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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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schaft gekommen, wo Omar-Effendi nicht wenig an Ansehen gewonnen hatte,
bei der Nachricht, daß sein Mund der Born sei, dazu die Weisen des Abendlan¬
des gepilgert kämen, um daraus zu schöpfen.

Ehe ich meine Ausflüge in's Innere des Paschaliks antrat, entsandte ich Bot¬
schaft an den Weisen, daß ich den Stab der Pilgerfahrt ergreifen und demnächst
bei ihm eintreffen werde. Darauf erhielt ich eine Antwort von Omar-Effendi,
worin er mir sein Herz und seinen Verstand zu Füßen legte und sagte, daß
die Schwelle seines Hauses nach dem Glücke seufze, von meinen Füßen berührt
zu werden.

Ein russischer Offizier, der eine Dienstreise in das Innere des Landes zu
machen hatte, bot mir seine Begleitung bis Adigion an; Giorgi, mein Diener,
bat mich um die Erlaubniß, Jussuf, unsern Wirth, und noch einige Verwandte
mitnehmen zu dürfen, so daß die Gesellschaft, mit der Kosakeneskorte, einen ganz
stattlichen Reiterzug bildete.

Vorüberreitende Türken mußten inzwischen die Nachricht nach Adigion gebracht
haben, daß eine Karawane im Anzüge sei, denn noch ehe wir einritten in das
Dorf, kamen uns Botschafter von Omar-Effendi entgegen, welche Teppiche
vor uns ausbreiteten, und uns mit Milch und süßen Früchten bewirtheten.

Trotz der Untiefen der schmutzigen Gassen von Adigion, und trotz der von
furchtbarem Bellen begleiteten Angrisse der schaarenweis auf uns losstürzenden
Hunde des Ortes, kamen wir mit einbrechender Dämmerung glücklich vor dem
Hanse Omar-Effendi's an.

Das ganze Dach, sowie her Balkon, war mit Menschen angefüllt, und
Säuger waren aufgestellt, uns mit Saitenspiel und Gesang zu begrüßen.

Nach dem für Alle geltenden, landesüblichen Gruße, die Hand an Herz
und Stiru zu legen, wandte sich Omar-Effendi zu mir und sprach: "Möge
Deinen Fußtapfen Glück folgen! Mein Haus ist Dem Hans! Deine Wünsche sind
mir Befehle!"

Darauf wurden noch eine Menge der schmeichelhaftesten Phrasen gewechselt.
"Was sagt Togrul-Ben-Arslau!" -- rief der Weise, -- "Das Angesicht
meines Gastes entzückte mich, also, daß mein Herz überquoll vor Freude!" --
"Was sagt Fisuli!" -- entgegnete ich -- "So bin ich armer Wanderer zu Dir
gekommen, wie ein Tropfen Wasser, der zum Ozean geschwommen!"

Inzwischen dauerte der Gesang und das Saitenspiel ohne Unterbrechung fort.

Trotz der dunkel hereinbrechenden Nacht blieben wir ans dem Balkon, der
durch ein HM Dutzend riesig langer, ans geölten Papier bestehender Laternen
erleuchtet wurde.

Fortwährend wurden Früchte, Milchspeisen verschiedener Art und süßes Backwerk
herumgereicht.

Meinem russischen Freunde, dem die ganze Scene so komisch erschien, daß er


schaft gekommen, wo Omar-Effendi nicht wenig an Ansehen gewonnen hatte,
bei der Nachricht, daß sein Mund der Born sei, dazu die Weisen des Abendlan¬
des gepilgert kämen, um daraus zu schöpfen.

Ehe ich meine Ausflüge in's Innere des Paschaliks antrat, entsandte ich Bot¬
schaft an den Weisen, daß ich den Stab der Pilgerfahrt ergreifen und demnächst
bei ihm eintreffen werde. Darauf erhielt ich eine Antwort von Omar-Effendi,
worin er mir sein Herz und seinen Verstand zu Füßen legte und sagte, daß
die Schwelle seines Hauses nach dem Glücke seufze, von meinen Füßen berührt
zu werden.

Ein russischer Offizier, der eine Dienstreise in das Innere des Landes zu
machen hatte, bot mir seine Begleitung bis Adigion an; Giorgi, mein Diener,
bat mich um die Erlaubniß, Jussuf, unsern Wirth, und noch einige Verwandte
mitnehmen zu dürfen, so daß die Gesellschaft, mit der Kosakeneskorte, einen ganz
stattlichen Reiterzug bildete.

Vorüberreitende Türken mußten inzwischen die Nachricht nach Adigion gebracht
haben, daß eine Karawane im Anzüge sei, denn noch ehe wir einritten in das
Dorf, kamen uns Botschafter von Omar-Effendi entgegen, welche Teppiche
vor uns ausbreiteten, und uns mit Milch und süßen Früchten bewirtheten.

