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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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dagegen, durch welche die Ackerwirthschaft betrieben werden müsse, befinden sich nach
alter Gewohnheit nur in den Händen der Bauern. Allein auch die Robot ist jetzt
nicht mehr so ärgerlich, denn der Herr gibt an jedem Nobottage zum Frühstück
und zum Vesperbrot Branntwein, und so zieht der Bauer herzlich gern auf die
Robot. Sobald die Sonne die gewisse Höhe erreicht hat, schreit der Aufseher
nach allen Seiten hin, und alle Bauern kommen dann bei ihm zusammen. Da
hat er nun ein kleines blechernes Fäßchen mit einem Hahne, und daraus wird zu
Aller Lust der Branntwein abgelassen und genossen. Gewöhnlich kommt der Herr
zu dieser Zeit ins Feld und wünscht guten Appetit, wofür ihm dann die Bauern
danken und ihm das Knie küssen. So sei es auch mit den Waldfuhren, die frü¬
her in unbestimmter Zahl unentgeltlich zu leisten waren, nicht mehr wie früher,
denn der Herr gebe jetzt bei den Fuhren nicht nur täglich Branntwein, er habe
auch, als der letzte Stamm auf den Fluß gebracht war, vier Korzec Roggen mit
dem Befehle, die Bauer" sollen ihn unter sich theilen, hergegeben. Mit dieser
freiwilligen Bezahlung seien Alle sehr zufrieden gewesen.

Endlich habe sich nun auch das Benehmen der Grundherrschaft ganz geändert
Früher habe nie der Herr die Schwelle einer Bauernhütte überschritten, und habe
er mit dem Bauer zu sprechen gehabt, so hielt er zu Pferde außerhalb des Ge¬
höftes, und der Bauer wurde vor ihn gerufen. Eben so habe nie ein Bauer die
Schwelle der herrschaftlichen Zimmer überschreiten dürfen, er habe immer warten
müssen, bis der Herr vor dem Palaste erschienen sei. Jetzt sei dies ganz anders:
jeder Bauer dürfe zu jeder beliebigen Zeit in den Palast kommen, nur müsse er
sich dem Stubenmädchen anmelden und von diesem führen lassen. Der Herr da¬
gegen begebe sich sehr oft in die Bauernhütten, sitze oft stundenlang darin und
unterhalte sich, als ob er in der Hütte geboren wäre. So sei der Herr vor eini¬
ger Zeit zu dem Erzähler gekommen und habe sich mit ihm den ganzen Abend
lang wegen der Wollschur unterhalten. Da ihm das Licht von der Kienflamme
nicht gefallen, so habe ihn der Bediente ein Licht ans dem Palaste holen müssen,
und als er sich eine Pfeife gestopft, habe er auch dem Bauer eine Hand voll
Tabak geschenkt.

Mit einem Worte, Niemand könne klagen, auch selbst über die Robot klage
Niemand, und eine Aufhebung, welche nach Ankündigung der Aemter jetzt auf
einmal stattfinden sollte,' wollten die ältern von den Bauern jetzt gar nicht, auch
würde sie durchaus keine Vortheile bringen, denn jetzt sorge der Herr in vieler
Beziehung für den Bauer; mich der Nobotauflösnng aber -- und dies habe der
Herr selbst erklärt -- höre diese Sorge ganz aus. sterbe jetzt dem Bauer die
Jnventarienknh, so gebe ihm der Herr eine andere; erbaue der Bauer nicht den
für seinen Haushalt nöthigen Roggen, so gebe ihm der Herr aus seinem Speicher
bis zu zwei Korzec als Geschenk und das Weitere als Borg. Sei der Bauer


Grenzboten, l. 185V. 24

dagegen, durch welche die Ackerwirthschaft betrieben werden müsse, befinden sich nach
alter Gewohnheit nur in den Händen der Bauern. Allein auch die Robot ist jetzt
nicht mehr so ärgerlich, denn der Herr gibt an jedem Nobottage zum Frühstück
und zum Vesperbrot Branntwein, und so zieht der Bauer herzlich gern auf die
Robot. Sobald die Sonne die gewisse Höhe erreicht hat, schreit der Aufseher
nach allen Seiten hin, und alle Bauern kommen dann bei ihm zusammen. Da
hat er nun ein kleines blechernes Fäßchen mit einem Hahne, und daraus wird zu
Aller Lust der Branntwein abgelassen und genossen. Gewöhnlich kommt der Herr
zu dieser Zeit ins Feld und wünscht guten Appetit, wofür ihm dann die Bauern
danken und ihm das Knie küssen. So sei es auch mit den Waldfuhren, die frü¬
her in unbestimmter Zahl unentgeltlich zu leisten waren, nicht mehr wie früher,
denn der Herr gebe jetzt bei den Fuhren nicht nur täglich Branntwein, er habe
auch, als der letzte Stamm auf den Fluß gebracht war, vier Korzec Roggen mit
dem Befehle, die Bauer» sollen ihn unter sich theilen, hergegeben. Mit dieser
freiwilligen Bezahlung seien Alle sehr zufrieden gewesen.

