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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

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Treten aufhören machen. Es gilt jetzt auf den Trümmern der untergehenden
Kunst einen neuen Bau aufzuführen, an der Sache muß uns liegen, an der Kunst
selber, die Personen, seien sie Freunde oder Gegner, müssen sich gewöhnen, ihre
Leistungen rücksichtslos beurtheilt zu sehen. Wer weichlich ist, eitel und besorgt,
alten Ruhm zu wahren, der thut nicht gut, jetzt für die Bühne zu schreiben.
Denn der größere Ernst und die Sehnsucht nach Klarheit und Harmonie, welche
in den letzten Jahren über den gebildeten Deutschen gekommen sind, üben zuletzt
ihren Einfluß auf die Kunsturtheile der Verständigen; und was vor wenig Jah¬
ren noch geduldet, ja gelobt wurde, wird jetzt schonungslos verworfen werden.
Nicht von der genießenden Masse, dem großen Publikum, das ist -- ohne seine
Schuld -- roher und gemeiner geworden, als es sonst zu sein pflegte; aber die
Zahl der Urteilsfähigen ist größer und ihr Zusammenhang fester geworden. Wir
haben mit Schrecken und Schmerz erfahren, wie schwach und krank unser deutsches
Leben ist, und suchen eifrig die Genesung.

Ein Drama: Maximilian Robespierre von Prof. Griepenkerl macht
jetzt Aufsehn. Ich habe das Stück, welches noch Manuscript ist, nicht selbst gelesen,
nur gehört. Der Verfasser reist umher und liest es für Geld vor. Es ist nicht
zu wünschen, daß diese Methode der Verbreitung Nachahmer finde, sie steht einem
deutschen Dichter sehr schlecht. Aus diesem Grunde und weil das Stück keine gute
Arbeit ist, auch in Bezug auf die zukünftige Thätigkeit des Verfassers nichts Gu¬
tes ahnen läßt, würde dies Blatt vermeiden, eine Bemerkung darüber zu machen,
zumal nicht anzunehmen ist, daß es auf andere Produktionen nachtheiligen Ein¬
fluß ausüben wird. Aber die Freunde des Mannes haben in ihrem wohlwollen¬
den Eiser so viel Zeitnngslärm gemacht, und die Berliner Kritiker haben wieder
einmal so den Kops verloren, -- was ihnen nicht selten passirt -- daß es nicht
unnütz sein wird, die Wahrheit zu sagen. Das Drama behandelt Robespierre's
Herrschaft und Fall, es beginnt mit dem Zerwürfniß zwischen Danton und Robes-
pierre und endet mit der Hoffnung auf eine verständigere Zeit. -- Die französische
Revolutionsgeschichte ist ein ebenso verführerischer, als bedenklicher Stoff, wenn
sich das Drama, wie hier geschieht, die Ausgabe stellt, ein Stück der Geschichte
selbst künstlerisch zuzurichten. Denn dann ist es das Ungeheure der Zeit,-was
zur Produktion reizt, und die Menschen darin sind nichts, als Marionetten der
politischen Idee dieser Zeit, welche sich eine Weile spreizen, ihr Glaubensbekennt-
niß sagen, einander abthun und abgethan werden. Und so ist es auch in diesem
Stuck. Sie werden abgethan einer nach dem andern, und wenn der Letzte getöd-
tet ist, tritt Ruhe ein, das Spiel ist zu Ende. Auf diesem Wege wird die Tra¬
gödie eine Fratze, einige abgeschmackte Frauenzimmer, einige lauersame Patrioten,
einige Tyrannen, einige unglückliche Schlachtopfer sprachen und streiten über
Politik, und sterben um Politik; was sie waren und was sie wollten, wissen
wir aus der Geschichte, aus einem Theaterstück wird mau wenig Gescheutes darf


Treten aufhören machen. Es gilt jetzt auf den Trümmern der untergehenden
Kunst einen neuen Bau aufzuführen, an der Sache muß uns liegen, an der Kunst
selber, die Personen, seien sie Freunde oder Gegner, müssen sich gewöhnen, ihre
Leistungen rücksichtslos beurtheilt zu sehen. Wer weichlich ist, eitel und besorgt,
alten Ruhm zu wahren, der thut nicht gut, jetzt für die Bühne zu schreiben.
Denn der größere Ernst und die Sehnsucht nach Klarheit und Harmonie, welche
in den letzten Jahren über den gebildeten Deutschen gekommen sind, üben zuletzt
ihren Einfluß auf die Kunsturtheile der Verständigen; und was vor wenig Jah¬
ren noch geduldet, ja gelobt wurde, wird jetzt schonungslos verworfen werden.
Nicht von der genießenden Masse, dem großen Publikum, das ist — ohne seine
Schuld — roher und gemeiner geworden, als es sonst zu sein pflegte; aber die
Zahl der Urteilsfähigen ist größer und ihr Zusammenhang fester geworden. Wir
haben mit Schrecken und Schmerz erfahren, wie schwach und krank unser deutsches
Leben ist, und suchen eifrig die Genesung.

