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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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von Bundeögesetzen für Preußen. Die Kammern müssen fordern, daß kein Ge¬
setz des Bundes Gesetzeskraft in Preußen erhält, ohne der Kammern Genehmi¬
gung. Welche Aussicht für die Zukunft! Vom ersten Tage des Bundes ab
wird gegen denselben ein erbitterter und unaufhörlicher Kampf in den einzelnen
Kammern entbrennen, und die Volksvertretung Preußens wird die Führerschaft
in diesem Streit übernehmen. So wird eine tödtliche Feindschaft entstehen
zwischen dem Bund und dem constitutionellen Leben der einzelnen Staaten;
vergebens wird die Bundesregierung sich im Anfang mühen liberal zu sein, und
mit Verwunderung werden die Liberalen sehen, daß sie über Nacht antideutsch,
specifische Patrioten geworden sind.

Das Ende dieses Kampfes zwischen dem Bund und dem repräsentativen System
wird entweder Unterdrückung des letztern, oder Sprengung des Bundes; im
erstem Fall der Beginn einer neuen Revolution gegen die Throne, im zweiten
freie Verewigung deutscher Staaten außer Oestreich zu einem Bundesstaat.

Wie gering anch die Befugniß der Centralbnndesbehörde gegenüber den
einzelnen Staaten sei, ihre Thätigkeit wird der Volksvertretung der größeren
Staaten immer Veranlassung und Recht zu kräftiger, mißtrauischer Opposition geben,
denn fast Alles, was die Executive veranlassen kann: Gesetze, Geldbeiträge, Trup¬
penbewegungen, fällt direct oder indirect der Beurtheilung dnrch die Volksver¬
tretung der Einzelstaaten anheim. -- Es ist nicht möglich, größere constitutionelle
Staaten dnrch eine Diplomateuverbindung zu regieren, es ist auch nicht möglich,
Oestreich und die deutschen Staaten durch eine Centralrepräsentation der Volkes
zusammenznlöthen. Hoffnungslos und resignirt muß der Einzelne diese freien
Konferenzen als einen neuen unglücklichen Versuch betrachten, unvermeidliche Con¬
flicte zu umgehen, als eine uuglückvcrheißeude Einführung innerer Widersprüche
und eine Vergrößerung der Schwierigkeiten, welche den Ausbau Preußens und
Deutschlands verhindern. Ein Bündniß zwischen Deutschland und Oestreich kann
nur bestehen, wenn es mit Regieren und execntiver Gewalt nichts zu thun hat.

Rußland soll im Anfange den Eintritt des ganzen Oestreichs in einen
deutschen Bund mit Unrnhe betrachtet haben. Ohne Zweifel hat es sich über¬
zeugt, daß dieser Bund dazu dienen kaun, die Eifersucht zwischeu Oestreich und
Preußen in das Gebiet gefahrloser Intriguen und politischer Spielereien hinüber-
zuleiten, daß er Rußlands Einfluß ans Deutschland aber noch vergrößern wird,
weil der Czaar uicht mehr nöthig hat, selbstständige Launen einzelner Staaten zu
fürchten, und weil die Opposition der liberalen Partei gegen den Bund die Re¬
gierungen dem Princip Rußlands immer mehr nähern wird. Ihm ist der Bund
eine Lebensversicherung der deutschen Regierungen, und er wird nöthigenfalls
die Kräfte dieser Societät für seine Zwecke benutzen. -- Es ist auch
möglich, daß England, von welchem schon längst die preußische Regie¬
rung achselzuckend aufgegeben wurde, sich bestimmen läßt, den Bund trotz


von Bundeögesetzen für Preußen. Die Kammern müssen fordern, daß kein Ge¬
setz des Bundes Gesetzeskraft in Preußen erhält, ohne der Kammern Genehmi¬
gung. Welche Aussicht für die Zukunft! Vom ersten Tage des Bundes ab
wird gegen denselben ein erbitterter und unaufhörlicher Kampf in den einzelnen
Kammern entbrennen, und die Volksvertretung Preußens wird die Führerschaft
in diesem Streit übernehmen. So wird eine tödtliche Feindschaft entstehen
zwischen dem Bund und dem constitutionellen Leben der einzelnen Staaten;
vergebens wird die Bundesregierung sich im Anfang mühen liberal zu sein, und
mit Verwunderung werden die Liberalen sehen, daß sie über Nacht antideutsch,
specifische Patrioten geworden sind.

Das Ende dieses Kampfes zwischen dem Bund und dem repräsentativen System
wird entweder Unterdrückung des letztern, oder Sprengung des Bundes; im
erstem Fall der Beginn einer neuen Revolution gegen die Throne, im zweiten
freie Verewigung deutscher Staaten außer Oestreich zu einem Bundesstaat.

