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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Auch der Trinkzwang sei zur Hälfte abgekommen. Die Bauern erhalten jetzt
die Hälfte ihres Lohnes in baarem Gelde und nur die andere Hälfte in Brcmnt-
weinmarken. Und komme es vor, daß ein Bauer sich etwas anschaffen wolle und
das Geld nothwendig brauche, so zahle der Herr auch ohne Weigern den ganzen
Lohn in baarem Gelde aus. Auch brauche man jetzt nicht mehr ein Viertel- und
ein halbes Jahr zu warten, bis es dem Herrn einmal gefalle, den Lohn auszu¬
zahlen, deun der Herr habe ausdrücklich im Dorf herumsagen lassen, daß er je¬
derzeit, wenn es Jemand wünsche, sonst aber regelmäßig an jedem Sonntag Mor¬
gen vor dem Gottesdienste Zahlung halte. Dies sei eine sehr große Gnade vom
Herrn, denn früher habe man nie so viel Geld zusammenbringen können, um sich
eine Mütze oder einen Kittel zu kaufen, wenn man nicht zufällig ein Stückchen
Vieh für den Verkauf aufgezogen gehabt habe; jetzt dagegen habe man immer
Geld im Strümpfe. -- Die galizischen und polnischen Bauern bedienen sich durch"
gehends statt der Börse eines Strumpfes, der in dem Kleiderfasse verwahrt wird.
-- Mit diesem Gelde habe man Gelegenheit, die Wirthschaft in Stand zu brin¬
gen, denn auch dagegen wende jetzt der Herr nichts mehr ein, daß die Bauern
ihren Viehstand verstärken. Früher habe der Bauer nie mehr, als die beiden
herrschaftlichen Jnventarienochsen halten dürfen; jetzt dagegen besitze mancher Bauer
auch zwei eigene Ochsen, die er nachgezogen habe. Früher seien zwei Gänse, zehn
Hühner, acht Schafe, eine Ziege, eine Kuh, drei Schweine und ein Pferd der
gesetzlich bestimmte Viehstand der Bauernwirthschaften gewesen. Habe ein Bauer
durch Viehzucht ein oder ein Paar Stücke Vieh mehr besessen, so sei ihm sehr
bald der herrschaftliche Befehl zu Theil geworden, dieses Vieh bis zu einer ge¬
wissen Zeit zu verkaufe", und oft sei es passirt, daß dem Bauer, welcher das
überzählige Vieh nicht verkauft hatte, dasselbe von dem Herrn weggenommen wurde.
So etwas komme jetzt gar nicht mehr vor. Jetzt erlaube der Herr den Bauern
so viel Vieh zu halten, als sie nur wollen, jedoch sei es ihnen nicht mehr gestat¬
tet, wie früher, auf den herrschaftlichen Feldern zu weiden, und in die Wälder
dürfe der Bauer jetzt nur noch sein Rindvieh treiben, Schweine allenfalls wohl
auch, aber durchaus nicht Schafe und Ziegen.

