Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ungarns sielen anch jene Professoren, welche von dem ungarischen Ministerium
angestellt, oder anch nnr weiter befördert wurden, und sie, die "sich so sehr der
neuen Errungenschaften frenren", beherrschen nnn wieder allein die Lehrstühle un¬
serer Hochschule, und dennoch ist diese in einem Zustande, gegen den der vormärz¬
liche ein göttlicher zu nennen ist.

Damit will ich nicht gesagt haben, daß unsere Professoren ein schlechtes Ge-
dächtniß oder ein schwaches Auffassungsvermögen hätten. Jul Gegentheil! Sie
besitzen diese zwei Seelenfähigkeiten in so hohem Maße, daß sie sich noch jetzt
alles dessen genan erinnern, was ihre von der ungarischen Regierung protegirten
Collegen während der letzten zwei Jahre gethan und gesprochen haben, und da
sie im Interesse des allgemeinen Wohls ihre Kenntnisse und Erfahrungen sehr
gerne mittheilen, so haben sie besonders viel zur Purificirnng unserer Hoch¬
schule beigetragen. -- Ja bei einem unserer Professoren ist das Auffassungs¬
vermögen so sehr gesteigert, daß er unlängst, als ein bekannter hiesiger Kunst¬
händler -- der, wie es heißt, auch zur rebellischen Majorität unserer verderbten
Stadt gehören soll -- vor ihm ans der Straße herging, jedes Wort, welches
dieser zu seinem Freunde über Politik sprach, auffaßte und gleich darauf bei der
Polizei, wenigstens nicht weniger anzugeben wußte, als der Kunsthändler ge¬
sprochen hatte u. s. w.

Allein all dieser schöne Eifer reicht nicht hin, den revolutionären Geist ans
uuserer Jngend zu bannen; in deu Hörsälen der für Ruhe und Ordnung so sehr
bestrebten Scholarchen herrscht zwar tiefe Ruhe und stille Ordnung, aber
die Zuhörer, welche ihnen nicht zuhören, wagen es noch, an eine Zukunft Ungarns,
an eine Zeit, wo der Belagerungszustand ausgehoben sein wird, u. s. w. zu
denken, während sie überhaupt gar nicht denken sollten; unsere Professoren kamen
also auf die glückliche Idee, die Universität aus der Kossuth'sehen Stadt in eine
andere, loyale zu verlegen. -- Anfangs hieß es, sie soll nach der deutschen,
als hyperloyal bekannten Stadt Ofen verlegt werden; allein ein kleines Experi¬
mentchen mit einem Gymnasium hat leider zu der Ueberzeugung geführt, daß das
Uebel sich bereits über die Kettenbrücke geschlichen habe. Neulich wurde das
Archigymuasium zu Ofen für ein deutsches Gymnasium erklärt hier werden
nämlich nach der neuesten Methode die Dinge für das erklärt, was sie sein
sollen -- und siehe da, die loyalen gesammtöstreichischen Patrioten Ofens be¬
hielten ihre Kinder zu Hause und entschlossen sich, dieselben in das Pesther
ungarische Gymnasium zu schicken. Da erschien eines Abends der heilige Geist
dem Herrn Vinozsil, einer berühmten vormärzlichen Capacität und dieser Zeit
Rector uuserer Hochschule, in Gestalt eines Panslavisten, und Morgeus darauf
begab sich der Herr Rector nach Wien, um bei der hohen Negierung die Verlegung
der Universität nach Trenan zu erflehen, wo man zugleich den Vortheil hätte,
mit der Hochschule eine slavische Musterschnle verbinden zu können. So
^ meint Herr Vinozsil. --


Ungarns sielen anch jene Professoren, welche von dem ungarischen Ministerium
angestellt, oder anch nnr weiter befördert wurden, und sie, die „sich so sehr der
neuen Errungenschaften frenren", beherrschen nnn wieder allein die Lehrstühle un¬
serer Hochschule, und dennoch ist diese in einem Zustande, gegen den der vormärz¬
liche ein göttlicher zu nennen ist.

