Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

dein Eintritt der Ungarn und Italiener anzuerkennen, obwohl daran noch
zu zweifeln ist. Es würde anerkennen, in der Aussicht, in der letzten, traurigen
welche anch uns bleibt: daß dies Bündniß, falls es überhaupt zu Stande kommt,
vom Tage seiner Geburt an so viele Keime des Todes entwickeln wird, daß
dauernde Gefahren für die liberale Partei in Deutschland davon kaum zu
fürchten siud.




Schlesische Gedichte von Karl v. Holtet.

Ju neuem Rocke sitzen die kleinen Verse zusammen, welche seit einer Reihe
von Jahren das Herz der Schlesier erfreut haben. Gar wenig kennt man in
dem übrigen Deutschland das schöne Grenzland gegen Polen, wo die gelbe Oder
noch jung und unruhig durch weite Thalflächen zieht und der Granitwall des Ge¬
birges von gräulichen Riesen gegen das alte Hnssitenland Böhmen aufgeworfen
ward. Und wenig kennt man das Volk, das dort zwischen Berg und Stromthal
lebt; es wohnt ein bischen entlegen, und im Winkel. Das fühlt man in Schlesien
und sendet deshalb Boten dnrch die deutschen Lande, damit sie als gute Schreier,
als Maler, Dichter, Musiker, Schauspieler der Menschheit verkünden, was für
Leute hinter deu alten Bergen wohnen. Auch Holtei ist ausgesandt wordeu, schlesische
Laune, Sitte, Poeterei und Sprache in der Welt zu verbreiten, und den Schlesiern
Ruhm zu verschaffen. Und er hat ihn redlich verschafft. Er ist unglaublich viel
herumgereis't und hat ungeheuer viel gethan, sein Vaterland berühmt zu machen;
hat Stücke geschrieben, Lebensläufe verfaßt, Gedichte gemacht, Komödie gespielt,
Theater regiert, gesungen und vorgelesen; Alles mit Gemüthlichkeit und Gefühl,
wie es dem Schlesier geziemt. Auf dem deutschen Parnaß, welcher übrigens jetzt
etwas flach geworden ist und gar keinen unangenehmen Gipfel mehr hat, sitzen
sehr viele Schlesier -- ich glaube, die Hälfte aller vorhandenen Poeten sind
Schlesier -- aber Holtei ist der größte; in alleu Orten Deutschlands sitzen sehr
viele behagliche und ausgezeichnete Menschen, welche sich von andern Menschen
dadurch unterscheiden, daß sie bei dem Mittagessen sagen: "Suppen ber ok ä
brinkel" und nach dem Essen: "Wohl gespeist zu haben", aber von allen diesen
kann keiner die Worte so sagen, wie der behaglichste und ausgezeichnetste uuter
ihnen, nämlich Holtei. Es ist hier durchaus nicht die Absicht, Holtei's Verdienste
um Literatur und Theater auszuführen, es ist jetzt nur Holtei der Schlesier, um
den es sich handelt, denn er ist der ächte und unverfälschte Repräsentant der Em-


dein Eintritt der Ungarn und Italiener anzuerkennen, obwohl daran noch
zu zweifeln ist. Es würde anerkennen, in der Aussicht, in der letzten, traurigen
welche anch uns bleibt: daß dies Bündniß, falls es überhaupt zu Stande kommt,
vom Tage seiner Geburt an so viele Keime des Todes entwickeln wird, daß
dauernde Gefahren für die liberale Partei in Deutschland davon kaum zu
fürchten siud.




Schlesische Gedichte von Karl v. Holtet.