Die Felder, welche der Bauer früher besessen, besitze er auch noch, und der
Herr habe ausdrücklich erklärt, die Bauern möchten ihre Felder tüchtig düngen und
nach Möglichkeit verbessern, denn sie sollten sie immer behalten und es werde nie
mehr vorkommen, daß ihnen, wie früher nach Verlauf von zehn Jahren, ihr Land
in einer andern Flur angewiesen werde. Dabei sei ihnen freilich auch gesagt wor¬
den, daß das Wüsteliegenlasscn von Ackerstücken und das Bilden neuer Felder durch
Waldausroden serner nicht gestattet sei. -- Für den Besitz der Wirthschaften und
Felder müsse freilich noch wie früher Robot geleistet werden, und das könne auch
nicht anders sein, da der Herr sonst gar nicht im Stande sei, seine Ländereien zu
bestellen. Denn auf dem Edelhofe halte man nur Pferde zu Fuhren. Die Ochsen


Auch der Trinkzwang sei zur Hälfte abgekommen. Die Bauern erhalten jetzt
die Hälfte ihres Lohnes in baarem Gelde und nur die andere Hälfte in Brcmnt-
weinmarken. Und komme es vor, daß ein Bauer sich etwas anschaffen wolle und
das Geld nothwendig brauche, so zahle der Herr auch ohne Weigern den ganzen
Lohn in baarem Gelde aus. Auch brauche man jetzt nicht mehr ein Viertel- und
ein halbes Jahr zu warten, bis es dem Herrn einmal gefalle, den Lohn auszu¬
zahlen, deun der Herr habe ausdrücklich im Dorf herumsagen lassen, daß er je¬
derzeit, wenn es Jemand wünsche, sonst aber regelmäßig an jedem Sonntag Mor¬
gen vor dem Gottesdienste Zahlung halte. Dies sei eine sehr große Gnade vom
Herrn, denn früher habe man nie so viel Geld zusammenbringen können, um sich
eine Mütze oder einen Kittel zu kaufen, wenn man nicht zufällig ein Stückchen
Vieh für den Verkauf aufgezogen gehabt habe; jetzt dagegen habe man immer
Geld im Strümpfe. — Die galizischen und polnischen Bauern bedienen sich durch«
gehends statt der Börse eines Strumpfes, der in dem Kleiderfasse verwahrt wird.
— Mit diesem Gelde habe man Gelegenheit, die Wirthschaft in Stand zu brin¬
gen, denn auch dagegen wende jetzt der Herr nichts mehr ein, daß die Bauern
ihren Viehstand verstärken. Früher habe der Bauer nie mehr, als die beiden
herrschaftlichen Jnventarienochsen halten dürfen; jetzt dagegen besitze mancher Bauer
auch zwei eigene Ochsen, die er nachgezogen habe. Früher seien zwei Gänse, zehn
Hühner, acht Schafe, eine Ziege, eine Kuh, drei Schweine und ein Pferd der
gesetzlich bestimmte Viehstand der Bauernwirthschaften gewesen. Habe ein Bauer
durch Viehzucht ein oder ein Paar Stücke Vieh mehr besessen, so sei ihm sehr
bald der herrschaftliche Befehl zu Theil geworden, dieses Vieh bis zu einer ge¬
wissen Zeit zu verkaufe«, und oft sei es passirt, daß dem Bauer, welcher das
überzählige Vieh nicht verkauft hatte, dasselbe von dem Herrn weggenommen wurde.
So etwas komme jetzt gar nicht mehr vor. Jetzt erlaube der Herr den Bauern
so viel Vieh zu halten, als sie nur wollen, jedoch sei es ihnen nicht mehr gestat¬
tet, wie früher, auf den herrschaftlichen Feldern zu weiden, und in die Wälder
dürfe der Bauer jetzt nur noch sein Rindvieh treiben, Schweine allenfalls wohl
auch, aber durchaus nicht Schafe und Ziegen.

