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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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gegen die Türkei von der Donau begrenzt. Fast in der Mitte des ganzen Be¬
zirks liegt die Stadt Temesvar mit der Festung gleichen Namens.

Das Banat, in dem der ungarische Krieg 1848 zu Kikinda mit den
Greuelthaten der Ranzen begonnen hatte, sollte auch der Schauplatz der un¬
garischen Niederlage werden. Damals war die Stellung der verschiedene" Heere
folgende: Ein Cernirnngscvrps uuter Vecsey belagerte Temesvar, wo Rukowina
mit etwa noch 3500 Mann, dem Nest von 9000 Oestreichern, lag, hart bedrängt
durch die Ungarn und den täglich zunehmenden Mangel an Lebensmitteln, so daß
die Einnahme der Festung in wenigen Tagen zu erwarten war. An der Theiß
stand, wie gesagt, Dembinsky gegen Haynan. Im südlichen Bacska stand das
Jellachich-Kmcanin'sche Heer, das freie Hand hatte, (seitdem Vetter und Guyon,
die in der letzten Zeit dort mit ziemlichem Erfolg kämpften, dem Dembinsky'schen
Heere zu Hilfe eilen mußten,) und über die Theiß setzend, jeden Ausweg aus dem
Banat nach Süden versperren konnte; im Norden der Maros aber zog eine Hee-
resabtheilung von 15--20,000 Mann unter Schlick das linke Theißufer entlang
heran, die die Operationen Haynan's an der Maroslinie kräftig unterstützte. In
Siebenbürgen hatte Bem schon damals gegen eine große Uebermacht der Russen,
vereinigt mit den 8000 Oestreichern unter Clam-Gallas, zu kämpfen, und es war
vorauszusehen, daß dieser Feldherr sich nicht lange werde halten können. -- Da
wurde Dembinsky bei Szöregh geschlagen und zog sich auf Temesvar zurück, um
mit Vecsey vereinigt -- Alles zu verlieren. Nur wenn Dembinsky bei seiner An¬
kunft vor Temesvar diese Festung in ungarischen Händen fand und sein Heer theils
in, theils um die Festung lagern und reorganisiren konnte, war Heil zu hoffen.
Allein Dembinsky fand nicht nur die Festung in östreichischen Händen, sondern
auch die bereits verzweifelte Besatzung durch eine Compagnie walachischer Grenzer,
die in der Nacht vom 8. auf den 9. August aus dem Vecsey'schen Lager in die
Festung desertirte und dieser die Kunde von dem Herannahen der Oestreicher brachte
nen ermuthigt und bereit, im Falle einer Schlacht zwischen Haynan und Dem¬
binsky das Vecsey'sche Corps durch einen Ausfall unthätig zu machen, was später
auch wirklich geschah. -- Von Görgey aber fand er keine Spur, keine Nachricht.

Die ungarische Negierung hatte geglaubt, dasselbe Mittel wie im Winter,
nämlich die Concentrirung des Heeres, um jeden Preis bewerkstelligen zu
müssen, und bedachte uicht, daß diese Concentrirung bei einem kleinen Heere, wie
das vom Januar 1848, und in einer an Lebensmitteln überaus reichen Gegend,
wie die vou Debreczin wohl thulich, ja heilsam sein könne, während sie bei einem
Heere von 40--50,000 Mann in dem vom Bürgerkrieg verheerten und ausgesogenen
Banat verderblich wurde. Dembinsky mußte im Angesicht einer feindlichen Festung
die entscheidende Schlacht annehmen und wurde -- total geschlagen.

Am 9. August, am Tage der Schlacht, um 7 Uhr Morgens langte Bem aus
Siebenbürgen im Vecsey'schen Lager an, allein, dem Nest seines Heeres voraus.


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gegen die Türkei von der Donau begrenzt. Fast in der Mitte des ganzen Be¬
zirks liegt die Stadt Temesvar mit der Festung gleichen Namens.

Das Banat, in dem der ungarische Krieg 1848 zu Kikinda mit den
Greuelthaten der Ranzen begonnen hatte, sollte auch der Schauplatz der un¬
garischen Niederlage werden. Damals war die Stellung der verschiedene» Heere
folgende: Ein Cernirnngscvrps uuter Vecsey belagerte Temesvar, wo Rukowina
mit etwa noch 3500 Mann, dem Nest von 9000 Oestreichern, lag, hart bedrängt
durch die Ungarn und den täglich zunehmenden Mangel an Lebensmitteln, so daß
die Einnahme der Festung in wenigen Tagen zu erwarten war. An der Theiß
stand, wie gesagt, Dembinsky gegen Haynan. Im südlichen Bacska stand das
Jellachich-Kmcanin'sche Heer, das freie Hand hatte, (seitdem Vetter und Guyon,
die in der letzten Zeit dort mit ziemlichem Erfolg kämpften, dem Dembinsky'schen
Heere zu Hilfe eilen mußten,) und über die Theiß setzend, jeden Ausweg aus dem
Banat nach Süden versperren konnte; im Norden der Maros aber zog eine Hee-
resabtheilung von 15—20,000 Mann unter Schlick das linke Theißufer entlang
heran, die die Operationen Haynan's an der Maroslinie kräftig unterstützte. In
Siebenbürgen hatte Bem schon damals gegen eine große Uebermacht der Russen,
vereinigt mit den 8000 Oestreichern unter Clam-Gallas, zu kämpfen, und es war
vorauszusehen, daß dieser Feldherr sich nicht lange werde halten können. — Da
wurde Dembinsky bei Szöregh geschlagen und zog sich auf Temesvar zurück, um
mit Vecsey vereinigt — Alles zu verlieren. Nur wenn Dembinsky bei seiner An¬
kunft vor Temesvar diese Festung in ungarischen Händen fand und sein Heer theils
in, theils um die Festung lagern und reorganisiren konnte, war Heil zu hoffen.
Allein Dembinsky fand nicht nur die Festung in östreichischen Händen, sondern
auch die bereits verzweifelte Besatzung durch eine Compagnie walachischer Grenzer,
die in der Nacht vom 8. auf den 9. August aus dem Vecsey'schen Lager in die
Festung desertirte und dieser die Kunde von dem Herannahen der Oestreicher brachte
nen ermuthigt und bereit, im Falle einer Schlacht zwischen Haynan und Dem¬
binsky das Vecsey'sche Corps durch einen Ausfall unthätig zu machen, was später
auch wirklich geschah. — Von Görgey aber fand er keine Spur, keine Nachricht.

