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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Princip sich von den Ereignissen habe treiben, daß es die Negierung ans die
Stände habe übergehen lassen, daß es anch, abgesehen von seinen legislatorischen
Acten, der kühn auftretenden Demokratie nicht kühn und entschieden mit der Macht
des Geistes entgegengetreten sei. Auch in diesem Vorwurf ist neben manchem
Wahrheitskörnlein viel Uebertreibung enthalten. Es ist wahr, daß der ,,jugendliche
Laudtagsconnnissär" gegenüber den Impertinenzen der äußersten Linken in der
vorletzten Kammer öfters eine zu bescheidene Rolle gespielt hat, so daß man ihm
eine Dosis -- nicht gerade von Scheffer'S Grobheit, aber doch von dessen Kraft
nud Schlagfertigkeit wünschen mußte. Auch Eberhard, als Mitglied dieser Kammer,
hat gar manchmal geschwiegen, wo er gegen verlockende und doch unfruchtbare
oder gefährliche Theorien laut hätte reden sollen. Aber in entscheidenden Mo¬
menten hat auch er und das ganze Ministerium Festigkeit gezeigt. So entschied
sich dasselbe gegen die stürmisch geforderte Auflösung der vormärzlichen Stände-
versammlung, obgleich dieselbe uuter dem Einfluß des Ministeriums Scheffer ge¬
wählt war und ihrer Mehrheit uach sich dem damaligen Regierungssystem ergeben
gezeigt hatte; so widerstand es dem in den Märztagen laut erschallenden Rufe
nach eiuer allgemeinen Revision der Lerfassungsurkuude oder gar uach eiuer con-
stituirenden Versammlung, und wenn in dieser Hinsicht dem März-Ministerium ein
gerechter Vorwurf gemacht werden kann, so ist eS der, daß es mit Rücksicht auf
die klar vorliegende" Erfahrungen der Vergangenheit -- ans die Eludirung der
Ministerverantwortlichkeit durch Beschlüsse des Gesammt-Staatsministeriums, auf
die Nichtachtung des ständischen AusgabcnverwilligungSrechtes, dem Scheffer durch
Wort und That unzählige Mal Hohn gesprochen, auf das oberstgerichtliche Prä-
judicinm gegen das dem permanenten Ausschuß gebührende Recht der Miuisterauklage
-- zu wenig Aenderungen oder authentische Erläuterungen der Verfassungsurkunde
hat eintreten lassen. Ich erinnere ferner an die von Eberhard's eignen Partei¬
genossen (Henkel, Victor, Oetker u. f. w.) wiederholt gestellten Anträge ans Besei¬
tigung des absoluten Veto. Damals erklärte Eberhard in der Ständeversammlung:
"Die Regierung wird der weitern Entwicklung unsrer Verfassungsurkunde nicht
in den Weg treten; sie sieht aber auch ein, daß eine freisinnige Verfassung
eine kräftige Regierung fordert, und sie darf daher im wahren Interesse
des Laudes die zur Handhabung der verfassungsmäßigen Institutionen erforderliche
Kraft nicht aufgeben. Die Regierung wird sich deshalb von den Grundprincipien
unsrer Verfassung nicht entfernen, wird nicht zugeben, daß gewissermaßen die
Stellung der Ständeversammlung und der Regierung gewechselt werde, wie dies
dnrch den gestellten Antrag geschehen würde." Ich erinnere ferner an den Sturmlauf
sämmtlicher demokratischen Vereine des Kurstaats im Mai des Jahres 1849, ver¬
mittelst dessen die Beschwörung der Reichsverfassung durchgesetzt werden sollte.
Aber das Ministerium stand fest und verhütete in jener bewegten Zeit einen Mi߬
brauch des Eides, deu in Würtemberg nicht einmal der energische Römer abzn-


Princip sich von den Ereignissen habe treiben, daß es die Negierung ans die
Stände habe übergehen lassen, daß es anch, abgesehen von seinen legislatorischen
Acten, der kühn auftretenden Demokratie nicht kühn und entschieden mit der Macht
des Geistes entgegengetreten sei. Auch in diesem Vorwurf ist neben manchem
Wahrheitskörnlein viel Uebertreibung enthalten. Es ist wahr, daß der ,,jugendliche
Laudtagsconnnissär" gegenüber den Impertinenzen der äußersten Linken in der
vorletzten Kammer öfters eine zu bescheidene Rolle gespielt hat, so daß man ihm
eine Dosis — nicht gerade von Scheffer'S Grobheit, aber doch von dessen Kraft
nud Schlagfertigkeit wünschen mußte. Auch Eberhard, als Mitglied dieser Kammer,
hat gar manchmal geschwiegen, wo er gegen verlockende und doch unfruchtbare
oder gefährliche Theorien laut hätte reden sollen. Aber in entscheidenden Mo¬
menten hat auch er und das ganze Ministerium Festigkeit gezeigt. So entschied
sich dasselbe gegen die stürmisch geforderte Auflösung der vormärzlichen Stände-
versammlung, obgleich dieselbe uuter dem Einfluß des Ministeriums Scheffer ge¬
wählt war und ihrer Mehrheit uach sich dem damaligen Regierungssystem ergeben
gezeigt hatte; so widerstand es dem in den Märztagen laut erschallenden Rufe
nach eiuer allgemeinen Revision der Lerfassungsurkuude oder gar uach eiuer con-
stituirenden Versammlung, und wenn in dieser Hinsicht dem März-Ministerium ein
gerechter Vorwurf gemacht werden kann, so ist eS der, daß es mit Rücksicht auf
die klar vorliegende« Erfahrungen der Vergangenheit — ans die Eludirung der
