Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.zuweilen geschieht; dadurch wurde wenigstens eine formale, künstlerische Einheit Der "Stoiker" macht, menschlich genommen, einen sehr wohlthuenden Ein¬ Ich zittre nur, ich slottrc nur, Bei weitem den meisten Werth unter all den angeregten Schriften hat die --> Das Wesen der Religion, im Gegensatz zum Götzendienst gefaßt, hat in 75*
zuweilen geschieht; dadurch wurde wenigstens eine formale, künstlerische Einheit Der „Stoiker" macht, menschlich genommen, einen sehr wohlthuenden Ein¬ Ich zittre nur, ich slottrc nur, Bei weitem den meisten Werth unter all den angeregten Schriften hat die —> Das Wesen der Religion, im Gegensatz zum Götzendienst gefaßt, hat in 75*
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zuweilen geschieht; dadurch wurde wenigstens eine formale, künstlerische Einheit
hineinkommen. In der Prosa begnügt man sich jetzt nicht mehr mit „Monologen"
in der Schleiermacherschen Manier; man will dialektische Schärfe und die Sicher¬
heit einer gelehrten Bildung. —
Der „Stoiker" macht, menschlich genommen, einen sehr wohlthuenden Ein¬
druck; ein Greis, der sich doch noch rüstig und mit jugendlicher Lebendigkeit mit
den ernsten Problemen der Philosophie und des Lebens beschäftigt. Er kann
mit Goethe's Künstler sagen:
Ich zittre nur, ich slottrc nur,
Und kann eS doch nicht lassen. —
Bei weitem den meisten Werth unter all den angeregten Schriften hat die
von Newman, obgleich mau bei der Seunmeutalilät des Titels sich auf Schlim¬
mes gefaßt macht. Aber gleich der erste Satz der Einleitung verscheucht diese
Furcht: „Alles menschliche Wissen ist, wie die menschliche Kraftanstrengung, be¬
schränkt; und unser Wissen besitzt dann die höchste Klarheit, wenn wir die Linie
scharf ziehen können, welche die Grenze anzeigt, wo das Nichtwissen beginnt."
Diesen ersten und wichtigsten Grundsatz aller Wissenschaft, deu unsere deutsche
Philosophie, die jede Frage unbesehen beantwortet, nnr zu hänfig ans den Au¬
gen läßt, wird in dem ganzen Werk, das sich mit der genetischen Entwickelung
des Gottesbegriffs ans der Natur der menschlichen Seele beschäftigt, streng fest¬
gehalten, und obgleich es der Verfasser fast ausschließlich mit Gefühlen zu thun
hat, verliert er darüber doch nie den gefunden Menschenverstand. — Freilich
geht ihm jene höhere philosophische Kühnheit ab, die uns eine Reihe der grö߬
ten Denker errungen hat: die Kühnheit, das Wesen nicht außerhalb der Erschei¬
nung, sondern in ihr; den Gegenstand der Empfindung in ihr selbst zu suchen. —
—> Das Wesen der Religion, im Gegensatz zum Götzendienst gefaßt, hat in
der Seele eine doppelte Geburt; theologisch ausgedrückt, die Anbetung und die
Sünde. Das Erste ist der Uebergang aus dem Entsetzen von der ihrem Wesen
nach uns fremden und schrecklichem Natur zum künstlerischen Gefühl ihrer innern
Harmonie und ihrer Größe, zum Schauer des Erhabenen. Das Zweite ist das
erschreckende Gefühl eiuer uns fremden, absolut unverständlichen Natur in uns
selbst, das Entsetzen vor uus selbst. Beides kaun begreiflicher Weise nicht in alle
Ewigkeit hin fortgesponnen werden, denn jedes starke Gefühl geht seiner Natur
nach schnell vorüber, die eigentliche Religion ist also ein Act, den die Theologie
nicht ungeschickt als Wiedergeburt bezeichnet. Sie enthält ferner in beiden Fällen
in ihrer Vorstellung einen Mangel an Befriedigung und die Sehnsucht nach einer
„Vermittelung," denn es befremdet uns selber, wie ein Konglomerat von Stein,
Erde, Creaturen, die wir einzeln geringschätzen, als Totalität das Gefühl deö
Erhabenen in uns erregen will, und wir substituiren dieser Empfindung, die ei¬
gentlich unserem eigenen Geist gilt, der diese Totalität künstlerisch producirt, ein
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