Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.verurtheilt oder flüchtig oder zahlungsunfähig. Die Judengemeinde zu Alkofen Bei allem Groll und Grimm gegen die Juden konnte Haynau bei dieser Ge¬ Voriges Jahr wurden in Gnus lagernde Kroaten von ungarischen Land¬ Haynau, dem die Urtheile zur Bestätigung unterbreitet wurden, strich dasselbe Der Grund zu dieser Verschärfung liegt in dem Umstände, daß der Bursche Eine andere Rechtsfrage, oder eigentlich Unrechtsftage, wird jetzt dem Mi¬ 27*
verurtheilt oder flüchtig oder zahlungsunfähig. Die Judengemeinde zu Alkofen Bei allem Groll und Grimm gegen die Juden konnte Haynau bei dieser Ge¬ Voriges Jahr wurden in Gnus lagernde Kroaten von ungarischen Land¬ Haynau, dem die Urtheile zur Bestätigung unterbreitet wurden, strich dasselbe Der Grund zu dieser Verschärfung liegt in dem Umstände, daß der Bursche Eine andere Rechtsfrage, oder eigentlich Unrechtsftage, wird jetzt dem Mi¬ 27*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0219" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93042"/> <p xml:id="ID_669" prev="#ID_668"> verurtheilt oder flüchtig oder zahlungsunfähig. Die Judengemeinde zu Alkofen<lb/> stellte ihre Immobilien und Mobilien und das gesammte Vermögen dem Fiscus<lb/> zur Verfügung, und er mußte das Referat abgeben, daß nicht blos der Kaiser,<lb/> sondern auch Haynau hier nichts nehmen könne. Allein die Solidarität schafft<lb/> anderwärts das Sümmchen herbei, und ob Schuldige oder Schuldlose zahlen, ist<lb/> dem Armeeoberkommandanten und Militärgvuverneur ganz gleich. Die deutschen<lb/> Bürger Pesths benutzten aber diese Stimmung und erschienen in corpore als Pe-<lb/> tenten, man möge doch den schlechtgesiunten Juden die Gewölbe sperren und die<lb/> Ausübung der Handwerke verbieten. Haynau wies ihnen die Thüre, wie es Jel-<lb/> lachich in Wien ähnlich gesinnten Bürgern that.</p><lb/> <p xml:id="ID_670"> Bei allem Groll und Grimm gegen die Juden konnte Haynau bei dieser Ge¬<lb/> legenheit seinem Mißmuth gegen die Philister keinen Einhalt thun; allein bei an¬<lb/> derer Gelegenheit erwies er, daß selbst Gesetz und Gericht Niemand, am wenigsten<lb/> einen Juden vor seinem Eigenwillen schützen.</p><lb/> <p xml:id="ID_671"> Voriges Jahr wurden in Gnus lagernde Kroaten von ungarischen Land¬<lb/> stürmlern überfallen und umgebracht. Der eingeleitete Kriminalprozeß endete da¬<lb/> mit, daß dieser Tage acht Individuen am Orte der That, als des Mordes schul¬<lb/> dig, gehenkt wurden. Unter diesen Verurtheilten befand sich ein siebzehnjähriger<lb/> Ungar. Die Untersuchung hat zur Evidenz erwiesen, daß dieser Bursche keinen<lb/> der Kroaten getödtet hat, er hat keinem mit einer Waffe eine Wunde beigebracht;<lb/> gezwungen von den andern fanatisirten Gesellen mußte sich dieser Arme an den<lb/> Ort begeben, wo die Kroaten gefangen waren, und sie heraustreiben, wo sie dann<lb/> als unglückliche Opfer der Volkswuth fielen. Der Bursche eignete sich einen Tor¬<lb/> nister eines getödteten Kroaten zu, worin sich einige Zwanziger und ein paar<lb/> Rasirmesser befanden. In Anbetracht dieser genau eruirten Umstände hatte das<lb/> Militärgericht auf Antrag des Auditors das' Urtheil auf zehnjährige Schanzarbeit<lb/> in Eisen ausgesprochen.</p><lb/> <p xml:id="ID_672"> Haynau, dem die Urtheile zur Bestätigung unterbreitet wurden, strich dasselbe<lb/> und setzte dafür: Tod durch den Strang.</p><lb/> <p xml:id="ID_673"> Der Grund zu dieser Verschärfung liegt in dem Umstände, daß der Bursche<lb/> ein Jude war. Ob eine solche Aenderung des Urtheils rechtlich ist, kommt nicht<lb/> in Frage bei so vielen Ungerechtigkeiten; und ein Gehenkter mehr oder weniger,<lb/> macht die Schuld nicht größer und nicht kleiner. Es ist dies der einzige Jude,<lb/> welcher während dieser Bewegung am Galgen endete; erschossen wurden Mehrere<lb/> sowohl von den Magyaren, als von den Kaiserlichen.