Ju neuem Rocke sitzen die kleinen Verse zusammen, welche seit einer Reihe
von Jahren das Herz der Schlesier erfreut haben. Gar wenig kennt man in
dem übrigen Deutschland das schöne Grenzland gegen Polen, wo die gelbe Oder
noch jung und unruhig durch weite Thalflächen zieht und der Granitwall des Ge¬
birges von gräulichen Riesen gegen das alte Hnssitenland Böhmen aufgeworfen
ward. Und wenig kennt man das Volk, das dort zwischen Berg und Stromthal
lebt; es wohnt ein bischen entlegen, und im Winkel. Das fühlt man in Schlesien
und sendet deshalb Boten dnrch die deutschen Lande, damit sie als gute Schreier,
als Maler, Dichter, Musiker, Schauspieler der Menschheit verkünden, was für
Leute hinter deu alten Bergen wohnen. Auch Holtei ist ausgesandt wordeu, schlesische
Laune, Sitte, Poeterei und Sprache in der Welt zu verbreiten, und den Schlesiern
Ruhm zu verschaffen. Und er hat ihn redlich verschafft. Er ist unglaublich viel
herumgereis't und hat ungeheuer viel gethan, sein Vaterland berühmt zu machen;
hat Stücke geschrieben, Lebensläufe verfaßt, Gedichte gemacht, Komödie gespielt,
Theater regiert, gesungen und vorgelesen; Alles mit Gemüthlichkeit und Gefühl,
wie es dem Schlesier geziemt. Auf dem deutschen Parnaß, welcher übrigens jetzt
etwas flach geworden ist und gar keinen unangenehmen Gipfel mehr hat, sitzen
sehr viele Schlesier — ich glaube, die Hälfte aller vorhandenen Poeten sind
Schlesier — aber Holtei ist der größte; in alleu Orten Deutschlands sitzen sehr
viele behagliche und ausgezeichnete Menschen, welche sich von andern Menschen
dadurch unterscheiden, daß sie bei dem Mittagessen sagen: „Suppen ber ok ä
brinkel" und nach dem Essen: „Wohl gespeist zu haben", aber von allen diesen
kann keiner die Worte so sagen, wie der behaglichste und ausgezeichnetste uuter
ihnen, nämlich Holtei. Es ist hier durchaus nicht die Absicht, Holtei's Verdienste
um Literatur und Theater auszuführen, es ist jetzt nur Holtei der Schlesier, um
den es sich handelt, denn er ist der ächte und unverfälschte Repräsentant der Em-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0494" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92783"/>
          <p xml:id="ID_1584" prev="#ID_1583"> dein Eintritt der Ungarn und Italiener anzuerkennen, obwohl daran noch<lb/>
zu zweifeln ist. Es würde anerkennen, in der Aussicht, in der letzten, traurigen<lb/>
welche anch uns bleibt: daß dies Bündniß, falls es überhaupt zu Stande kommt,<lb/>
vom Tage seiner Geburt an so viele Keime des Todes entwickeln wird, daß<lb/>
dauernde Gefahren für die liberale Partei in Deutschland davon kaum zu<lb/>
fürchten siud.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Schlesische Gedichte von Karl v. Holtet.<lb/></head><lb/>
          <p xml:id="ID_1585" next="#ID_1586"> Ju neuem Rocke sitzen die kleinen Verse zusammen, welche seit einer Reihe<lb/>
von Jahren das Herz der Schlesier erfreut haben. Gar wenig kennt man in<lb/>
dem übrigen Deutschland das schöne Grenzland gegen Polen, wo die gelbe Oder<lb/>
noch jung und unruhig durch weite Thalflächen zieht und der Granitwall des Ge¬<lb/>
birges von gräulichen Riesen gegen das alte Hnssitenland Böhmen aufgeworfen<lb/>
ward. Und wenig kennt man das Volk, das dort zwischen Berg und Stromthal<lb/>
lebt; es wohnt ein bischen entlegen, und im Winkel. Das fühlt man in Schlesien<lb/>
und sendet deshalb Boten dnrch die deutschen Lande, damit sie als gute Schreier,<lb/>
als Maler, Dichter, Musiker, Schauspieler der Menschheit verkünden, was für<lb/>
Leute hinter deu alten Bergen wohnen. Auch Holtei ist ausgesandt wordeu, schlesische<lb/>
Laune, Sitte, Poeterei und Sprache in der Welt zu verbreiten, und den Schlesiern<lb/>
Ruhm zu verschaffen. Und er hat ihn redlich verschafft. Er ist unglaublich viel<lb/>
herumgereis't und hat ungeheuer viel gethan, sein Vaterland berühmt zu machen;<lb/>
