet.

In der Abtheilung für geheime Bewachung des Polizeibureaus befindet sich
neben anderen seltsamen Hilfsmitteln auch das berüchtigte schwarze Buch. Die
Fremden, welche nach Warschau kommen und von diesem Buche sprechen hören,
glauben Fabeln zu hören und belächeln gewöhnlich das phantasiereiche Mißtrauen
der Einheimischen. Allein die Gerüchte von diesem Buche sind in der Hauptsache
nicht übertrieben. Es ist eine einfache Liste der Bewohnerschaft des Königreichs, welche
einen ziemlich großen Folioband bildet. Die Seiten sind in Rubriken gespalten,
von deuen die erste den Namen enthält. Die zweite gibt Auskunft über das Ver¬
mögen des Genannten und bezeichnet das Grundeigenthum nach der Nummer des
Registers, welches in der Schatzcommission gehalten wird. Eine andere Rubrik
gibt Nachweis über die auf dem Grundstück lastenden Hypotheken und Bedingun¬
gen. Bewegliches Vermögen, welches in Mobilien besteht, ist nach dem unge¬
fähren Werthe aufgezeichnet, und der Ort, an welchem es sich befindet, genau
angegeben. Mit besonderer Sorgfalt sind die verliehenen Kapitalien verzeichnet
und es erscheint oft den Kapitalisten unbegreiflich, wie man im Bureau des Po¬
lizeimeisters wissen kann, wie viel Kapitalien sie verliehen haben und an wen. Es


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/312>, abgerufen am 21.06.2024.