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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Ausschweifungen in die Arme und brachte die kostbare Zeit mit Kartenspiel,' Trink¬
gelagen und galanten Abenteuern durch. In Pesth dasselbe. Dennoch meint
Herr von Adlerstein, daß "Kossuth ein tüchtiges Talent, vereinigt mit einer sehr
begeisterten Phantasie nicht abgesprochen werden kann, aber sein so viel gerühmtes
Rednertalent is. 94.) beschränkt sich einzig und allein auf die Gewandtheit einer
wortverdrehenden Pfiffigkeit nud oratorischen Floskelmacherei." (S. 95.) "Was
die moralische Seite seines Charakters betrifft, so erblicken wir auch hier eine,
alle edleren Regungen des Herzens und Gemüthes tief erfassende (?) Verwilde¬
rung des Nechtsgefühls, welche Entartung schon sehr frühzeitig bei Kossuth Wur¬
zel gesaßt hatte."

Der Galimathias geht so fort. Aber Herr v. Adlerstein begnügt sich nicht
mit diesen kritischen Unwahrheiten, er erfindet auch Thatsachen; so erzählt er
(S. 95): "Bei eiuer Tafel stahl Kossuth eine goldene Dose, und versetzte diese
bei der Besitzerin eines bekannten liederlichen Hauses."

Dann erzählt er ein Verhältniß zu einer Kaffeesiederstochter, welche dem
"brünetten Schwarzkopf" (S. 96) ihre Sparbüchse, ihre Ringe und ihre Tugend
opferte, dann ihre Eltern für ihn bestahl, und als er sie dennoch verließ, nach
der Entbindung starb.

Wir brauchen nicht zu wiederholen, daß auch nicht ein Jota an diesen Er¬
zählungen wahr ist; aber Herr v. Adlerstein urtheilt darnach: (S. 98) "Das
Taschenspielergenie Kossuth's begann sich immer weiter zu entfalten und großarti¬
gere Experimente im Gebiete schurkenhaster Gaunerei anzustellen, indem der Be¬
trüger x-rr neuer mit den ihm anvertrauten Waisengeldern und Verlassenschafts¬
summen für sein eigenes Interesse zu manipuliren anfing. ' Ein Deficit von
12,000 si. war das Resultat. Durch Entdeckung dieses Diebstahls kam Kossuth
in eine Criminaluntersnchung. Das Mitleid einer schonen Dame entzog den an¬
gehenden Cartouche der verdienten Strafe."

Buchstab für Buchstab Adlersteinsche Lüge, und dieser selbst staunt über die
Sonderbarkeit, daß Kossuth "trotz dieser schlechten Streiche, die eigentlich schon
Verbrechen genannt werden müssen" (S. 99) am Vicegespan des Comitats, dem
ehrenhaften Baron Vay einen Protector fand, und von einem andern Magnaten
als Ablegat zum Reichstagsstellvertreter erwählt wurde.

Herr vou Adlerstein strengt hieraus seine Phantasie an, um die Verurthei-
lung Kossutl/s wegen der bekannten geschriebenen Zeitung darzustellen, und treibt
die Lüge so weit, daß er den Protonotar Szögeny nennt, welcher auf Todesstrafe
erkannt haben soll. Jeder Satz, jede Thatsache, jede Angabe -- eine Lüge; wir
können diesem Getriebe nicht folgen, denn es müßte eine noch dickleibigere Ge¬
schichte geschrieben werden. Die Magnaten sollen 60,000 si. für den eingekerkerten
Kossuth eingebracht haben. (S. 101) Es ist bekannt, daß er nicht das trockene


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Ausschweifungen in die Arme und brachte die kostbare Zeit mit Kartenspiel,' Trink¬
gelagen und galanten Abenteuern durch. In Pesth dasselbe. Dennoch meint
Herr von Adlerstein, daß „Kossuth ein tüchtiges Talent, vereinigt mit einer sehr
begeisterten Phantasie nicht abgesprochen werden kann, aber sein so viel gerühmtes
Rednertalent is. 94.) beschränkt sich einzig und allein auf die Gewandtheit einer
wortverdrehenden Pfiffigkeit nud oratorischen Floskelmacherei." (S. 95.) „Was
die moralische Seite seines Charakters betrifft, so erblicken wir auch hier eine,
alle edleren Regungen des Herzens und Gemüthes tief erfassende (?) Verwilde¬
rung des Nechtsgefühls, welche Entartung schon sehr frühzeitig bei Kossuth Wur¬
zel gesaßt hatte."

Der Galimathias geht so fort. Aber Herr v. Adlerstein begnügt sich nicht
mit diesen kritischen Unwahrheiten, er erfindet auch Thatsachen; so erzählt er
(S. 95): „Bei eiuer Tafel stahl Kossuth eine goldene Dose, und versetzte diese
bei der Besitzerin eines bekannten liederlichen Hauses."

Dann erzählt er ein Verhältniß zu einer Kaffeesiederstochter, welche dem
„brünetten Schwarzkopf" (S. 96) ihre Sparbüchse, ihre Ringe und ihre Tugend
opferte, dann ihre Eltern für ihn bestahl, und als er sie dennoch verließ, nach
der Entbindung starb.

