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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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füllten Urnen geschmückt und dreißig neu angeworbene Crvciati paradirten mit
Musik unter dem Zuruf der Menge durch die Straßen, um in den heiligen Krieg
zu ziehen und den geschlagenen Erbfeind vollends aufzureiben. Der kindische
Volkseuthusiasmus stimmte mich sehr melancholisch, von T's Wohnung hielt mich
eine abergläubische Schen zurück; als jedoch der Abend herankam, fand ich mich
unwillkürlich nach der Arnostraße hingezogen. Ich stieg mit Herzklopfen die breite,
kühle Treppe hinan, aber kein Gesang tönte mir entgegen. Signor T. und Bea-
trice waren im Lauf des Tages nach dem Norden abgereist. Ich sollte sie nicht
wiedersehen, aber ein entsetzlicher Verdacht erhob sich in meiner Seele gegen Sig¬
nor T.; ein Verdacht, der nicht aus jenem bösen Traum entsprang, sondern der
mir vielmehr den Traum eingegeben hatte.




Den weiteren Verlauf dieser Geschichte, fuhr Don Jsidor fort, indem er die
erlöschende Glutt) noch einmal schürte, kenne ich nicht aus eigener Anschauung,
sondern theils durch briefliche Mittheilungen meiner Freunde in Italien, theils
ans dem Munde ehrenwerther östreichischer Offiziere.

Kurze Zeit uach Signor T's Abreise boten mehrere Städte Oberitaliens ein
schauerliches Gegenbild zu der florentinischen Jubelnacht, vou der ich oben ge¬
sprochen. Getäuscht durch falsche Siegesbotschaften hatte in einer dieser Städte
das Volk sich gegen die Fremdherrschaft erhoben und wurde uach einem verzweifel¬
ten Widerstande niedergeworfen. Das Andenken an jene blutigen Tage wird nicht
so bald erlöschen. Die Stadt wehrte sich wie ein kleines Saragossa; und die
Wälschen zeigten, daß die Oestreich" nur die Fechtmeister Italiens machen. Sie
lassen sich schweren Lohn für ihre Lectionen zahlen, aber zum Ersatz wird im Lauf
der Zeit selbst der Italiener muthig zu sterben lernen . . . Ein Unterfeldhcrr Ra-
detzky's hielt Gericht über die rebellische Stadt und verwandelte sie in ein Grab.
Aus dem Marktplatze wurden einige hundert Gefangene, Greise, Knaben und Prie¬
ster in ihrem Ornat, von der wüthenden Soldateska niedergemetzelt. Ein schwaches
Gestöhn stieg zum Himmel auf, den die Opferflamme brennender Paläste mit
röthlichen Rauchwolken verdüsterte. Eine Stunde nach dieser Szene ritt der
grimme Feldherr allein durch die Straßen der Stadt und sah, daß Alles still
und zur Ruhe war; Hausthore und Fensterladen überall geschlossen, kein Athem¬
zug zu hören; mit voller Sicherheit konnte er seinen Triumphritt halten. Er be¬
gegnete nnr hie und da den Raubvögeln des Heeres, deu Scresanern, die in
Schwärmen durch die entlegensten Stadtviertel streiften, dann und wann eine
Thüre einschlugen, um Beute zu suchen, oder ans ein halbgeöffnetes Fenster feuer¬
ten. Der Feldherr ließ an die Straßenecken ein Plakat ankleben, jedem Einwohner
den Tod androhend, der nicht binnen drei Stunden seine Waffen bis aus die letzte
Dolchklinge abgeliefert haben würde; Niemand hatte Gelegenheit, die Warnung zu


füllten Urnen geschmückt und dreißig neu angeworbene Crvciati paradirten mit
Musik unter dem Zuruf der Menge durch die Straßen, um in den heiligen Krieg
zu ziehen und den geschlagenen Erbfeind vollends aufzureiben. Der kindische
Volkseuthusiasmus stimmte mich sehr melancholisch, von T's Wohnung hielt mich
eine abergläubische Schen zurück; als jedoch der Abend herankam, fand ich mich
unwillkürlich nach der Arnostraße hingezogen. Ich stieg mit Herzklopfen die breite,
kühle Treppe hinan, aber kein Gesang tönte mir entgegen. Signor T. und Bea-
trice waren im Lauf des Tages nach dem Norden abgereist. Ich sollte sie nicht
wiedersehen, aber ein entsetzlicher Verdacht erhob sich in meiner Seele gegen Sig¬
nor T.; ein Verdacht, der nicht aus jenem bösen Traum entsprang, sondern der
mir vielmehr den Traum eingegeben hatte.




Den weiteren Verlauf dieser Geschichte, fuhr Don Jsidor fort, indem er die
erlöschende Glutt) noch einmal schürte, kenne ich nicht aus eigener Anschauung,
sondern theils durch briefliche Mittheilungen meiner Freunde in Italien, theils
ans dem Munde ehrenwerther östreichischer Offiziere.

Kurze Zeit uach Signor T's Abreise boten mehrere Städte Oberitaliens ein
schauerliches Gegenbild zu der florentinischen Jubelnacht, vou der ich oben ge¬
sprochen. Getäuscht durch falsche Siegesbotschaften hatte in einer dieser Städte
das Volk sich gegen die Fremdherrschaft erhoben und wurde uach einem verzweifel¬
ten Widerstande niedergeworfen. Das Andenken an jene blutigen Tage wird nicht
so bald erlöschen. Die Stadt wehrte sich wie ein kleines Saragossa; und die
Wälschen zeigten, daß die Oestreich» nur die Fechtmeister Italiens machen. Sie
lassen sich schweren Lohn für ihre Lectionen zahlen, aber zum Ersatz wird im Lauf
der Zeit selbst der Italiener muthig zu sterben lernen . . . Ein Unterfeldhcrr Ra-
detzky's hielt Gericht über die rebellische Stadt und verwandelte sie in ein Grab.
Aus dem Marktplatze wurden einige hundert Gefangene, Greise, Knaben und Prie¬
ster in ihrem Ornat, von der wüthenden Soldateska niedergemetzelt. Ein schwaches
Gestöhn stieg zum Himmel auf, den die Opferflamme brennender Paläste mit
röthlichen Rauchwolken verdüsterte. Eine Stunde nach dieser Szene ritt der
grimme Feldherr allein durch die Straßen der Stadt und sah, daß Alles still
und zur Ruhe war; Hausthore und Fensterladen überall geschlossen, kein Athem¬
zug zu hören; mit voller Sicherheit konnte er seinen Triumphritt halten. Er be¬
gegnete nnr hie und da den Raubvögeln des Heeres, deu Scresanern, die in
Schwärmen durch die entlegensten Stadtviertel streiften, dann und wann eine
Thüre einschlugen, um Beute zu suchen, oder ans ein halbgeöffnetes Fenster feuer¬
ten. Der Feldherr ließ an die Straßenecken ein Plakat ankleben, jedem Einwohner
den Tod androhend, der nicht binnen drei Stunden seine Waffen bis aus die letzte
Dolchklinge abgeliefert haben würde; Niemand hatte Gelegenheit, die Warnung zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/28>, abgerufen am 20.06.2024.