Ministerverantwortlichkeit durch Beschlüsse des Gesammt-Staatsministeriums, auf
die Nichtachtung des ständischen AusgabcnverwilligungSrechtes, dem Scheffer durch
Wort und That unzählige Mal Hohn gesprochen, auf das oberstgerichtliche Prä-
judicinm gegen das dem permanenten Ausschuß gebührende Recht der Miuisterauklage
— zu wenig Aenderungen oder authentische Erläuterungen der Verfassungsurkunde
hat eintreten lassen. Ich erinnere ferner an die von Eberhard's eignen Partei¬
genossen (Henkel, Victor, Oetker u. f. w.) wiederholt gestellten Anträge ans Besei¬
tigung des absoluten Veto. Damals erklärte Eberhard in der Ständeversammlung:
„Die Regierung wird der weitern Entwicklung unsrer Verfassungsurkunde nicht
in den Weg treten; sie sieht aber auch ein, daß eine freisinnige Verfassung
eine kräftige Regierung fordert, und sie darf daher im wahren Interesse
des Laudes die zur Handhabung der verfassungsmäßigen Institutionen erforderliche
Kraft nicht aufgeben. Die Regierung wird sich deshalb von den Grundprincipien
unsrer Verfassung nicht entfernen, wird nicht zugeben, daß gewissermaßen die
Stellung der Ständeversammlung und der Regierung gewechselt werde, wie dies
dnrch den gestellten Antrag geschehen würde." Ich erinnere ferner an den Sturmlauf
sämmtlicher demokratischen Vereine des Kurstaats im Mai des Jahres 1849, ver¬
mittelst dessen die Beschwörung der Reichsverfassung durchgesetzt werden sollte.
Aber das Ministerium stand fest und verhütete in jener bewegten Zeit einen Mi߬
brauch des Eides, deu in Würtemberg nicht einmal der energische Römer abzn-


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[0511] Princip sich von den Ereignissen habe treiben, daß es die Negierung ans die Stände habe übergehen lassen, daß es anch, abgesehen von seinen legislatorischen Acten, der kühn auftretenden Demokratie nicht kühn und entschieden mit der Macht des Geistes entgegengetreten sei. Auch in diesem Vorwurf ist neben manchem Wahrheitskörnlein viel Uebertreibung enthalten. Es ist wahr, daß der ,,jugendliche Laudtagsconnnissär" gegenüber den Impertinenzen der äußersten Linken in der vorletzten Kammer öfters eine zu bescheidene Rolle gespielt hat, so daß man ihm eine Dosis — nicht gerade von Scheffer'S Grobheit, aber doch von dessen Kraft nud Schlagfertigkeit wünschen mußte. Auch Eberhard, als Mitglied dieser Kammer, hat gar manchmal geschwiegen, wo er gegen verlockende und doch unfruchtbare oder gefährliche Theorien laut hätte reden sollen. Aber in entscheidenden Mo¬ menten hat auch er und das ganze Ministerium Festigkeit gezeigt. So entschied sich dasselbe gegen die stürmisch geforderte Auflösung der vormärzlichen Stände- versammlung, obgleich dieselbe uuter dem Einfluß des Ministeriums Scheffer ge¬ wählt war und ihrer Mehrheit uach sich dem damaligen Regierungssystem ergeben gezeigt hatte; so widerstand es dem in den Märztagen laut erschallenden Rufe nach eiuer allgemeinen Revision der Lerfassungsurkuude oder gar uach eiuer con- stituirenden Versammlung, und wenn in dieser Hinsicht dem März-Ministerium ein gerechter Vorwurf gemacht werden kann, so ist eS der, daß es mit Rücksicht auf die klar vorliegende« Erfahrungen der Vergangenheit — ans die Eludirung der Ministerverantwortlichkeit durch Beschlüsse des Gesammt-Staatsministeriums, auf die Nichtachtung des ständischen AusgabcnverwilligungSrechtes, dem Scheffer durch Wort und That unzählige Mal Hohn gesprochen, auf das oberstgerichtliche Prä- judicinm gegen das dem permanenten Ausschuß gebührende Recht der Miuisterauklage — zu wenig Aenderungen oder authentische Erläuterungen der Verfassungsurkunde hat eintreten lassen. Ich erinnere ferner an die von Eberhard's eignen Partei¬ genossen (Henkel, Victor, Oetker u. f. w.) wiederholt gestellten Anträge ans Besei¬ tigung des absoluten Veto. Damals erklärte Eberhard in der Ständeversammlung: „Die Regierung wird der weitern Entwicklung unsrer Verfassungsurkunde nicht in den Weg treten; sie sieht aber auch ein, daß eine freisinnige Verfassung eine kräftige Regierung fordert, und sie darf daher im wahren Interesse des Laudes die zur Handhabung der verfassungsmäßigen Institutionen erforderliche Kraft nicht aufgeben. Die Regierung wird sich deshalb von den Grundprincipien unsrer Verfassung nicht entfernen, wird nicht zugeben, daß gewissermaßen die Stellung der Ständeversammlung und der Regierung gewechselt werde, wie dies dnrch den gestellten Antrag geschehen würde." Ich erinnere ferner an den Sturmlauf sämmtlicher demokratischen Vereine des Kurstaats im Mai des Jahres 1849, ver¬ mittelst dessen die Beschwörung der Reichsverfassung durchgesetzt werden sollte. Aber das Ministerium stand fest und verhütete in jener bewegten Zeit einen Mi߬ brauch des Eides, deu in Würtemberg nicht einmal der energische Römer abzn-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/511>, abgerufen am 22.07.2024.