Wie gering anch die Befugniß der Centralbnndesbehörde gegenüber den
einzelnen Staaten sei, ihre Thätigkeit wird der Volksvertretung der größeren
Staaten immer Veranlassung und Recht zu kräftiger, mißtrauischer Opposition geben,
denn fast Alles, was die Executive veranlassen kann: Gesetze, Geldbeiträge, Trup¬
penbewegungen, fällt direct oder indirect der Beurtheilung dnrch die Volksver¬
tretung der Einzelstaaten anheim. — Es ist nicht möglich, größere constitutionelle
Staaten dnrch eine Diplomateuverbindung zu regieren, es ist auch nicht möglich,
Oestreich und die deutschen Staaten durch eine Centralrepräsentation der Volkes
zusammenznlöthen. Hoffnungslos und resignirt muß der Einzelne diese freien
Konferenzen als einen neuen unglücklichen Versuch betrachten, unvermeidliche Con¬
flicte zu umgehen, als eine uuglückvcrheißeude Einführung innerer Widersprüche
und eine Vergrößerung der Schwierigkeiten, welche den Ausbau Preußens und
Deutschlands verhindern. Ein Bündniß zwischen Deutschland und Oestreich kann
nur bestehen, wenn es mit Regieren und execntiver Gewalt nichts zu thun hat.

Rußland soll im Anfange den Eintritt des ganzen Oestreichs in einen
deutschen Bund mit Unrnhe betrachtet haben. Ohne Zweifel hat es sich über¬
zeugt, daß dieser Bund dazu dienen kaun, die Eifersucht zwischeu Oestreich und
Preußen in das Gebiet gefahrloser Intriguen und politischer Spielereien hinüber-
zuleiten, daß er Rußlands Einfluß ans Deutschland aber noch vergrößern wird,
weil der Czaar uicht mehr nöthig hat, selbstständige Launen einzelner Staaten zu
fürchten, und weil die Opposition der liberalen Partei gegen den Bund die Re¬
gierungen dem Princip Rußlands immer mehr nähern wird. Ihm ist der Bund
eine Lebensversicherung der deutschen Regierungen, und er wird nöthigenfalls
die Kräfte dieser Societät für seine Zwecke benutzen. — Es ist auch
möglich, daß England, von welchem schon längst die preußische Regie¬
rung achselzuckend aufgegeben wurde, sich bestimmen läßt, den Bund trotz


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[0493] von Bundeögesetzen für Preußen. Die Kammern müssen fordern, daß kein Ge¬ setz des Bundes Gesetzeskraft in Preußen erhält, ohne der Kammern Genehmi¬ gung. Welche Aussicht für die Zukunft! Vom ersten Tage des Bundes ab wird gegen denselben ein erbitterter und unaufhörlicher Kampf in den einzelnen Kammern entbrennen, und die Volksvertretung Preußens wird die Führerschaft in diesem Streit übernehmen. So wird eine tödtliche Feindschaft entstehen zwischen dem Bund und dem constitutionellen Leben der einzelnen Staaten; vergebens wird die Bundesregierung sich im Anfang mühen liberal zu sein, und mit Verwunderung werden die Liberalen sehen, daß sie über Nacht antideutsch, specifische Patrioten geworden sind. Das Ende dieses Kampfes zwischen dem Bund und dem repräsentativen System wird entweder Unterdrückung des letztern, oder Sprengung des Bundes; im erstem Fall der Beginn einer neuen Revolution gegen die Throne, im zweiten freie Verewigung deutscher Staaten außer Oestreich zu einem Bundesstaat. Wie gering anch die Befugniß der Centralbnndesbehörde gegenüber den einzelnen Staaten sei, ihre Thätigkeit wird der Volksvertretung der größeren Staaten immer Veranlassung und Recht zu kräftiger, mißtrauischer Opposition geben, denn fast Alles, was die Executive veranlassen kann: Gesetze, Geldbeiträge, Trup¬ penbewegungen, fällt direct oder indirect der Beurtheilung dnrch die Volksver¬ tretung der Einzelstaaten anheim. — Es ist nicht möglich, größere constitutionelle Staaten dnrch eine Diplomateuverbindung zu regieren, es ist auch nicht möglich, Oestreich und die deutschen Staaten durch eine Centralrepräsentation der Volkes zusammenznlöthen. Hoffnungslos und resignirt muß der Einzelne diese freien Konferenzen als einen neuen unglücklichen Versuch betrachten, unvermeidliche Con¬ flicte zu umgehen, als eine uuglückvcrheißeude Einführung innerer Widersprüche und eine Vergrößerung der Schwierigkeiten, welche den Ausbau Preußens und Deutschlands verhindern. Ein Bündniß zwischen Deutschland und Oestreich kann nur bestehen, wenn es mit Regieren und execntiver Gewalt nichts zu thun hat. Rußland soll im Anfange den Eintritt des ganzen Oestreichs in einen deutschen Bund mit Unrnhe betrachtet haben. Ohne Zweifel hat es sich über¬ zeugt, daß dieser Bund dazu dienen kaun, die Eifersucht zwischeu Oestreich und Preußen in das Gebiet gefahrloser Intriguen und politischer Spielereien hinüber- zuleiten, daß er Rußlands Einfluß ans Deutschland aber noch vergrößern wird, weil der Czaar uicht mehr nöthig hat, selbstständige Launen einzelner Staaten zu fürchten, und weil die Opposition der liberalen Partei gegen den Bund die Re¬ gierungen dem Princip Rußlands immer mehr nähern wird. Ihm ist der Bund eine Lebensversicherung der deutschen Regierungen, und er wird nöthigenfalls die Kräfte dieser Societät für seine Zwecke benutzen. — Es ist auch möglich, daß England, von welchem schon längst die preußische Regie¬ rung achselzuckend aufgegeben wurde, sich bestimmen läßt, den Bund trotz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/493>, abgerufen am 22.07.2024.