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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Handel und Wandel. Von F. V. Hackländer. ^) 2. B., Berlin, Franz
Dunker.

Es freut mich, einmal unbedingt loben zu können. Der Kreis, in dem sich
dieser kleine Roman bewegt, ist enge, er beschränkt sich auf eine Mühle, eine
Schnittwaarcnhandlnug und ein paar umliegen.de Häuser; aber man wird in
diesem Kreise vollständig vertraut, die einzelnen Figuren sind in scharfen Umrissen,
naturgetreu und mit lebendigen Farben gezeichnet, wir leben uuter wirklichen
Menschen, Menschen von Fleisch und Blut, uicht Schemen der Fieberphantasie oder
Reminiscenzen aus irgeud einem Compendium der Metaphysik. Es herrscht in
dieser Welt ein klarer Verstand und ein gesundes, tüchtiges Gemüth. Hackländer
würde ein deutscher Dickens werden -- ohne die Fehler des Briten, die über¬
triebene Plastik in der Sprache und die Mosaik in den Charakteren und Bege¬
benheiten -- wenn das deutsche Leben uicht so unendlich viel fauler und spie߬
bürgerlicher wäre als das britische. Aber auch wie er jetzt ist, steht er als eine
große Seltenheit unter den deutschen Romanschreibern da und verdient eine größere
Beachtung, als er bis jetzt -- im Ganzen genommen -- gefunden zu haben
scheint. Wir sind in der Reizbarkeit unsers Geschmackes so überschwenglich ge¬
worden, daß wir uns an eine einfache, gesunde Kost erst gewaltsam wieder
gewöhnen müssen -- denn der Pumpernickel der uncultivirten Bauernsprache mit
dem vaterländischen Gewürz der Dialekte ist doch nichts, als ein neuer Kant-xout,
der nicht dauern kann.




Herodes und Marianne.
Tragödie in 5 Acten von Fr. Hebbel. (Wien, Gerold.)

Herodes, König von Judäa, liebt seine Gemahlin Marianne so leidenschaft¬
lich, daß er auch nach seinem Tode ihren Besitz keinem Andern gönnen will. Als
er daher auf ein gefährliches Unternehmen ausgeht, befiehlt er heimlich einem
treuen Diener, sie zu tödten, wenn er nicht zurückkehrte. Er kehrt zurück, aber
sein Geheimniß ist verrathen, und in MariaMne's Seele verwandelt sich die Liebe
zu ihm in Haß gegen den Tyrannen.

Dies der Stoff, welcher bereits Calderon zu einem seiner Trauerspiele (et
mavvr mon8ti'ne) los izelos) Veranlassung gegeben hat. -- Calderon beschränkt
sich nach seiner gewöhnlichen Weise auf Ausmalung leidenschaftlicher Stimmungen



Frühere Schriften des Verfassers sind: Der Pilgerzug nach Mekka - Da-guerreotypen
aus dem Orient -- DaS Soldatenleben im Frieden (hat schon 3 Aufl.) -- Wacht-
stuVen-Abenteuer -- Humoristische Erzählungen -- Mährchen -- Bilder aus dem Leben.
Grenzboten. IV. 1850. 120

Handel und Wandel. Von F. V. Hackländer. ^) 2. B., Berlin, Franz
Dunker.

Es freut mich, einmal unbedingt loben zu können. Der Kreis, in dem sich
dieser kleine Roman bewegt, ist enge, er beschränkt sich auf eine Mühle, eine
Schnittwaarcnhandlnug und ein paar umliegen.de Häuser; aber man wird in
diesem Kreise vollständig vertraut, die einzelnen Figuren sind in scharfen Umrissen,
naturgetreu und mit lebendigen Farben gezeichnet, wir leben uuter wirklichen
Menschen, Menschen von Fleisch und Blut, uicht Schemen der Fieberphantasie oder
Reminiscenzen aus irgeud einem Compendium der Metaphysik. Es herrscht in
dieser Welt ein klarer Verstand und ein gesundes, tüchtiges Gemüth. Hackländer
würde ein deutscher Dickens werden — ohne die Fehler des Briten, die über¬
triebene Plastik in der Sprache und die Mosaik in den Charakteren und Bege¬
benheiten — wenn das deutsche Leben uicht so unendlich viel fauler und spie߬
bürgerlicher wäre als das britische. Aber auch wie er jetzt ist, steht er als eine
große Seltenheit unter den deutschen Romanschreibern da und verdient eine größere
Beachtung, als er bis jetzt — im Ganzen genommen — gefunden zu haben
scheint. Wir sind in der Reizbarkeit unsers Geschmackes so überschwenglich ge¬
worden, daß wir uns an eine einfache, gesunde Kost erst gewaltsam wieder
gewöhnen müssen — denn der Pumpernickel der uncultivirten Bauernsprache mit
dem vaterländischen Gewürz der Dialekte ist doch nichts, als ein neuer Kant-xout,
der nicht dauern kann.