Ein Drama: Maximilian Robespierre von Prof. Griepenkerl macht
jetzt Aufsehn. Ich habe das Stück, welches noch Manuscript ist, nicht selbst gelesen,
nur gehört. Der Verfasser reist umher und liest es für Geld vor. Es ist nicht
zu wünschen, daß diese Methode der Verbreitung Nachahmer finde, sie steht einem
deutschen Dichter sehr schlecht. Aus diesem Grunde und weil das Stück keine gute
Arbeit ist, auch in Bezug auf die zukünftige Thätigkeit des Verfassers nichts Gu¬
tes ahnen läßt, würde dies Blatt vermeiden, eine Bemerkung darüber zu machen,
zumal nicht anzunehmen ist, daß es auf andere Produktionen nachtheiligen Ein¬
fluß ausüben wird. Aber die Freunde des Mannes haben in ihrem wohlwollen¬
den Eiser so viel Zeitnngslärm gemacht, und die Berliner Kritiker haben wieder
einmal so den Kops verloren, — was ihnen nicht selten passirt — daß es nicht
unnütz sein wird, die Wahrheit zu sagen. Das Drama behandelt Robespierre's
Herrschaft und Fall, es beginnt mit dem Zerwürfniß zwischen Danton und Robes-
pierre und endet mit der Hoffnung auf eine verständigere Zeit. — Die französische
Revolutionsgeschichte ist ein ebenso verführerischer, als bedenklicher Stoff, wenn
sich das Drama, wie hier geschieht, die Ausgabe stellt, ein Stück der Geschichte
selbst künstlerisch zuzurichten. Denn dann ist es das Ungeheure der Zeit,-was
zur Produktion reizt, und die Menschen darin sind nichts, als Marionetten der
politischen Idee dieser Zeit, welche sich eine Weile spreizen, ihr Glaubensbekennt-
niß sagen, einander abthun und abgethan werden. Und so ist es auch in diesem
Stuck. Sie werden abgethan einer nach dem andern, und wenn der Letzte getöd-
tet ist, tritt Ruhe ein, das Spiel ist zu Ende. Auf diesem Wege wird die Tra¬
gödie eine Fratze, einige abgeschmackte Frauenzimmer, einige lauersame Patrioten,
einige Tyrannen, einige unglückliche Schlachtopfer sprachen und streiten über
Politik, und sterben um Politik; was sie waren und was sie wollten, wissen
wir aus der Geschichte, aus einem Theaterstück wird mau wenig Gescheutes darf


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[0142] Treten aufhören machen. Es gilt jetzt auf den Trümmern der untergehenden Kunst einen neuen Bau aufzuführen, an der Sache muß uns liegen, an der Kunst selber, die Personen, seien sie Freunde oder Gegner, müssen sich gewöhnen, ihre Leistungen rücksichtslos beurtheilt zu sehen. Wer weichlich ist, eitel und besorgt, alten Ruhm zu wahren, der thut nicht gut, jetzt für die Bühne zu schreiben. Denn der größere Ernst und die Sehnsucht nach Klarheit und Harmonie, welche in den letzten Jahren über den gebildeten Deutschen gekommen sind, üben zuletzt ihren Einfluß auf die Kunsturtheile der Verständigen; und was vor wenig Jah¬ ren noch geduldet, ja gelobt wurde, wird jetzt schonungslos verworfen werden. Nicht von der genießenden Masse, dem großen Publikum, das ist — ohne seine Schuld — roher und gemeiner geworden, als es sonst zu sein pflegte; aber die Zahl der Urteilsfähigen ist größer und ihr Zusammenhang fester geworden. Wir haben mit Schrecken und Schmerz erfahren, wie schwach und krank unser deutsches Leben ist, und suchen eifrig die Genesung. Ein Drama: Maximilian Robespierre von Prof. Griepenkerl macht jetzt Aufsehn. Ich habe das Stück, welches noch Manuscript ist, nicht selbst gelesen, nur gehört. Der Verfasser reist umher und liest es für Geld vor. Es ist nicht zu wünschen, daß diese Methode der Verbreitung Nachahmer finde, sie steht einem deutschen Dichter sehr schlecht. Aus diesem Grunde und weil das Stück keine gute Arbeit ist, auch in Bezug auf die zukünftige Thätigkeit des Verfassers nichts Gu¬ tes ahnen läßt, würde dies Blatt vermeiden, eine Bemerkung darüber zu machen, zumal nicht anzunehmen ist, daß es auf andere Produktionen nachtheiligen Ein¬ fluß ausüben wird. Aber die Freunde des Mannes haben in ihrem wohlwollen¬ den Eiser so viel Zeitnngslärm gemacht, und die Berliner Kritiker haben wieder einmal so den Kops verloren, — was ihnen nicht selten passirt — daß es nicht unnütz sein wird, die Wahrheit zu sagen. Das Drama behandelt Robespierre's Herrschaft und Fall, es beginnt mit dem Zerwürfniß zwischen Danton und Robes- pierre und endet mit der Hoffnung auf eine verständigere Zeit. — Die französische Revolutionsgeschichte ist ein ebenso verführerischer, als bedenklicher Stoff, wenn sich das Drama, wie hier geschieht, die Ausgabe stellt, ein Stück der Geschichte selbst künstlerisch zuzurichten. Denn dann ist es das Ungeheure der Zeit,-was zur Produktion reizt, und die Menschen darin sind nichts, als Marionetten der politischen Idee dieser Zeit, welche sich eine Weile spreizen, ihr Glaubensbekennt- niß sagen, einander abthun und abgethan werden. Und so ist es auch in diesem Stuck. Sie werden abgethan einer nach dem andern, und wenn der Letzte getöd- tet ist, tritt Ruhe ein, das Spiel ist zu Ende. Auf diesem Wege wird die Tra¬ gödie eine Fratze, einige abgeschmackte Frauenzimmer, einige lauersame Patrioten, einige Tyrannen, einige unglückliche Schlachtopfer sprachen und streiten über Politik, und sterben um Politik; was sie waren und was sie wollten, wissen wir aus der Geschichte, aus einem Theaterstück wird mau wenig Gescheutes darf

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/142>, abgerufen am 27.06.2024.