Die Felder, welche der Bauer früher besessen, besitze er auch noch, und der
Herr habe ausdrücklich erklärt, die Bauern möchten ihre Felder tüchtig düngen und
nach Möglichkeit verbessern, denn sie sollten sie immer behalten und es werde nie
mehr vorkommen, daß ihnen, wie früher nach Verlauf von zehn Jahren, ihr Land
in einer andern Flur angewiesen werde. Dabei sei ihnen freilich auch gesagt wor¬
den, daß das Wüsteliegenlasscn von Ackerstücken und das Bilden neuer Felder durch
Waldausroden serner nicht gestattet sei. — Für den Besitz der Wirthschaften und
Felder müsse freilich noch wie früher Robot geleistet werden, und das könne auch
nicht anders sein, da der Herr sonst gar nicht im Stande sei, seine Ländereien zu
bestellen. Denn auf dem Edelhofe halte man nur Pferde zu Fuhren. Die Ochsen


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[0192] Auch der Trinkzwang sei zur Hälfte abgekommen. Die Bauern erhalten jetzt die Hälfte ihres Lohnes in baarem Gelde und nur die andere Hälfte in Brcmnt- weinmarken. Und komme es vor, daß ein Bauer sich etwas anschaffen wolle und das Geld nothwendig brauche, so zahle der Herr auch ohne Weigern den ganzen Lohn in baarem Gelde aus. Auch brauche man jetzt nicht mehr ein Viertel- und ein halbes Jahr zu warten, bis es dem Herrn einmal gefalle, den Lohn auszu¬ zahlen, deun der Herr habe ausdrücklich im Dorf herumsagen lassen, daß er je¬ derzeit, wenn es Jemand wünsche, sonst aber regelmäßig an jedem Sonntag Mor¬ gen vor dem Gottesdienste Zahlung halte. Dies sei eine sehr große Gnade vom Herrn, denn früher habe man nie so viel Geld zusammenbringen können, um sich eine Mütze oder einen Kittel zu kaufen, wenn man nicht zufällig ein Stückchen Vieh für den Verkauf aufgezogen gehabt habe; jetzt dagegen habe man immer Geld im Strümpfe. — Die galizischen und polnischen Bauern bedienen sich durch« gehends statt der Börse eines Strumpfes, der in dem Kleiderfasse verwahrt wird. — Mit diesem Gelde habe man Gelegenheit, die Wirthschaft in Stand zu brin¬ gen, denn auch dagegen wende jetzt der Herr nichts mehr ein, daß die Bauern ihren Viehstand verstärken. Früher habe der Bauer nie mehr, als die beiden herrschaftlichen Jnventarienochsen halten dürfen; jetzt dagegen besitze mancher Bauer auch zwei eigene Ochsen, die er nachgezogen habe. Früher seien zwei Gänse, zehn Hühner, acht Schafe, eine Ziege, eine Kuh, drei Schweine und ein Pferd der gesetzlich bestimmte Viehstand der Bauernwirthschaften gewesen. Habe ein Bauer durch Viehzucht ein oder ein Paar Stücke Vieh mehr besessen, so sei ihm sehr bald der herrschaftliche Befehl zu Theil geworden, dieses Vieh bis zu einer ge¬ wissen Zeit zu verkaufe«, und oft sei es passirt, daß dem Bauer, welcher das überzählige Vieh nicht verkauft hatte, dasselbe von dem Herrn weggenommen wurde. So etwas komme jetzt gar nicht mehr vor. Jetzt erlaube der Herr den Bauern so viel Vieh zu halten, als sie nur wollen, jedoch sei es ihnen nicht mehr gestat¬ tet, wie früher, auf den herrschaftlichen Feldern zu weiden, und in die Wälder dürfe der Bauer jetzt nur noch sein Rindvieh treiben, Schweine allenfalls wohl auch, aber durchaus nicht Schafe und Ziegen. Die Felder, welche der Bauer früher besessen, besitze er auch noch, und der Herr habe ausdrücklich erklärt, die Bauern möchten ihre Felder tüchtig düngen und nach Möglichkeit verbessern, denn sie sollten sie immer behalten und es werde nie mehr vorkommen, daß ihnen, wie früher nach Verlauf von zehn Jahren, ihr Land in einer andern Flur angewiesen werde. Dabei sei ihnen freilich auch gesagt wor¬ den, daß das Wüsteliegenlasscn von Ackerstücken und das Bilden neuer Felder durch Waldausroden serner nicht gestattet sei. — Für den Besitz der Wirthschaften und Felder müsse freilich noch wie früher Robot geleistet werden, und das könne auch nicht anders sein, da der Herr sonst gar nicht im Stande sei, seine Ländereien zu bestellen. Denn auf dem Edelhofe halte man nur Pferde zu Fuhren. Die Ochsen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/192>, abgerufen am 24.07.2024.