Herodes und Marianne.
Tragödie in 5 Acten von Fr. Hebbel. (Wien, Gerold.)

Herodes, König von Judäa, liebt seine Gemahlin Marianne so leidenschaft¬
lich, daß er auch nach seinem Tode ihren Besitz keinem Andern gönnen will. Als
er daher auf ein gefährliches Unternehmen ausgeht, befiehlt er heimlich einem
treuen Diener, sie zu tödten, wenn er nicht zurückkehrte. Er kehrt zurück, aber
sein Geheimniß ist verrathen, und in MariaMne's Seele verwandelt sich die Liebe
zu ihm in Haß gegen den Tyrannen.

Dies der Stoff, welcher bereits Calderon zu einem seiner Trauerspiele (et
mavvr mon8ti'ne) los izelos) Veranlassung gegeben hat. — Calderon beschränkt
sich nach seiner gewöhnlichen Weise auf Ausmalung leidenschaftlicher Stimmungen



Frühere Schriften des Verfassers sind: Der Pilgerzug nach Mekka - Da-guerreotypen
aus dem Orient — DaS Soldatenleben im Frieden (hat schon 3 Aufl.) — Wacht-
stuVen-Abenteuer — Humoristische Erzählungen — Mährchen — Bilder aus dem Leben.
Grenzboten. IV. 1850. 120
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[0441] Handel und Wandel. Von F. V. Hackländer. ^) 2. B., Berlin, Franz Dunker. Es freut mich, einmal unbedingt loben zu können. Der Kreis, in dem sich dieser kleine Roman bewegt, ist enge, er beschränkt sich auf eine Mühle, eine Schnittwaarcnhandlnug und ein paar umliegen.de Häuser; aber man wird in diesem Kreise vollständig vertraut, die einzelnen Figuren sind in scharfen Umrissen, naturgetreu und mit lebendigen Farben gezeichnet, wir leben uuter wirklichen Menschen, Menschen von Fleisch und Blut, uicht Schemen der Fieberphantasie oder Reminiscenzen aus irgeud einem Compendium der Metaphysik. Es herrscht in dieser Welt ein klarer Verstand und ein gesundes, tüchtiges Gemüth. Hackländer würde ein deutscher Dickens werden — ohne die Fehler des Briten, die über¬ triebene Plastik in der Sprache und die Mosaik in den Charakteren und Bege¬ benheiten — wenn das deutsche Leben uicht so unendlich viel fauler und spie߬ bürgerlicher wäre als das britische. Aber auch wie er jetzt ist, steht er als eine große Seltenheit unter den deutschen Romanschreibern da und verdient eine größere Beachtung, als er bis jetzt — im Ganzen genommen — gefunden zu haben scheint. Wir sind in der Reizbarkeit unsers Geschmackes so überschwenglich ge¬ worden, daß wir uns an eine einfache, gesunde Kost erst gewaltsam wieder gewöhnen müssen — denn der Pumpernickel der uncultivirten Bauernsprache mit dem vaterländischen Gewürz der Dialekte ist doch nichts, als ein neuer Kant-xout, der nicht dauern kann. Herodes und Marianne. Tragödie in 5 Acten von Fr. Hebbel. (Wien, Gerold.) Herodes, König von Judäa, liebt seine Gemahlin Marianne so leidenschaft¬ lich, daß er auch nach seinem Tode ihren Besitz keinem Andern gönnen will. Als er daher auf ein gefährliches Unternehmen ausgeht, befiehlt er heimlich einem treuen Diener, sie zu tödten, wenn er nicht zurückkehrte. Er kehrt zurück, aber sein Geheimniß ist verrathen, und in MariaMne's Seele verwandelt sich die Liebe zu ihm in Haß gegen den Tyrannen. Dies der Stoff, welcher bereits Calderon zu einem seiner Trauerspiele (et mavvr mon8ti'ne) los izelos) Veranlassung gegeben hat. — Calderon beschränkt sich nach seiner gewöhnlichen Weise auf Ausmalung leidenschaftlicher Stimmungen Frühere Schriften des Verfassers sind: Der Pilgerzug nach Mekka - Da-guerreotypen aus dem Orient — DaS Soldatenleben im Frieden (hat schon 3 Aufl.) — Wacht- stuVen-Abenteuer — Humoristische Erzählungen — Mährchen — Bilder aus dem Leben. Grenzboten. IV. 1850. 120

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/441>, abgerufen am 24.08.2024.