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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Wahrheit. Mr. Warrens ließ sich daher oft angelegen sein/ was er über engli¬
sche oder amerikanische Verfassungsangelegenheiten warnend und scheltend vorbrachte,
der östreichischen Intelligenz "anzupassen"; er nahm z. B. an, daß zwischen dem
. englischen Sheriff und dem östreichischen k. k. Kreishauptmann kein Unterschied sei
und verhöhnte die unerfahrenen Ideologen, die es nicht in der Ordnung fanden,
daß der Kreishauptmann die Geschwornenlisten entwerfen sollte; er bewies, daß,
Opposttions-Journale zu dulden, in Oestreich eine Verletzung der Konstitution sein
könne; daß zwei Mal zwei in Oestreich fünf sein müsse, um dem Princip der
Gleichberechtigung "Rechnung zu tragen", und daß die Engländer noch viel küh¬
ner zu rechnen pflegten, wodurch sie auch ihre Freiheit und Macht so glücklich
befestigt hätten. Indessen ist Mr. Warrens durch Wiener Journale selbst mehr¬
mals erinnert worden, daß es nicht sehr klug von ihm speculirt war, gar zu viel
Dummheit und Unwissenheit in Oestreich -u! irmjorem LvnvvartxenKerxii Zloriam
vorauszusetzen.

Endlich ist noch Eins zu berücksichtigen, was die bald komische, bald ver¬
letzende Haltung der Lloydartitel erklären muß. Mr. Warrens versteht sür einen
Ausländer auffallend viel Deutsch, aber nicht genug sür den Redacteur eines
deutschen Blattes. Da er der Sprache nicht vollkommen Herr ist, so wird er oft
sackgrob, verhimmelnd oder kriechend, ohne es zu wollen; er kann nur bombar-
diren odsr psalmvdiren, Rosen- oder Pfützenwasser spritzen, Ohrfeigen oder
Komplimente austheilen. Er hat nur Centnergewichte; die zahllosen kleineren
Lotse, die den tausendfachen Abstufungen des Gefühls und des Gedankens
entsprechen, scheinen ihm vollständig zu fehlen, so daß es ihm selten gelingt, sich
ungeschraubt und den Umständen gemäß auszudrücken. Im vorigen Winter, als
er aus Mangel an Mitarbeitern gezwungen war, sämmtliche Leitartikel des Blattes
allein zu schreiben, bot der Llohd reichliche humoristische Entschädigung für den
Aerger, den er jedem deutsch- und billig denkenden Leser bereitete. Viele Stellen
seiner höchst pathetischen, staatsmännische Gesichter schneidenden Aufsätze kamen
dem Theil des Publikums, welcher nicht englisch versteht, spanisch vor, denn er
liebte es, fremdländische Worte mit mehr als despotischer Willkür zu verdeutschen
und hartnäckig "befreundete" er (in der englischen Bedeutung des Wortes to de-
krienä, begünstigen) das Genie und den gemeinen Sinn (common house) eines
Bach, so wie den klaren Willen und die punktiliöse Gewissenhaftigkeit eines
Schwarzenberg. Zu solchen Wortraritäten, die in jeden seiner Artikel so ver¬
schwenderisch eingebacken waren, wie die Rosinen in einen englischen Pudding,
denke man sich die steifnackigste Unbehilflichkeit in Wendungen und Uebergängen,
um einen Begriff von der Wirkung dieser babylonisch - östreichischen Publizistik zu
bekommen. Kostbar Pflegte Mr. Warrens in seinem patriotischen Zorn zu sein;
lang ausschreitend stieg er dann mit dem einen Bein durch die Lloydspalte rechts
gegen die Verächter des russischen Absolutismus, mit dem andern durch die Lloyd-


Wahrheit. Mr. Warrens ließ sich daher oft angelegen sein/ was er über engli¬
sche oder amerikanische Verfassungsangelegenheiten warnend und scheltend vorbrachte,
der östreichischen Intelligenz „anzupassen"; er nahm z. B. an, daß zwischen dem
. englischen Sheriff und dem östreichischen k. k. Kreishauptmann kein Unterschied sei
und verhöhnte die unerfahrenen Ideologen, die es nicht in der Ordnung fanden,
daß der Kreishauptmann die Geschwornenlisten entwerfen sollte; er bewies, daß,
Opposttions-Journale zu dulden, in Oestreich eine Verletzung der Konstitution sein
könne; daß zwei Mal zwei in Oestreich fünf sein müsse, um dem Princip der
Gleichberechtigung „Rechnung zu tragen", und daß die Engländer noch viel küh¬
ner zu rechnen pflegten, wodurch sie auch ihre Freiheit und Macht so glücklich
befestigt hätten. Indessen ist Mr. Warrens durch Wiener Journale selbst mehr¬
mals erinnert worden, daß es nicht sehr klug von ihm speculirt war, gar zu viel
Dummheit und Unwissenheit in Oestreich -u! irmjorem LvnvvartxenKerxii Zloriam
vorauszusetzen.

