Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Salons; ich irre mich, auch in Olmütz war er einige Male. Von den Nationa¬
litäten, den Zuständen, vor Allem aber von der vormärzlichen Zeit in Oestreich hat er
blos läuten gehört. Er will auf einer Seite nur boshafte Rebellen, auf der an¬
deren eine vortreffliche und gerechte Regierung sehen; daher keine Nachsicht mit
der kleinsten Volksverirrung, jede mit den Thorheiten der Regierung! Seine Ur¬
theile über die Novemberhinrichtungen waren empörender, als das Geheul der
"Geißel" und ihrer Schwestern, weil sie mit eisiger Kälte vorgetragen waren und
so gewissensstark auf den Buchstaben des Gesetzes pochten, als hätte es sich um
einige Hochverräther im freien England gehandelt, die gegen das Parlament eine
Pulververschwöruug angezettelt haben und von einem öffentlichen Geschwornenge¬
richt zum Tode verurtheilt worden sind. Noch im Frühjahr konnte man im Lloyd
Stellen lesen, wie die folgende: "Selbst drakonische Gesetze sähen wir lieber beob¬
achtet und geehrt, als geschwächt" -- wodurch meint man wohl? durch Aufruhr?
durch List oder Bestechung? o nein, -- "durch abgerungene" (d. h. mittels Peti¬
tionen und Zeitungsartikel abgerungene) "Amnestien." -- In seiner Polemik ist
er Aankee und macht von der zügellosen Preßfreiheit Amerikas Gebrauch, wo
Persönlichkeiten der gehässigsten Art für ehrliche Waffe und nothwendige Würze
gelten. Daß Wind und Sonne bei diesen Tournieren in Wien ungleich getheilt
sind, pflegt er zu übersehen und sehr naiv fragte er einmal, warum seine oppo¬
sitionellen Gegner nicht die Dickhäutigkeit (l'KicK^iniieiluess) gegen journalisti¬
sche Angriffe besäßen, wie sie jedem öffentlichen Charakter in Amerika und England
eigen ist? Erlaubte sich dagegen ein liberales Blatt einen entfernten Schatten
dieses dicken Felles bei einem Regierungsmann vorauszusetzen, so erinnerte der Lloyd
an den Ansnahmszustand und warnte vor hochverräterischen Tendenzen.

Mr. Warreus kennt nicht nur Oestreich nicht, sondern anch Deutschland uicht,
und er scheint gerade so viel Herz dafür zu haben, wie etwa der dänisch-östreichi¬
sche Admiral Dahlerupp. Daher gelang es ihm, gegen die vernünftigsten Männer
der Paulskirche, wie Gagern u. A., Schimpfworte zu erfinden, um die ihn bcii-
rische Ultramontane und rothrepublikanische Bummler beneiden durften. In der
Schleswig'holsteinischen Sache zeigte der Lloyd eine zärtliche Parteilichkeit für die
Dänen und gefiel sich manchmal darin, schadenfroh auf die Verluste und Schnitzer
der Deutschen hinzudeuten. Nur wenn es galt, Preußen eines falschen Spieles
zu verdächtigen, wurde er deutsch und posannte, wie ganz anders der Reichsver¬
weser das meerumschlungene Land im Herzen trage.

Aber Mr. Warrens kennt England und Amerika sehr genau; er wuchert wohl
mit seinem Pfunde und unterrichtet das Publikum im Gebrauch constitutioneller
Institutionen? Ja wohl, in seiner Art. Hier nämlich übersteht er den Unter¬
schied zwischen Oestreich nud Nordamerika durchaus uicht. Wahrscheinlich hat ihm
Fürst Schwarzenberg uuter vier Augen gesagt, daß die Oestreicher ein sehr kind¬
liches Volk sind, dem man mit schlauen Märchen besser diene, als mit trockener G


