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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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schien und die Häuser zusammenstürzten, nachdem sie vorher noch die nächsten
Hänser entzündet hatten.

Beim Anblick der armen brennenden Stadt verstummte Scherz und Laune,
die noch am Morgen hinter unseren Wällen geherrscht hatte; auch der Noheste
war ergriffen von der trostlosen Lage der Unglückliche" in der Stadt, die auf
keine Weise dem Jammer entfliehen konnten. Die Schrecken des Krieges traten
uns in ihrer gräßlichsten Gestalt vor die Angen. Schweigend stand die Schaar
und schaute in das Flammenmeer, das sich immer vergrößerte. Doch plötzlich
fuhr ein elektrischer Schlag durch Alle, neues Leben ergriff uns, vergessen war
das furchtbare Schauspiel vor uns, und Jubelschrei ging durch die Reihe. Der¬
selbe Adjutant, der uns vorgestern hierher gerufen, war wieder gekommen, und
wir Alle hatten gehört, wie er dem Abtheilungscommandeur, der gerade in un¬
serer Schanze war, deu Befehl unseres Brigadiers brachte, wornach sofort ein
allgemeiner Sturm beginnen sollte, indem auf dem Eiderdeich und auf dem links
vou der Chaussee belegenen Terrain Sturmcolouuen vorgehen sollten. Wenn
diese Erfolg hätten, würde auch auf der Chaussee und dem Threenedeich auge¬
griffen werden. Wir sollten benutzt werdeu, um zwischen diesen einzelnen Co-
lonnen durch Schützeuketteu Verbindung zu erhalten. Um den Feind zu be¬
schäftigen und einzuschüchtern, habe mau die Stadt in Brand geschossen. Noch
hatte der Adjutant uicht ausgesprochen, so sahen wir schon hinter uns die
Colonnen sich aufstellen, lange Wagenreihen mit Brückenmaterial herankommen,
und die Piouiercorps ihre Einrichtung zum Aufschlagen von Brücken treffen;
auch wir zögerten nicht: die Tornister wurden als hinderlich bei diesem Terrain
in der Schanze zurückgelassen, kurze Zeit, und wir waren rechts und links von
der Chaussee in langen Linien ausgeschwärmt und erwarteten am Boden gekauert
das Signal "Vorwärts."

Unterdeß war eS fast dunkel geworden und das schreckliche Schauspiel der
brennenden Stadt zeigte sich noch imposanter. Es brannten nicht mehr einzelne
Häuser, sondern ganze Straße" in gelbem, rothem und blauem Feuer; auch der
hohe Kirchthurm, der bis dahin wie ein schwarzer Niese im Feuermeer gestanden,
zeigte hier und da einzelne kleine Flammen, die aus deu Luken heransleckten;
nicht lange, so stand der stattliche Ban in einem unendlichen Flammenmeer und
beleuchtete mit seinem dnrch die Knpferdecknug blau gefärbten Lichte weithin die
Gegend. Die donnernden Kanonen, die prasselnden Kartätschen, die mit lautem
Gekrach platzenden Bomben und Granaten, die zischenden Raketen machten Musik
zu dem großen Trauerspiele, das vor uus aufgeführt wurde, und das kleine Ge¬
wehrfeuer, das mit großer Heftigkeit jetzt auf dem linken Flügel krachte, er¬
innerte uns, daß auch wir bald eine Rolle in dem Stücke spielen sollten.

Die Pioniere, welche den Sturmcvlonnen vorausgegangen waren, mußten
um ihren Brücken fertig sein; denn durch den Lärm hindurch konnten wir die


schien und die Häuser zusammenstürzten, nachdem sie vorher noch die nächsten
Hänser entzündet hatten.

Beim Anblick der armen brennenden Stadt verstummte Scherz und Laune,
die noch am Morgen hinter unseren Wällen geherrscht hatte; auch der Noheste
war ergriffen von der trostlosen Lage der Unglückliche« in der Stadt, die auf
keine Weise dem Jammer entfliehen konnten. Die Schrecken des Krieges traten
uns in ihrer gräßlichsten Gestalt vor die Angen. Schweigend stand die Schaar
und schaute in das Flammenmeer, das sich immer vergrößerte. Doch plötzlich
fuhr ein elektrischer Schlag durch Alle, neues Leben ergriff uns, vergessen war
das furchtbare Schauspiel vor uns, und Jubelschrei ging durch die Reihe. Der¬
selbe Adjutant, der uns vorgestern hierher gerufen, war wieder gekommen, und
wir Alle hatten gehört, wie er dem Abtheilungscommandeur, der gerade in un¬
serer Schanze war, deu Befehl unseres Brigadiers brachte, wornach sofort ein
allgemeiner Sturm beginnen sollte, indem auf dem Eiderdeich und auf dem links
vou der Chaussee belegenen Terrain Sturmcolouuen vorgehen sollten. Wenn
diese Erfolg hätten, würde auch auf der Chaussee und dem Threenedeich auge¬
griffen werden. Wir sollten benutzt werdeu, um zwischen diesen einzelnen Co-
lonnen durch Schützeuketteu Verbindung zu erhalten. Um den Feind zu be¬
schäftigen und einzuschüchtern, habe mau die Stadt in Brand geschossen. Noch
hatte der Adjutant uicht ausgesprochen, so sahen wir schon hinter uns die
Colonnen sich aufstellen, lange Wagenreihen mit Brückenmaterial herankommen,
und die Piouiercorps ihre Einrichtung zum Aufschlagen von Brücken treffen;
auch wir zögerten nicht: die Tornister wurden als hinderlich bei diesem Terrain
in der Schanze zurückgelassen, kurze Zeit, und wir waren rechts und links von
der Chaussee in langen Linien ausgeschwärmt und erwarteten am Boden gekauert
das Signal „Vorwärts."

Unterdeß war eS fast dunkel geworden und das schreckliche Schauspiel der
brennenden Stadt zeigte sich noch imposanter. Es brannten nicht mehr einzelne
Häuser, sondern ganze Straße« in gelbem, rothem und blauem Feuer; auch der
hohe Kirchthurm, der bis dahin wie ein schwarzer Niese im Feuermeer gestanden,
zeigte hier und da einzelne kleine Flammen, die aus deu Luken heransleckten;
nicht lange, so stand der stattliche Ban in einem unendlichen Flammenmeer und
beleuchtete mit seinem dnrch die Knpferdecknug blau gefärbten Lichte weithin die
Gegend. Die donnernden Kanonen, die prasselnden Kartätschen, die mit lautem
Gekrach platzenden Bomben und Granaten, die zischenden Raketen machten Musik
zu dem großen Trauerspiele, das vor uus aufgeführt wurde, und das kleine Ge¬
wehrfeuer, das mit großer Heftigkeit jetzt auf dem linken Flügel krachte, er¬
innerte uns, daß auch wir bald eine Rolle in dem Stücke spielen sollten.

Die Pioniere, welche den Sturmcvlonnen vorausgegangen waren, mußten
um ihren Brücken fertig sein; denn durch den Lärm hindurch konnten wir die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/463>, abgerufen am 22.07.2024.