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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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herandrängen, um den Bedrängern Ungarns ihre Mitwirkung anzubieten oder ihnen
rückengekrümmt zu huldigen. Die Deutschen Ungarns haben in früheren Zeiten
ihre Ebenbürtigkeit gegenüber den stolzen Magyaren nicht zu wahren gewußt; sie
wissen jetzt nicht die Rolle der Vermittler zu übernehmen. Die Deutschen Ungarns
und Siebenbürgens haben die Verachtung woyl verdient, welche die Magyaren
der vorigen Jahrhunderte den für Gewerbsprivilegien alle politische Selbststän-
digkeit hinopfernden Städtern zeigten; und ein großer Theil verdient die Verach¬
tung, welche gegenwärtig den wedelnden Bürgern gezeigt wird. Nicht etwa die
politischen Tendenzen der "Rebellen" oder des octroyireuden Ministeriums in Wien
geben den Grund zur Parteiung, sondern ihr Benehmen im bürgerlichen Leben.
Wenn 300 Pesther Bürger, und zwar nur deutsche Bürger, dem Obercomman¬
danten Haynau ein Album überreichen, wenn in Pesth und Preßburg Gassen mit
den Namen von Generälen getauft werden, z. B. Jellachich-Straße, wobei der
Zufall so witzig ist, daß der Barmherzigenplatz in Preßburg den Namen Haynau-
plcch erhält; wenn die Pamphlete auf die ungarische Nation, nicht etwa auf die
Führer der Revolution, blos in deutscher Sprache von deutschen Autoren erschei¬
nen, daun gibt es hinlänglichen Grund, an Kopf und Herz der deutschen Bürger
Ungarns zu zweifeln, und ihren Schritten selbstische Zwecke unterzuschieben. Man
weist mit Fingern nach ihnen, und wenn jemals wieder das Volk zu den Waffen
greift, sind diese Deutschen ein Gegenstand der Rache. Der Soldat wird ange¬
feindet,, aber diese Deutschen werden verachtet, und der Magyar vereinigt sich in
diesem Gefühle mit dem Serben, mit dem Walachen, mit dem Slovaken, mit
dem Kroaten, mit dem Juden und sogar mit dem Zigeuner, der eher bei allen
Nationalitäten die Bewilligung zur Niederlassung und zum Hüttenbauer erlangt,
als in-den deutschen Städten oder im siebenbürgischen Sachsengebiete.

Die gehässigste Opposition ist zwischen den deutschen Städtern und den Juden.
Von der revolutionären Regierung und von der kaiserlichen emancipirt, wollen die
Juden ihre bürgerliche Gleichstellung auch benützen; die Magistrate aber zögern
mit Ertheilung der Rechte, und, die Deutschen hoffen, daß die Negierung nach
überstandener Noth die ertheilten Concessionen zurücknehmen werde. Die Sym¬
pathien der Juden für die Magyaren, ihre durch die Zahl so nahmhafte Theil¬
nahme an dem Kampfe lassen die Vermuthung aufkommen, man werde es der
religiösen Genossenschaft im ganzen Lande entgelten lassen. Jedoch Strafe und
Zorn des Gewalthabers erstreckt sich nicht über die aufgeschriebene Knegscontri-
bution; alle Juden Ungarns sollen binnen 4 Jahren 2-z Millionen Gulden Silber
zahlen, wobei die Reparation den Gemeinden überlassen wird. Die Juden wer¬
den schwer betroffen durch diese Steuer, nicht jene der Städte, sondern die auf
dem flachen Lande sich befinden; sie haben während der Kampfzeit überall aushel¬
fen müssen, denn jeder militärische Streifzug nahm gerade diese Bewohnerklasse
am ersten in Anspruch. Die Kapitalien werden abgenommen, die Schuldner sind


herandrängen, um den Bedrängern Ungarns ihre Mitwirkung anzubieten oder ihnen
rückengekrümmt zu huldigen. Die Deutschen Ungarns haben in früheren Zeiten
ihre Ebenbürtigkeit gegenüber den stolzen Magyaren nicht zu wahren gewußt; sie
wissen jetzt nicht die Rolle der Vermittler zu übernehmen. Die Deutschen Ungarns
und Siebenbürgens haben die Verachtung woyl verdient, welche die Magyaren
der vorigen Jahrhunderte den für Gewerbsprivilegien alle politische Selbststän-
digkeit hinopfernden Städtern zeigten; und ein großer Theil verdient die Verach¬
tung, welche gegenwärtig den wedelnden Bürgern gezeigt wird. Nicht etwa die
politischen Tendenzen der „Rebellen" oder des octroyireuden Ministeriums in Wien
geben den Grund zur Parteiung, sondern ihr Benehmen im bürgerlichen Leben.
Wenn 300 Pesther Bürger, und zwar nur deutsche Bürger, dem Obercomman¬
danten Haynau ein Album überreichen, wenn in Pesth und Preßburg Gassen mit
den Namen von Generälen getauft werden, z. B. Jellachich-Straße, wobei der
Zufall so witzig ist, daß der Barmherzigenplatz in Preßburg den Namen Haynau-
plcch erhält; wenn die Pamphlete auf die ungarische Nation, nicht etwa auf die
Führer der Revolution, blos in deutscher Sprache von deutschen Autoren erschei¬
nen, daun gibt es hinlänglichen Grund, an Kopf und Herz der deutschen Bürger
Ungarns zu zweifeln, und ihren Schritten selbstische Zwecke unterzuschieben. Man
weist mit Fingern nach ihnen, und wenn jemals wieder das Volk zu den Waffen
greift, sind diese Deutschen ein Gegenstand der Rache. Der Soldat wird ange¬
feindet,, aber diese Deutschen werden verachtet, und der Magyar vereinigt sich in
diesem Gefühle mit dem Serben, mit dem Walachen, mit dem Slovaken, mit
dem Kroaten, mit dem Juden und sogar mit dem Zigeuner, der eher bei allen
Nationalitäten die Bewilligung zur Niederlassung und zum Hüttenbauer erlangt,
als in-den deutschen Städten oder im siebenbürgischen Sachsengebiete.

Die gehässigste Opposition ist zwischen den deutschen Städtern und den Juden.
Von der revolutionären Regierung und von der kaiserlichen emancipirt, wollen die
Juden ihre bürgerliche Gleichstellung auch benützen; die Magistrate aber zögern
mit Ertheilung der Rechte, und, die Deutschen hoffen, daß die Negierung nach
überstandener Noth die ertheilten Concessionen zurücknehmen werde. Die Sym¬
pathien der Juden für die Magyaren, ihre durch die Zahl so nahmhafte Theil¬
nahme an dem Kampfe lassen die Vermuthung aufkommen, man werde es der
religiösen Genossenschaft im ganzen Lande entgelten lassen. Jedoch Strafe und
Zorn des Gewalthabers erstreckt sich nicht über die aufgeschriebene Knegscontri-
bution; alle Juden Ungarns sollen binnen 4 Jahren 2-z Millionen Gulden Silber
zahlen, wobei die Reparation den Gemeinden überlassen wird. Die Juden wer¬
den schwer betroffen durch diese Steuer, nicht jene der Städte, sondern die auf
dem flachen Lande sich befinden; sie haben während der Kampfzeit überall aushel¬
fen müssen, denn jeder militärische Streifzug nahm gerade diese Bewohnerklasse
am ersten in Anspruch. Die Kapitalien werden abgenommen, die Schuldner sind


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/218>, abgerufen am 04.07.2024.