Salons; ich irre mich, auch in Olmütz war er einige Male. Von den Nationa¬
litäten, den Zuständen, vor Allem aber von der vormärzlichen Zeit in Oestreich hat er
blos läuten gehört. Er will auf einer Seite nur boshafte Rebellen, auf der an¬
deren eine vortreffliche und gerechte Regierung sehen; daher keine Nachsicht mit
der kleinsten Volksverirrung, jede mit den Thorheiten der Regierung! Seine Ur¬
theile über die Novemberhinrichtungen waren empörender, als das Geheul der
„Geißel" und ihrer Schwestern, weil sie mit eisiger Kälte vorgetragen waren und
so gewissensstark auf den Buchstaben des Gesetzes pochten, als hätte es sich um
einige Hochverräther im freien England gehandelt, die gegen das Parlament eine
Pulververschwöruug angezettelt haben und von einem öffentlichen Geschwornenge¬
richt zum Tode verurtheilt worden sind. Noch im Frühjahr konnte man im Lloyd
Stellen lesen, wie die folgende: „Selbst drakonische Gesetze sähen wir lieber beob¬
achtet und geehrt, als geschwächt" — wodurch meint man wohl? durch Aufruhr?
durch List oder Bestechung? o nein, — „durch abgerungene" (d. h. mittels Peti¬
tionen und Zeitungsartikel abgerungene) „Amnestien." — In seiner Polemik ist
er Aankee und macht von der zügellosen Preßfreiheit Amerikas Gebrauch, wo
Persönlichkeiten der gehässigsten Art für ehrliche Waffe und nothwendige Würze
gelten. Daß Wind und Sonne bei diesen Tournieren in Wien ungleich getheilt
sind, pflegt er zu übersehen und sehr naiv fragte er einmal, warum seine oppo¬
sitionellen Gegner nicht die Dickhäutigkeit (l'KicK^iniieiluess) gegen journalisti¬
sche Angriffe besäßen, wie sie jedem öffentlichen Charakter in Amerika und England
eigen ist? Erlaubte sich dagegen ein liberales Blatt einen entfernten Schatten
dieses dicken Felles bei einem Regierungsmann vorauszusetzen, so erinnerte der Lloyd
an den Ansnahmszustand und warnte vor hochverräterischen Tendenzen.

Mr. Warreus kennt nicht nur Oestreich nicht, sondern anch Deutschland uicht,
und er scheint gerade so viel Herz dafür zu haben, wie etwa der dänisch-östreichi¬
sche Admiral Dahlerupp. Daher gelang es ihm, gegen die vernünftigsten Männer
der Paulskirche, wie Gagern u. A., Schimpfworte zu erfinden, um die ihn bcii-
rische Ultramontane und rothrepublikanische Bummler beneiden durften. In der
Schleswig'holsteinischen Sache zeigte der Lloyd eine zärtliche Parteilichkeit für die
Dänen und gefiel sich manchmal darin, schadenfroh auf die Verluste und Schnitzer
der Deutschen hinzudeuten. Nur wenn es galt, Preußen eines falschen Spieles
zu verdächtigen, wurde er deutsch und posannte, wie ganz anders der Reichsver¬
weser das meerumschlungene Land im Herzen trage.

Aber Mr. Warrens kennt England und Amerika sehr genau; er wuchert wohl
mit seinem Pfunde und unterrichtet das Publikum im Gebrauch constitutioneller
Institutionen? Ja wohl, in seiner Art. Hier nämlich übersteht er den Unter¬
schied zwischen Oestreich nud Nordamerika durchaus uicht. Wahrscheinlich hat ihm
Fürst Schwarzenberg uuter vier Augen gesagt, daß die Oestreicher ein sehr kind¬
liches Volk sind, dem man mit schlauen Märchen besser diene, als mit trockener G


