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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Blockhäuser drüben zerstört, und Alles ist aus diesen in die Stadt gelaufen."
Davon hatten wir nun freilich nichts gesehen, und am Abend zeigte sich, daß es
ein großer Irrthum gewesen war. Die Dänen hatten uur ihr Geschütz zurück-
gezogen, weil sie von einigen Schützen aus deu vordem kleinen Schanzen zu sehr
beunruhigt wurden, ihre Blockhäuser aber waren ganz unversehrt. Doch damals
siel uus kein Zweifel an Tann's Worte bei. Wir sahen seiue heitere, siegesgewisse
Miene, die dem Soldaten stets so viel Zutrauen und Muth eingeflößt hatte, und
die Nuhe und Sicherheit, mit der er deu Artillerieosficiereu seiue Befehle gab.
Das Kopfschütteln und die bedenklichen Gesichter maucher erfahrenen Officiere und
derer, welche Friedrichstadt mit allen seinen Gräben kannten, störten uus in unserer
Zuversicht nicht.

Das Geschützfeuer, welches gegen Mittag schwächer geworden war, ward
in deu ersten Nachmittagsstunden heftig. Schuß aus Schuß donnerte aus den
im Halbkreise um die Stadt aufgestellten Batterien, und jetzt richtete sich das
Feuer uicht mehr ausschließlich gegen die feindliche" Werke, sondern auch, wie
wir mit Staunen wahrnahmen, gegen eiuzelue vor der Stadt gelegene hervor-
ragende Gebäude. Die Absicht, diese in Brand zu schießen wurde unzweifel¬
haft. Bald kam noch ein anderes Mittel deu Batterien zu Hilfe, indem mau
anfing, auf die dem Feuer geweihten Häuser Brandraketen zu werfen. In der
Nähe uuserer Schanze wurde vou einem Artillerieofsicier ein portatives Gestell,
einem Meßtisch ähnlich, aufgestellt, das bald anfing, seiue Feuerkugeln mit ihrem
langen Schweife in hohen Bogen durch die Luft zu treiben. Wenn diese auch
meistens schon in der Luft zerplatzten oder eine verkehrte Richtung nahmen und
die Stadt nicht erreichten, so standen doch in kurzer Zeit zwei schöne große Höfe,
einer am Threenedeich, einer zwischen der Chaussee und dem Eiderdeich, in hellen
Flammen und selbst in der Stadt stiegen einzelne Rauchsäulen auf und zeigten,
daß auch dort manche der Platzendell Bomben gezündet hatte. Durch das Nie-
derbrennen dieser Höfe, schienen die Dänen eine Lücke in ihren Befestigungswerken
erhalten zu haben; denn mit einmal wurde es dort lebendig. Nachdem das
Löschen des Feuers durch neue Salven verhindert war, entwickelten sich vor den
Flammen mit einem Male lange Linien Arbeiter, die Schanzen auszuwerfen
schienen. Augenblicklich prasselten die Kartätschcnladuugeu ans unsern 24-Pfündern,
und der Versuch ward aufgegeben.

Gegen Abend verdoppelte sich die Heftigkeit des Feuers, es ward nicht
mehr ans einzelne Pnnkte beschränkt, sondern es schien, als ob mit einem Male
die ganze Stadt vernichtet werden sollte. Eine Bombe nach der andern wurde
hineingeworfen, und währeud eiuzelue Rauchsäulen, die schon früher an manchen
Stellen aufgestiegen waren, wieder verschwanden, weil man des Feuers wieder
Herr geworden war, leckte jetzt bald hier bald dort die rothe Flamme aus dem
Dache eines Hauses, und nicht lange, so sahen wir, daß das Löschen aufgegeben


Blockhäuser drüben zerstört, und Alles ist aus diesen in die Stadt gelaufen."
Davon hatten wir nun freilich nichts gesehen, und am Abend zeigte sich, daß es
ein großer Irrthum gewesen war. Die Dänen hatten uur ihr Geschütz zurück-
gezogen, weil sie von einigen Schützen aus deu vordem kleinen Schanzen zu sehr
beunruhigt wurden, ihre Blockhäuser aber waren ganz unversehrt. Doch damals
siel uus kein Zweifel an Tann's Worte bei. Wir sahen seiue heitere, siegesgewisse
Miene, die dem Soldaten stets so viel Zutrauen und Muth eingeflößt hatte, und
die Nuhe und Sicherheit, mit der er deu Artillerieosficiereu seiue Befehle gab.
Das Kopfschütteln und die bedenklichen Gesichter maucher erfahrenen Officiere und
derer, welche Friedrichstadt mit allen seinen Gräben kannten, störten uus in unserer
Zuversicht nicht.

