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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Erst geißelt- er mit'scharfen Worten die Phrasen - und dünkelhafte Rede Arnim's,
die darin vertheidigten Vcrmittlungsvorschläge "ohne allen Charakter und politische Ein¬
sicht," weist kurz und bündig die Unmöglichkeit der Vereinbarung einer wirklichen Volks¬
vertretung mit den Regierungsvorschlägcn nach, und wendet sich dann an das Ministe¬
rium selbst, um Herrn v. Manteuffel zu veranschaulichen, daß Einsicht und Vaterlands¬
liebe nicht blos auf der Ministerbank sitzen. "Sie führen fortwährend die Gefahr im
Munde, welche das Vaterland laufen würde durch Ihren Rücktritt -- nun, so ziehen
Sie diese Gefahr nicht bei den Haaren herbei! Sie weisen auf die bedenklichen Folgen
hin, für den Fall der Nichtannahme der königlichen Botschaft; wer anders als Sie,
hat diese Folgen zu verantworten? Sie verlangen von uns Selbstverleugnung und
Aufopferung kleinlicher Rücksichten -- nun, so gehen Sie uns mit gutem Beispiele
voran! Wir haben Sie gestützt, als es Noth that; vergelten Sie uns jetzt Gleiches
mit Gleichem, statt durch unzeitgemäße Ueberraschungen die ohnehin schon sehr geringe
Theilnahme des Volks an der Nettgestaltung des Vaterlandes nicht vollends zu vernich¬
ten. Von 380 Wählern in meinem Bezirke haben nur 30 an dem Wahlakte Theil
genommen. Ein solches aus dem Leben gegriffenes Beispiel spricht lauter als alle
Worte, und schüchtert mich mehr ein als ein Wechsel des Ministeriums. Nie werde ich
meine Ehre und Unabhängigkeit von der Dauer irgend eines Kabinettes abhängig
machen; und weil ich die Regierungsvorlagen für verderblich und verwerflich halte, trotz
der Fürsorge der Herren Minister, den Rand des Bechers mit Honig zu bestreichen,
um die guten Landeskinder über den bittern Inhalt zu täuschen --- so erkläre ich mich
mit aller Entschiedenheit dagegen!"

Der Minister des Innern fühlte sich zu einer kurzen Entgegnung der Rede de"
Herrn Harkort bewogen; statt aber wirklich etwas zu entgegnen und auf die Sache
selbst einzugehen, bewegte er sich in Gemeinplätzen, die aus die Frage paßten, wie ein
Champagnerkork auf einen Eine.r. "Möge man denken von uns, was man wolle, die
Ansichten sind verschieden, aber'das, meine Herren, darf ich behaupten, daß wir recht¬
liche Männer sind. Wir meinen es ehrlich -- und darum wünsche ich, daß der Geist
der Versöhnung und Eintracht Ihre Verhandlungen zum Besten leiten möge:" -- Daß
sich immer noch Leute in der Kammer finden, welche solchen Phrasen ihren Beifall zu¬
jauchzen, ist eine fast noch betrübendere Erscheinung, als die Annahme der königlichen
Botschaft selbst.

Der Abgeordnete Richtsteig, welcher jetzt die Tribüne bestieg, begann seine Rede
mit der Versicherung, "er sei nicht da, um besondere Ansichten durchzuführen." Wir
glaubten ihm das auf's Wort, da uns der verehrte Abgeordnete im Verlauf seiner Rede
gar nicht den Eindruck machte, als ob er besondere Ansichten hätte, es sei denn, daß
die alle Augenblicke von ihm vorgebrachten "wahre Liebe zum Vaterlande," "dauerndes
Heil," "gesetzlicher Fortschritt" und ähnliche Krastausdrücke etwas Besonderes in Preu¬
ßen wären. Daß auch diesem Redner ein vielstimmiges Bravo von der Rechten folgte,
war ganz in der Ordnung.

Nach ihm nahm der Abgeordnete Dunker das Wort, um in einer etwas zu lan¬
gen, im Ganzen aber gediegenen Rede nachzuweisen, wie sehr man Unrecht thue, den
englischen Adel mit dem preußischen aus Eine Linie zu stellen und die preußischen Zu¬
stände überhaupt uach den englischen umzuwandeln. Die Entwickelung Englands ist die
durch den Adel dieses Landes selbst herbeigeführte Umbildung der ständischen Institu¬
tionen des Mittelalters in zeitgemäße, konstitutionelle Formen; bei uns hinge¬
gen ist der Constitutionalismus nichts, als eine über Nacht gekommene Umwand¬
lung des Absolutismus durch eine von Oben herab oktroyirte Form. Und man darf
nicht vergessen, daß unser Adel es war, der sich immer an die Spitze der Reaktion
stellte, -- der sich am Heftigsten den zeitgemäßen Neuerungen, selbst den von Oben
gewährten, widersetzte, und sich noch jetzt nicht dazu verstehen will, den Bauer, das