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0165" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92988"/>
            <p xml:id="ID_512" prev="#ID_511"> Salons; ich irre mich, auch in Olmütz war er einige Male. Von den Nationa¬<lb/>
litäten, den Zuständen, vor Allem aber von der vormärzlichen Zeit in Oestreich hat er<lb/>
blos läuten gehört. Er will auf einer Seite nur boshafte Rebellen, auf der an¬<lb/>
deren eine vortreffliche und gerechte Regierung sehen; daher keine Nachsicht mit<lb/>
der kleinsten Volksverirrung, jede mit den Thorheiten der Regierung! Seine Ur¬<lb/>
theile über die Novemberhinrichtungen waren empörender, als das Geheul der<lb/>
&#x201E;Geißel" und ihrer Schwestern, weil sie mit eisiger Kälte vorgetragen waren und<lb/>
so gewissensstark auf den Buchstaben des Gesetzes pochten, als hätte es sich um<lb/>
einige Hochverräther im freien England gehandelt, die gegen das Parlament eine<lb/>
Pulververschwöruug angezettelt haben und von einem öffentlichen Geschwornenge¬<lb/>
richt zum Tode verurtheilt worden sind. Noch im Frühjahr konnte man im Lloyd<lb/>
Stellen lesen, wie die folgende: &#x201E;Selbst drakonische Gesetze sähen wir lieber beob¬<lb/>
achtet und geehrt, als geschwächt" &#x2014; wodurch meint man wohl? durch Aufruhr?<lb/>
durch List oder Bestechung? o nein, &#x2014; &#x201E;durch abgerungene" (d. h. mittels Peti¬<lb/>
tionen und Zeitungsartikel abgerungene) &#x201E;Amnestien." &#x2014; In seiner Polemik ist<lb/>
er Aankee und macht von der zügellosen Preßfreiheit Amerikas Gebrauch, wo<lb/>
Persönlichkeiten der gehässigsten Art für ehrliche Waffe und nothwendige Würze<lb/>
gelten. Daß Wind und Sonne bei diesen Tournieren in Wien ungleich getheilt<lb/>
sind, pflegt er zu übersehen und sehr naiv fragte er einmal, warum seine oppo¬<lb/>
sitionellen Gegner nicht die Dickhäutigkeit (l'KicK^iniieiluess) gegen journalisti¬<lb/>
sche Angriffe besäßen, wie sie jedem öffentlichen Charakter in Amerika und England<lb/>
eigen ist? Erlaubte sich dagegen ein liberales Blatt einen entfernten Schatten<lb/>
dieses dicken Felles bei einem Regierungsmann vorauszusetzen, so erinnerte der Lloyd<lb/>
an den Ansnahmszustand und warnte vor hochverräterischen Tendenzen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_513"> Mr. Warreus kennt nicht nur Oestreich nicht, sondern anch Deutschland uicht,<lb/>
und er scheint gerade so viel Herz dafür zu haben, wie etwa der dänisch-östreichi¬<lb/>
sche Admiral Dahlerupp. Daher gelang es ihm, gegen die vernünftigsten Männer<lb/>
der Paulskirche, wie Gagern u. A., Schimpfworte zu erfinden, um die ihn bcii-<lb/>
rische Ultramontane und rothrepublikanische Bummler beneiden durften. In der<lb/>
Schleswig'holsteinischen Sache zeigte der Lloyd eine zärtliche Parteilichkeit für die<lb/>
Dänen und gefiel sich manchmal darin, schadenfroh auf die Verluste und Schnitzer<lb/>
der Deutschen hinzudeuten. Nur wenn es galt, Preußen eines falschen Spieles<lb/>
zu verdächtigen, wurde er deutsch und posannte, wie ganz anders der Reichsver¬<lb/>
weser das meerumschlungene Land im Herzen trage.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_514" next="#ID_515"> Aber Mr. Warrens kennt England und Amerika sehr genau; er wuchert wohl<lb/>
mit seinem Pfunde und unterrichtet das Publikum im Gebrauch constitutioneller<lb/>
Institutionen? Ja wohl, in seiner Art. Hier nämlich übersteht er den Unter¬<lb/>
schied zwischen Oestreich nud Nordamerika durchaus uicht. Wahrscheinlich hat ihm<lb/>