Wir brauchen nicht zu wiederholen, daß auch nicht ein Jota an diesen Er¬
zählungen wahr ist; aber Herr v. Adlerstein urtheilt darnach: (S. 98) „Das
Taschenspielergenie Kossuth's begann sich immer weiter zu entfalten und großarti¬
gere Experimente im Gebiete schurkenhaster Gaunerei anzustellen, indem der Be¬
trüger x-rr neuer mit den ihm anvertrauten Waisengeldern und Verlassenschafts¬
summen für sein eigenes Interesse zu manipuliren anfing. ' Ein Deficit von
12,000 si. war das Resultat. Durch Entdeckung dieses Diebstahls kam Kossuth
in eine Criminaluntersnchung. Das Mitleid einer schonen Dame entzog den an¬
gehenden Cartouche der verdienten Strafe."

Buchstab für Buchstab Adlersteinsche Lüge, und dieser selbst staunt über die
Sonderbarkeit, daß Kossuth „trotz dieser schlechten Streiche, die eigentlich schon
Verbrechen genannt werden müssen" (S. 99) am Vicegespan des Comitats, dem
ehrenhaften Baron Vay einen Protector fand, und von einem andern Magnaten
als Ablegat zum Reichstagsstellvertreter erwählt wurde.

Herr vou Adlerstein strengt hieraus seine Phantasie an, um die Verurthei-
lung Kossutl/s wegen der bekannten geschriebenen Zeitung darzustellen, und treibt
die Lüge so weit, daß er den Protonotar Szögeny nennt, welcher auf Todesstrafe
erkannt haben soll. Jeder Satz, jede Thatsache, jede Angabe — eine Lüge; wir
können diesem Getriebe nicht folgen, denn es müßte eine noch dickleibigere Ge¬
schichte geschrieben werden. Die Magnaten sollen 60,000 si. für den eingekerkerten
Kossuth eingebracht haben. (S. 101) Es ist bekannt, daß er nicht das trockene


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[0275] Ausschweifungen in die Arme und brachte die kostbare Zeit mit Kartenspiel,' Trink¬ gelagen und galanten Abenteuern durch. In Pesth dasselbe. Dennoch meint Herr von Adlerstein, daß „Kossuth ein tüchtiges Talent, vereinigt mit einer sehr begeisterten Phantasie nicht abgesprochen werden kann, aber sein so viel gerühmtes Rednertalent is. 94.) beschränkt sich einzig und allein auf die Gewandtheit einer wortverdrehenden Pfiffigkeit nud oratorischen Floskelmacherei." (S. 95.) „Was die moralische Seite seines Charakters betrifft, so erblicken wir auch hier eine, alle edleren Regungen des Herzens und Gemüthes tief erfassende (?) Verwilde¬ rung des Nechtsgefühls, welche Entartung schon sehr frühzeitig bei Kossuth Wur¬ zel gesaßt hatte." Der Galimathias geht so fort. Aber Herr v. Adlerstein begnügt sich nicht mit diesen kritischen Unwahrheiten, er erfindet auch Thatsachen; so erzählt er (S. 95): „Bei eiuer Tafel stahl Kossuth eine goldene Dose, und versetzte diese bei der Besitzerin eines bekannten liederlichen Hauses." Dann erzählt er ein Verhältniß zu einer Kaffeesiederstochter, welche dem „brünetten Schwarzkopf" (S. 96) ihre Sparbüchse, ihre Ringe und ihre Tugend opferte, dann ihre Eltern für ihn bestahl, und als er sie dennoch verließ, nach der Entbindung starb. Wir brauchen nicht zu wiederholen, daß auch nicht ein Jota an diesen Er¬ zählungen wahr ist; aber Herr v. Adlerstein urtheilt darnach: (S. 98) „Das Taschenspielergenie Kossuth's begann sich immer weiter zu entfalten und großarti¬ gere Experimente im Gebiete schurkenhaster Gaunerei anzustellen, indem der Be¬ trüger x-rr neuer mit den ihm anvertrauten Waisengeldern und Verlassenschafts¬ summen für sein eigenes Interesse zu manipuliren anfing. ' Ein Deficit von 12,000 si. war das Resultat. Durch Entdeckung dieses Diebstahls kam Kossuth in eine Criminaluntersnchung. Das Mitleid einer schonen Dame entzog den an¬ gehenden Cartouche der verdienten Strafe." Buchstab für Buchstab Adlersteinsche Lüge, und dieser selbst staunt über die Sonderbarkeit, daß Kossuth „trotz dieser schlechten Streiche, die eigentlich schon Verbrechen genannt werden müssen" (S. 99) am Vicegespan des Comitats, dem ehrenhaften Baron Vay einen Protector fand, und von einem andern Magnaten als Ablegat zum Reichstagsstellvertreter erwählt wurde. Herr vou Adlerstein strengt hieraus seine Phantasie an, um die Verurthei- lung Kossutl/s wegen der bekannten geschriebenen Zeitung darzustellen, und treibt die Lüge so weit, daß er den Protonotar Szögeny nennt, welcher auf Todesstrafe erkannt haben soll. Jeder Satz, jede Thatsache, jede Angabe — eine Lüge; wir können diesem Getriebe nicht folgen, denn es müßte eine noch dickleibigere Ge¬ schichte geschrieben werden. Die Magnaten sollen 60,000 si. für den eingekerkerten Kossuth eingebracht haben. (S. 101) Es ist bekannt, daß er nicht das trockene 34"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/275>, abgerufen am 24.07.2024.