Erst geißelt- er mit'scharfen Worten die Phrasen - und dünkelhafte Rede Arnim's,
die darin vertheidigten Vcrmittlungsvorschläge „ohne allen Charakter und politische Ein¬
sicht," weist kurz und bündig die Unmöglichkeit der Vereinbarung einer wirklichen Volks¬
vertretung mit den Regierungsvorschlägcn nach, und wendet sich dann an das Ministe¬
rium selbst, um Herrn v. Manteuffel zu veranschaulichen, daß Einsicht und Vaterlands¬
liebe nicht blos auf der Ministerbank sitzen. „Sie führen fortwährend die Gefahr im
Munde, welche das Vaterland laufen würde durch Ihren Rücktritt — nun, so ziehen
Sie diese Gefahr nicht bei den Haaren herbei! Sie weisen auf die bedenklichen Folgen
hin, für den Fall der Nichtannahme der königlichen Botschaft; wer anders als Sie,
hat diese Folgen zu verantworten? Sie verlangen von uns Selbstverleugnung und
Aufopferung kleinlicher Rücksichten — nun, so gehen Sie uns mit gutem Beispiele
voran! Wir haben Sie gestützt, als es Noth that; vergelten Sie uns jetzt Gleiches
mit Gleichem, statt durch unzeitgemäße Ueberraschungen die ohnehin schon sehr geringe
Theilnahme des Volks an der Nettgestaltung des Vaterlandes nicht vollends zu vernich¬
ten. Von 380 Wählern in meinem Bezirke haben nur 30 an dem Wahlakte Theil
genommen. Ein solches aus dem Leben gegriffenes Beispiel spricht lauter als alle
Worte, und schüchtert mich mehr ein als ein Wechsel des Ministeriums. Nie werde ich
meine Ehre und Unabhängigkeit von der Dauer irgend eines Kabinettes abhängig
machen; und weil ich die Regierungsvorlagen für verderblich und verwerflich halte, trotz
der Fürsorge der Herren Minister, den Rand des Bechers mit Honig zu bestreichen,
um die guten Landeskinder über den bittern Inhalt zu täuschen -— so erkläre ich mich
mit aller Entschiedenheit dagegen!"

Der Minister des Innern fühlte sich zu einer kurzen Entgegnung der Rede de«
Herrn Harkort bewogen; statt aber wirklich etwas zu entgegnen und auf die Sache
selbst einzugehen, bewegte er sich in Gemeinplätzen, die aus die Frage paßten, wie ein
Champagnerkork auf einen Eine.r. „Möge man denken von uns, was man wolle, die
Ansichten sind verschieden, aber'das, meine Herren, darf ich behaupten, daß wir recht¬
liche Männer sind. Wir meinen es ehrlich — und darum wünsche ich, daß der Geist
der Versöhnung und Eintracht Ihre Verhandlungen zum Besten leiten möge:" — Daß
sich immer noch Leute in der Kammer finden, welche solchen Phrasen ihren Beifall zu¬
jauchzen, ist eine fast noch betrübendere Erscheinung, als die Annahme der königlichen
Botschaft selbst.

Der Abgeordnete Richtsteig, welcher jetzt die Tribüne bestieg, begann seine Rede
mit der Versicherung, „er sei nicht da, um besondere Ansichten durchzuführen." Wir
glaubten ihm das auf's Wort, da uns der verehrte Abgeordnete im Verlauf seiner Rede
gar nicht den Eindruck machte, als ob er besondere Ansichten hätte, es sei denn, daß
die alle Augenblicke von ihm vorgebrachten „wahre Liebe zum Vaterlande," „dauerndes
Heil," „gesetzlicher Fortschritt" und ähnliche Krastausdrücke etwas Besonderes in Preu¬
ßen wären. Daß auch diesem Redner ein vielstimmiges Bravo von der Rechten folgte,
war ganz in der Ordnung.

Nach ihm nahm der Abgeordnete Dunker das Wort, um in einer etwas zu lan¬
gen, im Ganzen aber gediegenen Rede nachzuweisen, wie sehr man Unrecht thue, den
englischen Adel mit dem preußischen aus Eine Linie zu stellen und die preußischen Zu¬
stände überhaupt uach den englischen umzuwandeln. Die Entwickelung Englands ist die
durch den Adel dieses Landes selbst herbeigeführte Umbildung der ständischen Institu¬
tionen des Mittelalters in zeitgemäße, konstitutionelle Formen; bei uns hinge¬
gen ist der Constitutionalismus nichts, als eine über Nacht gekommene Umwand¬
lung des Absolutismus durch eine von Oben herab oktroyirte Form. Und man darf
nicht vergessen, daß unser Adel es war, der sich immer an die Spitze der Reaktion
stellte, — der sich am Heftigsten den zeitgemäßen Neuerungen, selbst den von Oben
gewährten, widersetzte, und sich noch jetzt nicht dazu verstehen will, den Bauer, das