Endlich habe sich nun auch das Benehmen der Grundherrschaft ganz geändert
Früher habe nie der Herr die Schwelle einer Bauernhütte überschritten, und habe
er mit dem Bauer zu sprechen gehabt, so hielt er zu Pferde außerhalb des Ge¬
höftes, und der Bauer wurde vor ihn gerufen. Eben so habe nie ein Bauer die
Schwelle der herrschaftlichen Zimmer überschreiten dürfen, er habe immer warten
müssen, bis der Herr vor dem Palaste erschienen sei. Jetzt sei dies ganz anders:
jeder Bauer dürfe zu jeder beliebigen Zeit in den Palast kommen, nur müsse er
sich dem Stubenmädchen anmelden und von diesem führen lassen. Der Herr da¬
gegen begebe sich sehr oft in die Bauernhütten, sitze oft stundenlang darin und
unterhalte sich, als ob er in der Hütte geboren wäre. So sei der Herr vor eini¬
ger Zeit zu dem Erzähler gekommen und habe sich mit ihm den ganzen Abend
lang wegen der Wollschur unterhalten. Da ihm das Licht von der Kienflamme
nicht gefallen, so habe ihn der Bediente ein Licht ans dem Palaste holen müssen,
und als er sich eine Pfeife gestopft, habe er auch dem Bauer eine Hand voll
Tabak geschenkt.

Mit einem Worte, Niemand könne klagen, auch selbst über die Robot klage
Niemand, und eine Aufhebung, welche nach Ankündigung der Aemter jetzt auf
einmal stattfinden sollte,' wollten die ältern von den Bauern jetzt gar nicht, auch
würde sie durchaus keine Vortheile bringen, denn jetzt sorge der Herr in vieler
Beziehung für den Bauer; mich der Nobotauflösnng aber — und dies habe der
Herr selbst erklärt — höre diese Sorge ganz aus. sterbe jetzt dem Bauer die
Jnventarienknh, so gebe ihm der Herr eine andere; erbaue der Bauer nicht den
für seinen Haushalt nöthigen Roggen, so gebe ihm der Herr aus seinem Speicher
bis zu zwei Korzec als Geschenk und das Weitere als Borg. Sei der Bauer


Grenzboten, l. 185V. 24
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[0193] dagegen, durch welche die Ackerwirthschaft betrieben werden müsse, befinden sich nach alter Gewohnheit nur in den Händen der Bauern. Allein auch die Robot ist jetzt nicht mehr so ärgerlich, denn der Herr gibt an jedem Nobottage zum Frühstück und zum Vesperbrot Branntwein, und so zieht der Bauer herzlich gern auf die Robot. Sobald die Sonne die gewisse Höhe erreicht hat, schreit der Aufseher nach allen Seiten hin, und alle Bauern kommen dann bei ihm zusammen. Da hat er nun ein kleines blechernes Fäßchen mit einem Hahne, und daraus wird zu Aller Lust der Branntwein abgelassen und genossen. Gewöhnlich kommt der Herr zu dieser Zeit ins Feld und wünscht guten Appetit, wofür ihm dann die Bauern danken und ihm das Knie küssen. So sei es auch mit den Waldfuhren, die frü¬ her in unbestimmter Zahl unentgeltlich zu leisten waren, nicht mehr wie früher, denn der Herr gebe jetzt bei den Fuhren nicht nur täglich Branntwein, er habe auch, als der letzte Stamm auf den Fluß gebracht war, vier Korzec Roggen mit dem Befehle, die Bauer» sollen ihn unter sich theilen, hergegeben. Mit dieser freiwilligen Bezahlung seien Alle sehr zufrieden gewesen. Endlich habe sich nun auch das Benehmen der Grundherrschaft ganz geändert Früher habe nie der Herr die Schwelle einer Bauernhütte überschritten, und habe er mit dem Bauer zu sprechen gehabt, so hielt er zu Pferde außerhalb des Ge¬ höftes, und der Bauer wurde vor ihn gerufen. Eben so habe nie ein Bauer die Schwelle der herrschaftlichen Zimmer überschreiten dürfen, er habe immer warten müssen, bis der Herr vor dem Palaste erschienen sei. Jetzt sei dies ganz anders: jeder Bauer dürfe zu jeder beliebigen Zeit in den Palast kommen, nur müsse er sich dem Stubenmädchen anmelden und von diesem führen lassen. Der Herr da¬ gegen begebe sich sehr oft in die Bauernhütten, sitze oft stundenlang darin und unterhalte sich, als ob er in der Hütte geboren wäre. So sei der Herr vor eini¬ ger Zeit zu dem Erzähler gekommen und habe sich mit ihm den ganzen Abend lang wegen der Wollschur unterhalten. Da ihm das Licht von der Kienflamme nicht gefallen, so habe ihn der Bediente ein Licht ans dem Palaste holen müssen, und als er sich eine Pfeife gestopft, habe er auch dem Bauer eine Hand voll Tabak geschenkt. Mit einem Worte, Niemand könne klagen, auch selbst über die Robot klage Niemand, und eine Aufhebung, welche nach Ankündigung der Aemter jetzt auf einmal stattfinden sollte,' wollten die ältern von den Bauern jetzt gar nicht, auch würde sie durchaus keine Vortheile bringen, denn jetzt sorge der Herr in vieler Beziehung für den Bauer; mich der Nobotauflösnng aber — und dies habe der Herr selbst erklärt — höre diese Sorge ganz aus. sterbe jetzt dem Bauer die Jnventarienknh, so gebe ihm der Herr eine andere; erbaue der Bauer nicht den für seinen Haushalt nöthigen Roggen, so gebe ihm der Herr aus seinem Speicher bis zu zwei Korzec als Geschenk und das Weitere als Borg. Sei der Bauer Grenzboten, l. 185V. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/193>, abgerufen am 29.06.2024.