Die ungarische Negierung hatte geglaubt, dasselbe Mittel wie im Winter,
nämlich die Concentrirung des Heeres, um jeden Preis bewerkstelligen zu
müssen, und bedachte uicht, daß diese Concentrirung bei einem kleinen Heere, wie
das vom Januar 1848, und in einer an Lebensmitteln überaus reichen Gegend,
wie die vou Debreczin wohl thulich, ja heilsam sein könne, während sie bei einem
Heere von 40—50,000 Mann in dem vom Bürgerkrieg verheerten und ausgesogenen
Banat verderblich wurde. Dembinsky mußte im Angesicht einer feindlichen Festung
die entscheidende Schlacht annehmen und wurde — total geschlagen.

Am 9. August, am Tage der Schlacht, um 7 Uhr Morgens langte Bem aus
Siebenbürgen im Vecsey'schen Lager an, allein, dem Nest seines Heeres voraus.


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[0195] gegen die Türkei von der Donau begrenzt. Fast in der Mitte des ganzen Be¬ zirks liegt die Stadt Temesvar mit der Festung gleichen Namens. Das Banat, in dem der ungarische Krieg 1848 zu Kikinda mit den Greuelthaten der Ranzen begonnen hatte, sollte auch der Schauplatz der un¬ garischen Niederlage werden. Damals war die Stellung der verschiedene» Heere folgende: Ein Cernirnngscvrps uuter Vecsey belagerte Temesvar, wo Rukowina mit etwa noch 3500 Mann, dem Nest von 9000 Oestreichern, lag, hart bedrängt durch die Ungarn und den täglich zunehmenden Mangel an Lebensmitteln, so daß die Einnahme der Festung in wenigen Tagen zu erwarten war. An der Theiß stand, wie gesagt, Dembinsky gegen Haynan. Im südlichen Bacska stand das Jellachich-Kmcanin'sche Heer, das freie Hand hatte, (seitdem Vetter und Guyon, die in der letzten Zeit dort mit ziemlichem Erfolg kämpften, dem Dembinsky'schen Heere zu Hilfe eilen mußten,) und über die Theiß setzend, jeden Ausweg aus dem Banat nach Süden versperren konnte; im Norden der Maros aber zog eine Hee- resabtheilung von 15—20,000 Mann unter Schlick das linke Theißufer entlang heran, die die Operationen Haynan's an der Maroslinie kräftig unterstützte. In Siebenbürgen hatte Bem schon damals gegen eine große Uebermacht der Russen, vereinigt mit den 8000 Oestreichern unter Clam-Gallas, zu kämpfen, und es war vorauszusehen, daß dieser Feldherr sich nicht lange werde halten können. — Da wurde Dembinsky bei Szöregh geschlagen und zog sich auf Temesvar zurück, um mit Vecsey vereinigt — Alles zu verlieren. Nur wenn Dembinsky bei seiner An¬ kunft vor Temesvar diese Festung in ungarischen Händen fand und sein Heer theils in, theils um die Festung lagern und reorganisiren konnte, war Heil zu hoffen. Allein Dembinsky fand nicht nur die Festung in östreichischen Händen, sondern auch die bereits verzweifelte Besatzung durch eine Compagnie walachischer Grenzer, die in der Nacht vom 8. auf den 9. August aus dem Vecsey'schen Lager in die Festung desertirte und dieser die Kunde von dem Herannahen der Oestreicher brachte nen ermuthigt und bereit, im Falle einer Schlacht zwischen Haynan und Dem¬ binsky das Vecsey'sche Corps durch einen Ausfall unthätig zu machen, was später auch wirklich geschah. — Von Görgey aber fand er keine Spur, keine Nachricht. Die ungarische Negierung hatte geglaubt, dasselbe Mittel wie im Winter, nämlich die Concentrirung des Heeres, um jeden Preis bewerkstelligen zu müssen, und bedachte uicht, daß diese Concentrirung bei einem kleinen Heere, wie das vom Januar 1848, und in einer an Lebensmitteln überaus reichen Gegend, wie die vou Debreczin wohl thulich, ja heilsam sein könne, während sie bei einem Heere von 40—50,000 Mann in dem vom Bürgerkrieg verheerten und ausgesogenen Banat verderblich wurde. Dembinsky mußte im Angesicht einer feindlichen Festung die entscheidende Schlacht annehmen und wurde — total geschlagen. Am 9. August, am Tage der Schlacht, um 7 Uhr Morgens langte Bem aus Siebenbürgen im Vecsey'schen Lager an, allein, dem Nest seines Heeres voraus. 24*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/195>, abgerufen am 29.06.2024.