Endlich ist noch Eins zu berücksichtigen, was die bald komische, bald ver¬
letzende Haltung der Lloydartitel erklären muß. Mr. Warrens versteht sür einen
Ausländer auffallend viel Deutsch, aber nicht genug sür den Redacteur eines
deutschen Blattes. Da er der Sprache nicht vollkommen Herr ist, so wird er oft
sackgrob, verhimmelnd oder kriechend, ohne es zu wollen; er kann nur bombar-
diren odsr psalmvdiren, Rosen- oder Pfützenwasser spritzen, Ohrfeigen oder
Komplimente austheilen. Er hat nur Centnergewichte; die zahllosen kleineren
Lotse, die den tausendfachen Abstufungen des Gefühls und des Gedankens
entsprechen, scheinen ihm vollständig zu fehlen, so daß es ihm selten gelingt, sich
ungeschraubt und den Umständen gemäß auszudrücken. Im vorigen Winter, als
er aus Mangel an Mitarbeitern gezwungen war, sämmtliche Leitartikel des Blattes
allein zu schreiben, bot der Llohd reichliche humoristische Entschädigung für den
Aerger, den er jedem deutsch- und billig denkenden Leser bereitete. Viele Stellen
seiner höchst pathetischen, staatsmännische Gesichter schneidenden Aufsätze kamen
dem Theil des Publikums, welcher nicht englisch versteht, spanisch vor, denn er
liebte es, fremdländische Worte mit mehr als despotischer Willkür zu verdeutschen
und hartnäckig „befreundete" er (in der englischen Bedeutung des Wortes to de-
krienä, begünstigen) das Genie und den gemeinen Sinn (common house) eines
Bach, so wie den klaren Willen und die punktiliöse Gewissenhaftigkeit eines
Schwarzenberg. Zu solchen Wortraritäten, die in jeden seiner Artikel so ver¬
schwenderisch eingebacken waren, wie die Rosinen in einen englischen Pudding,
denke man sich die steifnackigste Unbehilflichkeit in Wendungen und Uebergängen,
um einen Begriff von der Wirkung dieser babylonisch - östreichischen Publizistik zu
bekommen. Kostbar Pflegte Mr. Warrens in seinem patriotischen Zorn zu sein;
lang ausschreitend stieg er dann mit dem einen Bein durch die Lloydspalte rechts
gegen die Verächter des russischen Absolutismus, mit dem andern durch die Lloyd-


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[0166] Wahrheit. Mr. Warrens ließ sich daher oft angelegen sein/ was er über engli¬ sche oder amerikanische Verfassungsangelegenheiten warnend und scheltend vorbrachte, der östreichischen Intelligenz „anzupassen"; er nahm z. B. an, daß zwischen dem . englischen Sheriff und dem östreichischen k. k. Kreishauptmann kein Unterschied sei und verhöhnte die unerfahrenen Ideologen, die es nicht in der Ordnung fanden, daß der Kreishauptmann die Geschwornenlisten entwerfen sollte; er bewies, daß, Opposttions-Journale zu dulden, in Oestreich eine Verletzung der Konstitution sein könne; daß zwei Mal zwei in Oestreich fünf sein müsse, um dem Princip der Gleichberechtigung „Rechnung zu tragen", und daß die Engländer noch viel küh¬ ner zu rechnen pflegten, wodurch sie auch ihre Freiheit und Macht so glücklich befestigt hätten. Indessen ist Mr. Warrens durch Wiener Journale selbst mehr¬ mals erinnert worden, daß es nicht sehr klug von ihm speculirt war, gar zu viel Dummheit und Unwissenheit in Oestreich -u! irmjorem LvnvvartxenKerxii Zloriam vorauszusetzen. Endlich ist noch Eins zu berücksichtigen, was die bald komische, bald ver¬ letzende Haltung der Lloydartitel erklären muß. Mr. Warrens versteht sür einen Ausländer auffallend viel Deutsch, aber nicht genug sür den Redacteur eines deutschen Blattes. Da er der Sprache nicht vollkommen Herr ist, so wird er oft sackgrob, verhimmelnd oder kriechend, ohne es zu wollen; er kann nur bombar- diren odsr psalmvdiren, Rosen- oder Pfützenwasser spritzen, Ohrfeigen oder Komplimente austheilen. Er hat nur Centnergewichte; die zahllosen kleineren Lotse, die den tausendfachen Abstufungen des Gefühls und des Gedankens entsprechen, scheinen ihm vollständig zu fehlen, so daß es ihm selten gelingt, sich ungeschraubt und den Umständen gemäß auszudrücken. Im vorigen Winter, als er aus Mangel an Mitarbeitern gezwungen war, sämmtliche Leitartikel des Blattes allein zu schreiben, bot der Llohd reichliche humoristische Entschädigung für den Aerger, den er jedem deutsch- und billig denkenden Leser bereitete. Viele Stellen seiner höchst pathetischen, staatsmännische Gesichter schneidenden Aufsätze kamen dem Theil des Publikums, welcher nicht englisch versteht, spanisch vor, denn er liebte es, fremdländische Worte mit mehr als despotischer Willkür zu verdeutschen und hartnäckig „befreundete" er (in der englischen Bedeutung des Wortes to de- krienä, begünstigen) das Genie und den gemeinen Sinn (common house) eines Bach, so wie den klaren Willen und die punktiliöse Gewissenhaftigkeit eines Schwarzenberg. Zu solchen Wortraritäten, die in jeden seiner Artikel so ver¬ schwenderisch eingebacken waren, wie die Rosinen in einen englischen Pudding, denke man sich die steifnackigste Unbehilflichkeit in Wendungen und Uebergängen, um einen Begriff von der Wirkung dieser babylonisch - östreichischen Publizistik zu bekommen. Kostbar Pflegte Mr. Warrens in seinem patriotischen Zorn zu sein; lang ausschreitend stieg er dann mit dem einen Bein durch die Lloydspalte rechts gegen die Verächter des russischen Absolutismus, mit dem andern durch die Lloyd-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/166>, abgerufen am 24.07.2024.