Fürst Schwarzenberg uuter vier Augen gesagt, daß die Oestreicher ein sehr kind¬<lb/>
liches Volk sind, dem man mit schlauen Märchen besser diene, als mit trockener G</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0165] Salons; ich irre mich, auch in Olmütz war er einige Male. Von den Nationa¬ litäten, den Zuständen, vor Allem aber von der vormärzlichen Zeit in Oestreich hat er blos läuten gehört. Er will auf einer Seite nur boshafte Rebellen, auf der an¬ deren eine vortreffliche und gerechte Regierung sehen; daher keine Nachsicht mit der kleinsten Volksverirrung, jede mit den Thorheiten der Regierung! Seine Ur¬ theile über die Novemberhinrichtungen waren empörender, als das Geheul der „Geißel" und ihrer Schwestern, weil sie mit eisiger Kälte vorgetragen waren und so gewissensstark auf den Buchstaben des Gesetzes pochten, als hätte es sich um einige Hochverräther im freien England gehandelt, die gegen das Parlament eine Pulververschwöruug angezettelt haben und von einem öffentlichen Geschwornenge¬ richt zum Tode verurtheilt worden sind. Noch im Frühjahr konnte man im Lloyd Stellen lesen, wie die folgende: „Selbst drakonische Gesetze sähen wir lieber beob¬ achtet und geehrt, als geschwächt" — wodurch meint man wohl? durch Aufruhr? durch List oder Bestechung? o nein, — „durch abgerungene" (d. h. mittels Peti¬ tionen und Zeitungsartikel abgerungene) „Amnestien." — In seiner Polemik ist er Aankee und macht von der zügellosen Preßfreiheit Amerikas Gebrauch, wo Persönlichkeiten der gehässigsten Art für ehrliche Waffe und nothwendige Würze gelten. Daß Wind und Sonne bei diesen Tournieren in Wien ungleich getheilt sind, pflegt er zu übersehen und sehr naiv fragte er einmal, warum seine oppo¬ sitionellen Gegner nicht die Dickhäutigkeit (l'KicK^iniieiluess) gegen journalisti¬ sche Angriffe besäßen, wie sie jedem öffentlichen Charakter in Amerika und England eigen ist? Erlaubte sich dagegen ein liberales Blatt einen entfernten Schatten dieses dicken Felles bei einem Regierungsmann vorauszusetzen, so erinnerte der Lloyd an den Ansnahmszustand und warnte vor hochverräterischen Tendenzen. Mr. Warreus kennt nicht nur Oestreich nicht, sondern anch Deutschland uicht, und er scheint gerade so viel Herz dafür zu haben, wie etwa der dänisch-östreichi¬ sche Admiral Dahlerupp. Daher gelang es ihm, gegen die vernünftigsten Männer der Paulskirche, wie Gagern u. A., Schimpfworte zu erfinden, um die ihn bcii- rische Ultramontane und rothrepublikanische Bummler beneiden durften. In der Schleswig'holsteinischen Sache zeigte der Lloyd eine zärtliche Parteilichkeit für die Dänen und gefiel sich manchmal darin, schadenfroh auf die Verluste und Schnitzer der Deutschen hinzudeuten. Nur wenn es galt, Preußen eines falschen Spieles zu verdächtigen, wurde er deutsch und posannte, wie ganz anders der Reichsver¬ weser das meerumschlungene Land im Herzen trage. Aber Mr. Warrens kennt England und Amerika sehr genau; er wuchert wohl mit seinem Pfunde und unterrichtet das Publikum im Gebrauch constitutioneller Institutionen? Ja wohl, in seiner Art. Hier nämlich übersteht er den Unter¬ schied zwischen Oestreich nud Nordamerika durchaus uicht. Wahrscheinlich hat ihm Fürst Schwarzenberg uuter vier Augen gesagt, daß die Oestreicher ein sehr kind¬ liches Volk sind, dem man mit schlauen Märchen besser diene, als mit trockener G

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/165
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/165>, abgerufen am 02.10.2024.