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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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einen Wendepunkt von größter Bedeutung in der Bewegung des Jahres 1848.
Es war die in gesetzlicher Form ausgesprochene Trennung derer, welche nur die
Freiheit mit der Ordnung im Bunde, welche eine volksthümliche, aber auch eine
starke Negierung erstrebten, von jenen, denen jede Regierung, jede Ordnung im
Staate zuwider war, die uuter dem Namen der Volkssouveränetät nur die rohe
Massengewalt herbeiführen wollten. Diese Letzten hatten es leider dahin ge¬
bracht, das; ein solcher Rückschlag erfolgen mußte -- sie sind anzuklagen, wenn
dieser Rückschlag zum Theil wieder über das Ziel hinausführte, welches wenigstens
die Frankfurter Majorität bei ihrem Beschlusse vom 20. Nov. 1848 fest im Ange
hatte, wenn die Freiheit und die constitntimielle Entwickelung zum Theil mit un¬
terdrückt und gehemmt ward, während man dort nur deren reine, unverfälschte
Herstellung bezweckte durch Unterdrückung der anarchischen Elemente, die sich ihr
beigesellt hatten.

Der sogenannte Bnndesbeschluß vom 24. Sept. d. I. wird auch eiuen Wen¬
depunkt bilden in der Geschichte des Jahres 1850. In ihm hat die Reaction
ihren Höhepunkt erreicht, und der Rückschlag wird nicht ausbleiben. Wie im
Jahre 1848 eine Zeit laug die Konstitutionellen mit der Demokratie gingen, bis der
Riß zwischen den lediglich destructiven Tendenzen dieser letztern und den aufrich¬
tig organisatorischen Bestrebungen jener erstem unheilbar ward, so haben gar
manche wohlmeinende Leute in dieser letzten Zeit sich der sogenannten Partei der Ord¬
nung angeschlossen, weil sie meinten, daß diese wirklich ehrlich nur eine vernünf-
tige Ordnung wolle, welche den besonnenen, gemäßigten Freiheitögcbrauch nicht
ausschließe. Diese aufrichtigen Freunde der Ordnung werden jetzt inne werden,
wie man sie getäuscht hat, wie die Reaction mit dem Symbol der Ordnung
einen uicht minder schnöden Mißbrauch treibt, als ein gewisser Theil der Demo¬
kratie mit dem Namen der Freiheit und der Volkssouveränetät, wie die Reaction
keineswegs den vernünftigen Fortschritt erstrebt, sondern den unvernünftigsten
Rückschritt. Der Beschluß vom 24. Sept. wird die Grenzscheide und der Mark¬
stein sein für die sich maßlos überstürzende Reaction, wie der Beschluß vom
20. Nov. 1848 sammt dem, was ihm vorausgegangen, ein solcher für die Zügellosig-
keiten der Demokratie ward. Wie die Strömung der öffentlichen Meinung, .die
bis zum November 1848 immer noch, namentlich in Preußen, uach der Seite
der demokratischen Idee hin ging, damals sich plötzlich auf die andere Seite hin¬
überwarf und eine Richtung nahm, in der sie seitdem oft selbst über das rechte
Maß hinansfluthete, -- so wird aller Wahrscheinlichkeit nach jetzt abermals eine
Gegenströmung eintreten, und gebe uur Gott, daß uicht auch diesmal wieder das
rechte Gleichgewicht verloren gehe, die rechte Mitte verfehlt werde!

Durch die Ereignisse, welche den Beschluß vom 20. November 1848 herbei¬
führten, so wie durch diesen selbst, ward das monarchische Princip, und nicht in
Preußen allein wesentlich wieder gekräftigt, nachdem es lange fast nur noch eine


einen Wendepunkt von größter Bedeutung in der Bewegung des Jahres 1848.
Es war die in gesetzlicher Form ausgesprochene Trennung derer, welche nur die
Freiheit mit der Ordnung im Bunde, welche eine volksthümliche, aber auch eine
starke Negierung erstrebten, von jenen, denen jede Regierung, jede Ordnung im
Staate zuwider war, die uuter dem Namen der Volkssouveränetät nur die rohe
Massengewalt herbeiführen wollten. Diese Letzten hatten es leider dahin ge¬
bracht, das; ein solcher Rückschlag erfolgen mußte -- sie sind anzuklagen, wenn
dieser Rückschlag zum Theil wieder über das Ziel hinausführte, welches wenigstens
die Frankfurter Majorität bei ihrem Beschlusse vom 20. Nov. 1848 fest im Ange
hatte, wenn die Freiheit und die constitntimielle Entwickelung zum Theil mit un¬
terdrückt und gehemmt ward, während man dort nur deren reine, unverfälschte
Herstellung bezweckte durch Unterdrückung der anarchischen Elemente, die sich ihr
beigesellt hatten.

Der sogenannte Bnndesbeschluß vom 24. Sept. d. I. wird auch eiuen Wen¬
depunkt bilden in der Geschichte des Jahres 1850. In ihm hat die Reaction
ihren Höhepunkt erreicht, und der Rückschlag wird nicht ausbleiben. Wie im
Jahre 1848 eine Zeit laug die Konstitutionellen mit der Demokratie gingen, bis der
Riß zwischen den lediglich destructiven Tendenzen dieser letztern und den aufrich¬
tig organisatorischen Bestrebungen jener erstem unheilbar ward, so haben gar
manche wohlmeinende Leute in dieser letzten Zeit sich der sogenannten Partei der Ord¬
nung angeschlossen, weil sie meinten, daß diese wirklich ehrlich nur eine vernünf-
tige Ordnung wolle, welche den besonnenen, gemäßigten Freiheitögcbrauch nicht
ausschließe. Diese aufrichtigen Freunde der Ordnung werden jetzt inne werden,
wie man sie getäuscht hat, wie die Reaction mit dem Symbol der Ordnung
einen uicht minder schnöden Mißbrauch treibt, als ein gewisser Theil der Demo¬
kratie mit dem Namen der Freiheit und der Volkssouveränetät, wie die Reaction
keineswegs den vernünftigen Fortschritt erstrebt, sondern den unvernünftigsten
Rückschritt. Der Beschluß vom 24. Sept. wird die Grenzscheide und der Mark¬
stein sein für die sich maßlos überstürzende Reaction, wie der Beschluß vom
20. Nov. 1848 sammt dem, was ihm vorausgegangen, ein solcher für die Zügellosig-
keiten der Demokratie ward. Wie die Strömung der öffentlichen Meinung, .die
bis zum November 1848 immer noch, namentlich in Preußen, uach der Seite
der demokratischen Idee hin ging, damals sich plötzlich auf die andere Seite hin¬
überwarf und eine Richtung nahm, in der sie seitdem oft selbst über das rechte
Maß hinansfluthete, — so wird aller Wahrscheinlichkeit nach jetzt abermals eine
Gegenströmung eintreten, und gebe uur Gott, daß uicht auch diesmal wieder das
rechte Gleichgewicht verloren gehe, die rechte Mitte verfehlt werde!

Durch die Ereignisse, welche den Beschluß vom 20. November 1848 herbei¬
führten, so wie durch diesen selbst, ward das monarchische Princip, und nicht in
Preußen allein wesentlich wieder gekräftigt, nachdem es lange fast nur noch eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/70>, abgerufen am 01.09.2024.