hat Stücke geschrieben, Lebensläufe verfaßt, Gedichte gemacht, Komödie gespielt,<lb/>
Theater regiert, gesungen und vorgelesen; Alles mit Gemüthlichkeit und Gefühl,<lb/>
wie es dem Schlesier geziemt. Auf dem deutschen Parnaß, welcher übrigens jetzt<lb/>
etwas flach geworden ist und gar keinen unangenehmen Gipfel mehr hat, sitzen<lb/>
sehr viele Schlesier &#x2014; ich glaube, die Hälfte aller vorhandenen Poeten sind<lb/>
Schlesier &#x2014; aber Holtei ist der größte; in alleu Orten Deutschlands sitzen sehr<lb/>
viele behagliche und ausgezeichnete Menschen, welche sich von andern Menschen<lb/>
dadurch unterscheiden, daß sie bei dem Mittagessen sagen: &#x201E;Suppen ber ok ä<lb/>
brinkel" und nach dem Essen: &#x201E;Wohl gespeist zu haben", aber von allen diesen<lb/>
kann keiner die Worte so sagen, wie der behaglichste und ausgezeichnetste uuter<lb/>
ihnen, nämlich Holtei. Es ist hier durchaus nicht die Absicht, Holtei's Verdienste<lb/>
um Literatur und Theater auszuführen, es ist jetzt nur Holtei der Schlesier, um<lb/>
den es sich handelt, denn er ist der ächte und unverfälschte Repräsentant der Em-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0494] dein Eintritt der Ungarn und Italiener anzuerkennen, obwohl daran noch zu zweifeln ist. Es würde anerkennen, in der Aussicht, in der letzten, traurigen welche anch uns bleibt: daß dies Bündniß, falls es überhaupt zu Stande kommt, vom Tage seiner Geburt an so viele Keime des Todes entwickeln wird, daß dauernde Gefahren für die liberale Partei in Deutschland davon kaum zu fürchten siud. Schlesische Gedichte von Karl v. Holtet. Ju neuem Rocke sitzen die kleinen Verse zusammen, welche seit einer Reihe von Jahren das Herz der Schlesier erfreut haben. Gar wenig kennt man in dem übrigen Deutschland das schöne Grenzland gegen Polen, wo die gelbe Oder noch jung und unruhig durch weite Thalflächen zieht und der Granitwall des Ge¬ birges von gräulichen Riesen gegen das alte Hnssitenland Böhmen aufgeworfen ward. Und wenig kennt man das Volk, das dort zwischen Berg und Stromthal lebt; es wohnt ein bischen entlegen, und im Winkel. Das fühlt man in Schlesien und sendet deshalb Boten dnrch die deutschen Lande, damit sie als gute Schreier, als Maler, Dichter, Musiker, Schauspieler der Menschheit verkünden, was für Leute hinter deu alten Bergen wohnen. Auch Holtei ist ausgesandt wordeu, schlesische Laune, Sitte, Poeterei und Sprache in der Welt zu verbreiten, und den Schlesiern Ruhm zu verschaffen. Und er hat ihn redlich verschafft. Er ist unglaublich viel herumgereis't und hat ungeheuer viel gethan, sein Vaterland berühmt zu machen; hat Stücke geschrieben, Lebensläufe verfaßt, Gedichte gemacht, Komödie gespielt, Theater regiert, gesungen und vorgelesen; Alles mit Gemüthlichkeit und Gefühl, wie es dem Schlesier geziemt. Auf dem deutschen Parnaß, welcher übrigens jetzt etwas flach geworden ist und gar keinen unangenehmen Gipfel mehr hat, sitzen sehr viele Schlesier — ich glaube, die Hälfte aller vorhandenen Poeten sind Schlesier — aber Holtei ist der größte; in alleu Orten Deutschlands sitzen sehr viele behagliche und ausgezeichnete Menschen, welche sich von andern Menschen dadurch unterscheiden, daß sie bei dem Mittagessen sagen: „Suppen ber ok ä brinkel" und nach dem Essen: „Wohl gespeist zu haben", aber von allen diesen kann keiner die Worte so sagen, wie der behaglichste und ausgezeichnetste uuter ihnen, nämlich Holtei. Es ist hier durchaus nicht die Absicht, Holtei's Verdienste um Literatur und Theater auszuführen, es ist jetzt nur Holtei der Schlesier, um den es sich handelt, denn er ist der ächte und unverfälschte Repräsentant der Em-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/494
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/494>, abgerufen am 22.07.2024.