Das Geschützfeuer, welches gegen Mittag schwächer geworden war, ward
in deu ersten Nachmittagsstunden heftig. Schuß aus Schuß donnerte aus den
im Halbkreise um die Stadt aufgestellten Batterien, und jetzt richtete sich das
Feuer uicht mehr ausschließlich gegen die feindliche» Werke, sondern auch, wie
wir mit Staunen wahrnahmen, gegen eiuzelue vor der Stadt gelegene hervor-
ragende Gebäude. Die Absicht, diese in Brand zu schießen wurde unzweifel¬
haft. Bald kam noch ein anderes Mittel deu Batterien zu Hilfe, indem mau
anfing, auf die dem Feuer geweihten Häuser Brandraketen zu werfen. In der
Nähe uuserer Schanze wurde vou einem Artillerieofsicier ein portatives Gestell,
einem Meßtisch ähnlich, aufgestellt, das bald anfing, seiue Feuerkugeln mit ihrem
langen Schweife in hohen Bogen durch die Luft zu treiben. Wenn diese auch
meistens schon in der Luft zerplatzten oder eine verkehrte Richtung nahmen und
die Stadt nicht erreichten, so standen doch in kurzer Zeit zwei schöne große Höfe,
einer am Threenedeich, einer zwischen der Chaussee und dem Eiderdeich, in hellen
Flammen und selbst in der Stadt stiegen einzelne Rauchsäulen auf und zeigten,
daß auch dort manche der Platzendell Bomben gezündet hatte. Durch das Nie-
derbrennen dieser Höfe, schienen die Dänen eine Lücke in ihren Befestigungswerken
erhalten zu haben; denn mit einmal wurde es dort lebendig. Nachdem das
Löschen des Feuers durch neue Salven verhindert war, entwickelten sich vor den
Flammen mit einem Male lange Linien Arbeiter, die Schanzen auszuwerfen
schienen. Augenblicklich prasselten die Kartätschcnladuugeu ans unsern 24-Pfündern,
und der Versuch ward aufgegeben.

Gegen Abend verdoppelte sich die Heftigkeit des Feuers, es ward nicht
mehr ans einzelne Pnnkte beschränkt, sondern es schien, als ob mit einem Male
die ganze Stadt vernichtet werden sollte. Eine Bombe nach der andern wurde
hineingeworfen, und währeud eiuzelue Rauchsäulen, die schon früher an manchen
Stellen aufgestiegen waren, wieder verschwanden, weil man des Feuers wieder
Herr geworden war, leckte jetzt bald hier bald dort die rothe Flamme aus dem
Dache eines Hauses, und nicht lange, so sahen wir, daß das Löschen aufgegeben


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[0462] Blockhäuser drüben zerstört, und Alles ist aus diesen in die Stadt gelaufen." Davon hatten wir nun freilich nichts gesehen, und am Abend zeigte sich, daß es ein großer Irrthum gewesen war. Die Dänen hatten uur ihr Geschütz zurück- gezogen, weil sie von einigen Schützen aus deu vordem kleinen Schanzen zu sehr beunruhigt wurden, ihre Blockhäuser aber waren ganz unversehrt. Doch damals siel uus kein Zweifel an Tann's Worte bei. Wir sahen seiue heitere, siegesgewisse Miene, die dem Soldaten stets so viel Zutrauen und Muth eingeflößt hatte, und die Nuhe und Sicherheit, mit der er deu Artillerieosficiereu seiue Befehle gab. Das Kopfschütteln und die bedenklichen Gesichter maucher erfahrenen Officiere und derer, welche Friedrichstadt mit allen seinen Gräben kannten, störten uus in unserer Zuversicht nicht. Das Geschützfeuer, welches gegen Mittag schwächer geworden war, ward in deu ersten Nachmittagsstunden heftig. Schuß aus Schuß donnerte aus den im Halbkreise um die Stadt aufgestellten Batterien, und jetzt richtete sich das Feuer uicht mehr ausschließlich gegen die feindliche» Werke, sondern auch, wie wir mit Staunen wahrnahmen, gegen eiuzelue vor der Stadt gelegene hervor- ragende Gebäude. Die Absicht, diese in Brand zu schießen wurde unzweifel¬ haft. Bald kam noch ein anderes Mittel deu Batterien zu Hilfe, indem mau anfing, auf die dem Feuer geweihten Häuser Brandraketen zu werfen. In der Nähe uuserer Schanze wurde vou einem Artillerieofsicier ein portatives Gestell, einem Meßtisch ähnlich, aufgestellt, das bald anfing, seiue Feuerkugeln mit ihrem langen Schweife in hohen Bogen durch die Luft zu treiben. Wenn diese auch meistens schon in der Luft zerplatzten oder eine verkehrte Richtung nahmen und die Stadt nicht erreichten, so standen doch in kurzer Zeit zwei schöne große Höfe, einer am Threenedeich, einer zwischen der Chaussee und dem Eiderdeich, in hellen Flammen und selbst in der Stadt stiegen einzelne Rauchsäulen auf und zeigten, daß auch dort manche der Platzendell Bomben gezündet hatte. Durch das Nie- derbrennen dieser Höfe, schienen die Dänen eine Lücke in ihren Befestigungswerken erhalten zu haben; denn mit einmal wurde es dort lebendig. Nachdem das Löschen des Feuers durch neue Salven verhindert war, entwickelten sich vor den Flammen mit einem Male lange Linien Arbeiter, die Schanzen auszuwerfen schienen. Augenblicklich prasselten die Kartätschcnladuugeu ans unsern 24-Pfündern, und der Versuch ward aufgegeben. Gegen Abend verdoppelte sich die Heftigkeit des Feuers, es ward nicht mehr ans einzelne Pnnkte beschränkt, sondern es schien, als ob mit einem Male die ganze Stadt vernichtet werden sollte. Eine Bombe nach der andern wurde hineingeworfen, und währeud eiuzelue Rauchsäulen, die schon früher an manchen Stellen aufgestiegen waren, wieder verschwanden, weil man des Feuers wieder Herr geworden war, leckte jetzt bald hier bald dort die rothe Flamme aus dem Dache eines Hauses, und nicht lange, so sahen wir, daß das Löschen aufgegeben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/462>, abgerufen am 22.07.2024.