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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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gesprochene Beschluß des Kossutl/schen Rumpfparlamentes -- die Erklärung Ungarns
zur Republik -- schon 1847 ausgearbeitet war" -- schließt der Rückblick, und
Herr von Adlerstein erzählt die Depntirtenwcchl für den letzten Preßburger Land¬
tag. Er schildert das Stimmenwerben der Pcsther Demokratie, die aber, wie
bekannt, im aristokratischen Ungarn nie eine Stimme hatte, für Kossuth. S. 80.
"Bei diesem Haschen, Forciren, Betäuber und Erkaufen der Wähler, woran sich
Oligarchien (!) und Sansculotten (!), Centralisten (?) und Mnnicipalisten (??),
Aristokraten und Demokraten, Bürger, Bauern und sogenannte Honoratioren thä¬
tigst betheiligten, unterließ man nicht, selbst der niedrigsten, schon an Menschen¬
verworfenheit grenzenden Mittel und der barocksten Beweggründe sich zu be¬
dienen."

Der Herr von Adlerstein sind so ignorant, daß sie nicht wissen, was ein
Centralist, Municipalist, Oligarch oder Sansculotte ist; und nachdem er selbst
sagt, daß Alle und noch Einige für Kossuth stimmten, fügt er hinzu: "Dieser
Ausfluß des öffentlichen (?) allgemeinen Willens war nur ein scheinbarer, und
im Grunde nichts Anderes, als eine Folge der schou lange im Pesther Comitate
so sehr überHand genommenen Uebertriebeuheiten und Ultra-Ideen."

Betreffs der Geldmittel, welche für die Wahl Kossuth's aufgeboten wurden,
offenbart der Historiker: S. 82. "daß auch das Pariser junge Italien, die brüs-
seler polnischen Republikaner und der Club (??!!) der neapolitanischen Lazzaronis
beigetragen habe."

Kossuth aber versprach den Bandschuhmänncrn die Znrückerstattung jener 180
Millionen, welche uach dem Pariser Frieden England von Frankreich zu dem
Zwecke erhielt, daß es diese Summe an die ungarischen Insurgenten als Scha¬
denersatz vertheile.

Wahnwitzigeres wurde lange nicht ausgeheckt, und Herr v. Adlerstein schreibt
hierzu: S. 83. "Leider ist wenig Hoffnung vorhanden, daß noch im 19. Jahr¬
hundert der Tag anbrechen sollte, an welchem der letzte bornirte, dumm¬
stolze und arrogante Magyare zu Grabe getragen werden wird."

Kossuth wurde damals mit 3000 gegen 1300 Stimmen erwählt, und Herr
von Adlerstein benützt diesen Moment, um eine Biographie des Agitators zu lie¬
fern. Zuerst leugnet er ihm seinen Namen ab; er heiße nicht Kossuth, sondern
slovcckisch: Kohut, Hahn. Das erste Meisterwerk verschmitzter Scheinheiligkeit und
perfider Lüge habe Kohut dadurch abgelegt, daß ihn ein katholischer Bischof, als
einen hoffnungsvollen Jüngling, lieb gewann!! Kohut habe jedes Wort seiner
Stubenkollegen dem Bischof denuncirt, und "diese gleißnerischen Schlangenwindun¬
gen (S. 91.) waren die ersten praktischen Versuche eines Charakters, der nur der
schrecklichen Berühmtheit eines Herostrat, Catilina'S und ähnlicher Menschenscheu¬
sale zugestrebt hatte. Endlich wurde der entlarvte Pharisäer Kvhnt von seinen
Kollegen geprügelt. In Cperies warf sich Kohut während der Studienzeit allen


gesprochene Beschluß des Kossutl/schen Rumpfparlamentes — die Erklärung Ungarns
zur Republik — schon 1847 ausgearbeitet war" — schließt der Rückblick, und
Herr von Adlerstein erzählt die Depntirtenwcchl für den letzten Preßburger Land¬
tag. Er schildert das Stimmenwerben der Pcsther Demokratie, die aber, wie
bekannt, im aristokratischen Ungarn nie eine Stimme hatte, für Kossuth. S. 80.
„Bei diesem Haschen, Forciren, Betäuber und Erkaufen der Wähler, woran sich
Oligarchien (!) und Sansculotten (!), Centralisten (?) und Mnnicipalisten (??),
Aristokraten und Demokraten, Bürger, Bauern und sogenannte Honoratioren thä¬
tigst betheiligten, unterließ man nicht, selbst der niedrigsten, schon an Menschen¬
verworfenheit grenzenden Mittel und der barocksten Beweggründe sich zu be¬
dienen."

Der Herr von Adlerstein sind so ignorant, daß sie nicht wissen, was ein
Centralist, Municipalist, Oligarch oder Sansculotte ist; und nachdem er selbst
sagt, daß Alle und noch Einige für Kossuth stimmten, fügt er hinzu: „Dieser
Ausfluß des öffentlichen (?) allgemeinen Willens war nur ein scheinbarer, und
im Grunde nichts Anderes, als eine Folge der schou lange im Pesther Comitate
so sehr überHand genommenen Uebertriebeuheiten und Ultra-Ideen."

Betreffs der Geldmittel, welche für die Wahl Kossuth's aufgeboten wurden,
offenbart der Historiker: S. 82. „daß auch das Pariser junge Italien, die brüs-
seler polnischen Republikaner und der Club (??!!) der neapolitanischen Lazzaronis
beigetragen habe."

Kossuth aber versprach den Bandschuhmänncrn die Znrückerstattung jener 180
Millionen, welche uach dem Pariser Frieden England von Frankreich zu dem
Zwecke erhielt, daß es diese Summe an die ungarischen Insurgenten als Scha¬
denersatz vertheile.

Wahnwitzigeres wurde lange nicht ausgeheckt, und Herr v. Adlerstein schreibt
hierzu: S. 83. „Leider ist wenig Hoffnung vorhanden, daß noch im 19. Jahr¬
hundert der Tag anbrechen sollte, an welchem der letzte bornirte, dumm¬
stolze und arrogante Magyare zu Grabe getragen werden wird."

Kossuth wurde damals mit 3000 gegen 1300 Stimmen erwählt, und Herr
von Adlerstein benützt diesen Moment, um eine Biographie des Agitators zu lie¬
fern. Zuerst leugnet er ihm seinen Namen ab; er heiße nicht Kossuth, sondern
slovcckisch: Kohut, Hahn. Das erste Meisterwerk verschmitzter Scheinheiligkeit und
perfider Lüge habe Kohut dadurch abgelegt, daß ihn ein katholischer Bischof, als
einen hoffnungsvollen Jüngling, lieb gewann!! Kohut habe jedes Wort seiner
Stubenkollegen dem Bischof denuncirt, und „diese gleißnerischen Schlangenwindun¬
gen (S. 91.) waren die ersten praktischen Versuche eines Charakters, der nur der
schrecklichen Berühmtheit eines Herostrat, Catilina'S und ähnlicher Menschenscheu¬
sale zugestrebt hatte. Endlich wurde der entlarvte Pharisäer Kvhnt von seinen
Kollegen geprügelt. In Cperies warf sich Kohut während der Studienzeit allen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/274>, abgerufen am 27.06.2024.