Trotz der Untiefen der schmutzigen Gassen von Adigion, und trotz der von
furchtbarem Bellen begleiteten Angrisse der schaarenweis auf uns losstürzenden
Hunde des Ortes, kamen wir mit einbrechender Dämmerung glücklich vor dem
Hanse Omar-Effendi's an.

Das ganze Dach, sowie her Balkon, war mit Menschen angefüllt, und
Säuger waren aufgestellt, uns mit Saitenspiel und Gesang zu begrüßen.

Nach dem für Alle geltenden, landesüblichen Gruße, die Hand an Herz
und Stiru zu legen, wandte sich Omar-Effendi zu mir und sprach: „Möge
Deinen Fußtapfen Glück folgen! Mein Haus ist Dem Hans! Deine Wünsche sind
mir Befehle!"

Darauf wurden noch eine Menge der schmeichelhaftesten Phrasen gewechselt.
„Was sagt Togrul-Ben-Arslau!" — rief der Weise, — „Das Angesicht
meines Gastes entzückte mich, also, daß mein Herz überquoll vor Freude!" —
„Was sagt Fisuli!" — entgegnete ich — „So bin ich armer Wanderer zu Dir
gekommen, wie ein Tropfen Wasser, der zum Ozean geschwommen!"

Inzwischen dauerte der Gesang und das Saitenspiel ohne Unterbrechung fort.

Trotz der dunkel hereinbrechenden Nacht blieben wir ans dem Balkon, der
durch ein HM Dutzend riesig langer, ans geölten Papier bestehender Laternen
erleuchtet wurde.

Fortwährend wurden Früchte, Milchspeisen verschiedener Art und süßes Backwerk
herumgereicht.

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[0262] schaft gekommen, wo Omar-Effendi nicht wenig an Ansehen gewonnen hatte, bei der Nachricht, daß sein Mund der Born sei, dazu die Weisen des Abendlan¬ des gepilgert kämen, um daraus zu schöpfen. Ehe ich meine Ausflüge in's Innere des Paschaliks antrat, entsandte ich Bot¬ schaft an den Weisen, daß ich den Stab der Pilgerfahrt ergreifen und demnächst bei ihm eintreffen werde. Darauf erhielt ich eine Antwort von Omar-Effendi, worin er mir sein Herz und seinen Verstand zu Füßen legte und sagte, daß die Schwelle seines Hauses nach dem Glücke seufze, von meinen Füßen berührt zu werden. Ein russischer Offizier, der eine Dienstreise in das Innere des Landes zu machen hatte, bot mir seine Begleitung bis Adigion an; Giorgi, mein Diener, bat mich um die Erlaubniß, Jussuf, unsern Wirth, und noch einige Verwandte mitnehmen zu dürfen, so daß die Gesellschaft, mit der Kosakeneskorte, einen ganz stattlichen Reiterzug bildete. Vorüberreitende Türken mußten inzwischen die Nachricht nach Adigion gebracht haben, daß eine Karawane im Anzüge sei, denn noch ehe wir einritten in das Dorf, kamen uns Botschafter von Omar-Effendi entgegen, welche Teppiche vor uns ausbreiteten, und uns mit Milch und süßen Früchten bewirtheten. Trotz der Untiefen der schmutzigen Gassen von Adigion, und trotz der von furchtbarem Bellen begleiteten Angrisse der schaarenweis auf uns losstürzenden Hunde des Ortes, kamen wir mit einbrechender Dämmerung glücklich vor dem Hanse Omar-Effendi's an. Das ganze Dach, sowie her Balkon, war mit Menschen angefüllt, und Säuger waren aufgestellt, uns mit Saitenspiel und Gesang zu begrüßen. Nach dem für Alle geltenden, landesüblichen Gruße, die Hand an Herz und Stiru zu legen, wandte sich Omar-Effendi zu mir und sprach: „Möge Deinen Fußtapfen Glück folgen! Mein Haus ist Dem Hans! Deine Wünsche sind mir Befehle!" Darauf wurden noch eine Menge der schmeichelhaftesten Phrasen gewechselt. „Was sagt Togrul-Ben-Arslau!" — rief der Weise, — „Das Angesicht meines Gastes entzückte mich, also, daß mein Herz überquoll vor Freude!" — „Was sagt Fisuli!" — entgegnete ich — „So bin ich armer Wanderer zu Dir gekommen, wie ein Tropfen Wasser, der zum Ozean geschwommen!" Inzwischen dauerte der Gesang und das Saitenspiel ohne Unterbrechung fort. Trotz der dunkel hereinbrechenden Nacht blieben wir ans dem Balkon, der durch ein HM Dutzend riesig langer, ans geölten Papier bestehender Laternen erleuchtet wurde. Fortwährend wurden Früchte, Milchspeisen verschiedener Art und süßes Backwerk herumgereicht. Meinem russischen Freunde, dem die ganze Scene so komisch erschien, daß er

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/262>, abgerufen am 27.06.2024.