Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.ohnniächtige Scheinexistenz gehabt hatte. Der Beschluß vom 2^5. September d. I. Es thut dringend noth, daß gegenüber den Versuchen, die in dem Bundes¬ Alfred Tennyson. Die germanischen Stämme wohnen unter einem farblosem Himmel, als die ohnniächtige Scheinexistenz gehabt hatte. Der Beschluß vom 2^5. September d. I. Es thut dringend noth, daß gegenüber den Versuchen, die in dem Bundes¬ Alfred Tennyson. Die germanischen Stämme wohnen unter einem farblosem Himmel, als die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0071" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92360"/> <p xml:id="ID_216" prev="#ID_215"> ohnniächtige Scheinexistenz gehabt hatte. Der Beschluß vom 2^5. September d. I.<lb/> kann ein Todesstoß für die Monarchie in Deutschland werden, wenn man nicht<lb/> rasch Anstalten trifft, um die galvanische Kette, die denselben in die Fundamente<lb/> aller Throne fortzupflanzen droht, zu unterbrechen und die übrigen Throne, insbe¬<lb/> sondere den für Deutschlands Nuhe wichtigstem preußischen Thron, von der durch<lb/> jenen Beschluß erzeugten gewaltigen Strömung antimouarchischer Ideen zu isoliren.<lb/> Denn wie die letzten Monate des Jahres 58-48 Tausende republikanisch Gesinnter<lb/> in Deutschland plötzlich in Monarchisten umwandelten, so ist in der neuesten Zeit<lb/> eine große Auzahl aufrichtiger Monarchisten von Neuem irre geworden an der<lb/> Möglichkeit einer monarchischen Zukunft für Deutschland, da sie sehen, wie ver¬<lb/> blendet und fast wahnwitzig hier, wie schwach und würdelos dort das monarchische<lb/> Princip in seinen Trägern und Vertretern sich zeigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_217"> Es thut dringend noth, daß gegenüber den Versuchen, die in dem Bundes¬<lb/> palais zu Frankfurt mit so viel Behagen und so wenig gefunden Menschenverstand<lb/> gemacht werden, das monarchische Princip gründlich zu ruiniren, von dem Throne,<lb/> auf den alle aufrichtige Constitutionellen hoffend und erwartend Hinblicken, von dem<lb/> Preußischen Throne ein Wort und eine That ausgehe, an denen man erkenne,<lb/> daß es noch Monarchen gebe, denen Deutschland seine Zukunft getrost anver¬<lb/> trauen möge! ,</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Alfred Tennyson.</head><lb/> <p xml:id="ID_218" next="#ID_219"> Die germanischen Stämme wohnen unter einem farblosem Himmel, als die<lb/> Romanen, ihre Sprache fließt nicht mit dem schmeichlerischen Wohlklang der süd¬<lb/> lichen Laute über die Zunge; dafür hat ihnen die Natur ein seelenvolles Auge<lb/> für die Natur, ein innig empfängliches Ohr für Melodie und Rhythmus gegeben.<lb/> Die germanische Poesie hat von den ältesten Zeiten all mit sinniger Neugierde<lb/> und contemplativcr Sammlung den Geheimnissen der Natur zugesehen und sie<lb/> mit Rührung wiedergegeben; den Völkern des Südens mußten die Schätze, die<lb/> sie unbeachtet liegeu ließen, erst vou deu nordischen Barbaren erschlossen werden.<lb/> Ebenso gehört die geheimnißvolle Magie'der Musik dem Norden an. In der<lb/> lyrischen Poesie spricht sich das augenblicklich ans. Freilich scheint der sinnliche<lb/> Wohlklang der romanischen Sprachen die lyrischen Dichter zu unterstützen; im<lb/> Italienischen giebt es kein unsangbareö Wort, während die deutschen und engli-<lb/> schen Gurgellante sich gegen alle Melodie zu sträuben scheinen. Das ist aber nur<lb/> scheinbar, vielleicht weil die Kunst nnr dann gedeiht, wenn sie gegen Schwierig¬<lb/> keiten kämpfen muß. Die Rhythmen, welche die Romanen erfunden haben —<lb/> Sonett, Canzone, Stanze, Alexandriner — sind ein wahrer Hohn gegen alle</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0071]
ohnniächtige Scheinexistenz gehabt hatte. Der Beschluß vom 2^5. September d. I.
kann ein Todesstoß für die Monarchie in Deutschland werden, wenn man nicht
rasch Anstalten trifft, um die galvanische Kette, die denselben in die Fundamente
aller Throne fortzupflanzen droht, zu unterbrechen und die übrigen Throne, insbe¬
sondere den für Deutschlands Nuhe wichtigstem preußischen Thron, von der durch
jenen Beschluß erzeugten gewaltigen Strömung antimouarchischer Ideen zu isoliren.
Denn wie die letzten Monate des Jahres 58-48 Tausende republikanisch Gesinnter
in Deutschland plötzlich in Monarchisten umwandelten, so ist in der neuesten Zeit
eine große Auzahl aufrichtiger Monarchisten von Neuem irre geworden an der
Möglichkeit einer monarchischen Zukunft für Deutschland, da sie sehen, wie ver¬
blendet und fast wahnwitzig hier, wie schwach und würdelos dort das monarchische
Princip in seinen Trägern und Vertretern sich zeigt.
Es thut dringend noth, daß gegenüber den Versuchen, die in dem Bundes¬
palais zu Frankfurt mit so viel Behagen und so wenig gefunden Menschenverstand
gemacht werden, das monarchische Princip gründlich zu ruiniren, von dem Throne,
auf den alle aufrichtige Constitutionellen hoffend und erwartend Hinblicken, von dem
Preußischen Throne ein Wort und eine That ausgehe, an denen man erkenne,
daß es noch Monarchen gebe, denen Deutschland seine Zukunft getrost anver¬
trauen möge! ,
Alfred Tennyson.
Die germanischen Stämme wohnen unter einem farblosem Himmel, als die
Romanen, ihre Sprache fließt nicht mit dem schmeichlerischen Wohlklang der süd¬
lichen Laute über die Zunge; dafür hat ihnen die Natur ein seelenvolles Auge
für die Natur, ein innig empfängliches Ohr für Melodie und Rhythmus gegeben.
Die germanische Poesie hat von den ältesten Zeiten all mit sinniger Neugierde
und contemplativcr Sammlung den Geheimnissen der Natur zugesehen und sie
mit Rührung wiedergegeben; den Völkern des Südens mußten die Schätze, die
sie unbeachtet liegeu ließen, erst vou deu nordischen Barbaren erschlossen werden.
Ebenso gehört die geheimnißvolle Magie'der Musik dem Norden an. In der
lyrischen Poesie spricht sich das augenblicklich ans. Freilich scheint der sinnliche
Wohlklang der romanischen Sprachen die lyrischen Dichter zu unterstützen; im
Italienischen giebt es kein unsangbareö Wort, während die deutschen und engli-
schen Gurgellante sich gegen alle Melodie zu sträuben scheinen. Das ist aber nur
scheinbar, vielleicht weil die Kunst nnr dann gedeiht, wenn sie gegen Schwierig¬
keiten kämpfen muß. Die Rhythmen, welche die Romanen erfunden haben —
Sonett, Canzone, Stanze, Alexandriner — sind ein wahrer Hohn gegen alle
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