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[0244] Erst geißelt- er mit'scharfen Worten die Phrasen - und dünkelhafte Rede Arnim's, die darin vertheidigten Vcrmittlungsvorschläge „ohne allen Charakter und politische Ein¬ sicht," weist kurz und bündig die Unmöglichkeit der Vereinbarung einer wirklichen Volks¬ vertretung mit den Regierungsvorschlägcn nach, und wendet sich dann an das Ministe¬ rium selbst, um Herrn v. Manteuffel zu veranschaulichen, daß Einsicht und Vaterlands¬ liebe nicht blos auf der Ministerbank sitzen. „Sie führen fortwährend die Gefahr im Munde, welche das Vaterland laufen würde durch Ihren Rücktritt — nun, so ziehen Sie diese Gefahr nicht bei den Haaren herbei! Sie weisen auf die bedenklichen Folgen hin, für den Fall der Nichtannahme der königlichen Botschaft; wer anders als Sie, hat diese Folgen zu verantworten? Sie verlangen von uns Selbstverleugnung und Aufopferung kleinlicher Rücksichten — nun, so gehen Sie uns mit gutem Beispiele voran! Wir haben Sie gestützt, als es Noth that; vergelten Sie uns jetzt Gleiches mit Gleichem, statt durch unzeitgemäße Ueberraschungen die ohnehin schon sehr geringe Theilnahme des Volks an der Nettgestaltung des Vaterlandes nicht vollends zu vernich¬ ten. Von 380 Wählern in meinem Bezirke haben nur 30 an dem Wahlakte Theil genommen. Ein solches aus dem Leben gegriffenes Beispiel spricht lauter als alle Worte, und schüchtert mich mehr ein als ein Wechsel des Ministeriums. Nie werde ich meine Ehre und Unabhängigkeit von der Dauer irgend eines Kabinettes abhängig machen; und weil ich die Regierungsvorlagen für verderblich und verwerflich halte, trotz der Fürsorge der Herren Minister, den Rand des Bechers mit Honig zu bestreichen, um die guten Landeskinder über den bittern Inhalt zu täuschen -— so erkläre ich mich mit aller Entschiedenheit dagegen!" Der Minister des Innern fühlte sich zu einer kurzen Entgegnung der Rede de« Herrn Harkort bewogen; statt aber wirklich etwas zu entgegnen und auf die Sache selbst einzugehen, bewegte er sich in Gemeinplätzen, die aus die Frage paßten, wie ein Champagnerkork auf einen Eine.r. „Möge man denken von uns, was man wolle, die Ansichten sind verschieden, aber'das, meine Herren, darf ich behaupten, daß wir recht¬ liche Männer sind. Wir meinen es ehrlich — und darum wünsche ich, daß der Geist der Versöhnung und Eintracht Ihre Verhandlungen zum Besten leiten möge:" — Daß sich immer noch Leute in der Kammer finden, welche solchen Phrasen ihren Beifall zu¬ jauchzen, ist eine fast noch betrübendere Erscheinung, als die Annahme der königlichen Botschaft selbst. Der Abgeordnete Richtsteig, welcher jetzt die Tribüne bestieg, begann seine Rede mit der Versicherung, „er sei nicht da, um besondere Ansichten durchzuführen." Wir glaubten ihm das auf's Wort, da uns der verehrte Abgeordnete im Verlauf seiner Rede gar nicht den Eindruck machte, als ob er besondere Ansichten hätte, es sei denn, daß die alle Augenblicke von ihm vorgebrachten „wahre Liebe zum Vaterlande," „dauerndes Heil," „gesetzlicher Fortschritt" und ähnliche Krastausdrücke etwas Besonderes in Preu¬ ßen wären. Daß auch diesem Redner ein vielstimmiges Bravo von der Rechten folgte, war ganz in der Ordnung. Nach ihm nahm der Abgeordnete Dunker das Wort, um in einer etwas zu lan¬ gen, im Ganzen aber gediegenen Rede nachzuweisen, wie sehr man Unrecht thue, den englischen Adel mit dem preußischen aus Eine Linie zu stellen und die preußischen Zu¬ stände überhaupt uach den englischen umzuwandeln. Die Entwickelung Englands ist die durch den Adel dieses Landes selbst herbeigeführte Umbildung der ständischen Institu¬ tionen des Mittelalters in zeitgemäße, konstitutionelle Formen; bei uns hinge¬ gen ist der Constitutionalismus nichts, als eine über Nacht gekommene Umwand¬ lung des Absolutismus durch eine von Oben herab oktroyirte Form. Und man darf nicht vergessen, daß unser Adel es war, der sich immer an die Spitze der Reaktion stellte, — der sich am Heftigsten den zeitgemäßen Neuerungen, selbst den von Oben gewährten, widersetzte, und sich noch jetzt nicht dazu verstehen will, den Bauer, das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/244>, abgerufen am 01.07.2024.