</p><lb/> <p xml:id="ID_674" next="#ID_675"> Eine andere Rechtsfrage, oder eigentlich Unrechtsftage, wird jetzt dem Mi¬<lb/> nisterium und dem Kaiser zur Entscheidung vorgelegt werden; die civilisirte Welt<lb/> mag einfach ihr Urtheil abgeben. Der Fall ist folgender: Unter den Kapitula¬<lb/> tionsbedingungen für die Besatzung von Komorn bestimmt der zweite Punkt, daß<lb/> den Honvedosfizieren der freie Aufenthalt in ihrer Heimath gestattet wird und fix</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 27*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0219]
verurtheilt oder flüchtig oder zahlungsunfähig. Die Judengemeinde zu Alkofen
stellte ihre Immobilien und Mobilien und das gesammte Vermögen dem Fiscus
zur Verfügung, und er mußte das Referat abgeben, daß nicht blos der Kaiser,
sondern auch Haynau hier nichts nehmen könne. Allein die Solidarität schafft
anderwärts das Sümmchen herbei, und ob Schuldige oder Schuldlose zahlen, ist
dem Armeeoberkommandanten und Militärgvuverneur ganz gleich. Die deutschen
Bürger Pesths benutzten aber diese Stimmung und erschienen in corpore als Pe-
tenten, man möge doch den schlechtgesiunten Juden die Gewölbe sperren und die
Ausübung der Handwerke verbieten. Haynau wies ihnen die Thüre, wie es Jel-
lachich in Wien ähnlich gesinnten Bürgern that.
Bei allem Groll und Grimm gegen die Juden konnte Haynau bei dieser Ge¬
legenheit seinem Mißmuth gegen die Philister keinen Einhalt thun; allein bei an¬
derer Gelegenheit erwies er, daß selbst Gesetz und Gericht Niemand, am wenigsten
einen Juden vor seinem Eigenwillen schützen.
Voriges Jahr wurden in Gnus lagernde Kroaten von ungarischen Land¬
stürmlern überfallen und umgebracht. Der eingeleitete Kriminalprozeß endete da¬
mit, daß dieser Tage acht Individuen am Orte der That, als des Mordes schul¬
dig, gehenkt wurden. Unter diesen Verurtheilten befand sich ein siebzehnjähriger
Ungar. Die Untersuchung hat zur Evidenz erwiesen, daß dieser Bursche keinen
der Kroaten getödtet hat, er hat keinem mit einer Waffe eine Wunde beigebracht;
gezwungen von den andern fanatisirten Gesellen mußte sich dieser Arme an den
Ort begeben, wo die Kroaten gefangen waren, und sie heraustreiben, wo sie dann
als unglückliche Opfer der Volkswuth fielen. Der Bursche eignete sich einen Tor¬
nister eines getödteten Kroaten zu, worin sich einige Zwanziger und ein paar
Rasirmesser befanden. In Anbetracht dieser genau eruirten Umstände hatte das
Militärgericht auf Antrag des Auditors das' Urtheil auf zehnjährige Schanzarbeit
in Eisen ausgesprochen.
Haynau, dem die Urtheile zur Bestätigung unterbreitet wurden, strich dasselbe
und setzte dafür: Tod durch den Strang.
Der Grund zu dieser Verschärfung liegt in dem Umstände, daß der Bursche
ein Jude war. Ob eine solche Aenderung des Urtheils rechtlich ist, kommt nicht
in Frage bei so vielen Ungerechtigkeiten; und ein Gehenkter mehr oder weniger,
macht die Schuld nicht größer und nicht kleiner. Es ist dies der einzige Jude,
welcher während dieser Bewegung am Galgen endete; erschossen wurden Mehrere
sowohl von den Magyaren, als von den Kaiserlichen.
Eine andere Rechtsfrage, oder eigentlich Unrechtsftage, wird jetzt dem Mi¬
nisterium und dem Kaiser zur Entscheidung vorgelegt werden; die civilisirte Welt
mag einfach ihr Urtheil abgeben. Der Fall ist folgender: Unter den Kapitula¬
tionsbedingungen für die Besatzung von Komorn bestimmt der zweite Punkt, daß
den Honvedosfizieren der freie Aufenthalt in ihrer Heimath gestattet wird und fix
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