Damit will ich nicht gesagt haben, daß unsere Professoren ein schlechtes Ge-
dächtniß oder ein schwaches Auffassungsvermögen hätten. Jul Gegentheil! Sie
besitzen diese zwei Seelenfähigkeiten in so hohem Maße, daß sie sich noch jetzt
alles dessen genan erinnern, was ihre von der ungarischen Regierung protegirten
Collegen während der letzten zwei Jahre gethan und gesprochen haben, und da
sie im Interesse des allgemeinen Wohls ihre Kenntnisse und Erfahrungen sehr
gerne mittheilen, so haben sie besonders viel zur Purificirnng unserer Hoch¬
schule beigetragen. — Ja bei einem unserer Professoren ist das Auffassungs¬
vermögen so sehr gesteigert, daß er unlängst, als ein bekannter hiesiger Kunst¬
händler — der, wie es heißt, auch zur rebellischen Majorität unserer verderbten
Stadt gehören soll — vor ihm ans der Straße herging, jedes Wort, welches
dieser zu seinem Freunde über Politik sprach, auffaßte und gleich darauf bei der
Polizei, wenigstens nicht weniger anzugeben wußte, als der Kunsthändler ge¬
sprochen hatte u. s. w.

Allein all dieser schöne Eifer reicht nicht hin, den revolutionären Geist ans
uuserer Jngend zu bannen; in deu Hörsälen der für Ruhe und Ordnung so sehr
bestrebten Scholarchen herrscht zwar tiefe Ruhe und stille Ordnung, aber
die Zuhörer, welche ihnen nicht zuhören, wagen es noch, an eine Zukunft Ungarns,
an eine Zeit, wo der Belagerungszustand ausgehoben sein wird, u. s. w. zu
denken, während sie überhaupt gar nicht denken sollten; unsere Professoren kamen
also auf die glückliche Idee, die Universität aus der Kossuth'sehen Stadt in eine
andere, loyale zu verlegen. -- Anfangs hieß es, sie soll nach der deutschen,
als hyperloyal bekannten Stadt Ofen verlegt werden; allein ein kleines Experi¬
mentchen mit einem Gymnasium hat leider zu der Ueberzeugung geführt, daß das
Uebel sich bereits über die Kettenbrücke geschlichen habe. Neulich wurde das
Archigymuasium zu Ofen für ein deutsches Gymnasium erklärt hier werden
nämlich nach der neuesten Methode die Dinge für das erklärt, was sie sein
sollen — und siehe da, die loyalen gesammtöstreichischen Patrioten Ofens be¬
hielten ihre Kinder zu Hause und entschlossen sich, dieselben in das Pesther
ungarische Gymnasium zu schicken. Da erschien eines Abends der heilige Geist
dem Herrn Vinozsil, einer berühmten vormärzlichen Capacität und dieser Zeit
Rector uuserer Hochschule, in Gestalt eines Panslavisten, und Morgeus darauf
begab sich der Herr Rector nach Wien, um bei der hohen Negierung die Verlegung
der Universität nach Trenan zu erflehen, wo man zugleich den Vortheil hätte,
mit der Hochschule eine slavische Musterschnle verbinden zu können. So
^ meint Herr Vinozsil. —


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92329"/>
            <p xml:id="ID_91" prev="#ID_90"> Ungarns sielen anch jene Professoren, welche von dem ungarischen Ministerium<lb/>
angestellt, oder anch nnr weiter befördert wurden, und sie, die &#x201E;sich so sehr der<lb/>
neuen Errungenschaften frenren", beherrschen nnn wieder allein die Lehrstühle un¬<lb/>
serer Hochschule, und dennoch ist diese in einem Zustande, gegen den der vormärz¬<lb/>
liche ein göttlicher zu nennen ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_92"> Damit will ich nicht gesagt haben, daß unsere Professoren ein schlechtes Ge-<lb/>
dächtniß oder ein schwaches Auffassungsvermögen hätten. Jul Gegentheil! Sie<lb/>
besitzen diese zwei Seelenfähigkeiten in so hohem Maße, daß sie sich noch jetzt<lb/>
alles dessen genan erinnern, was ihre von der ungarischen Regierung protegirten<lb/>
Collegen während der letzten zwei Jahre gethan und gesprochen haben, und da<lb/>
sie im Interesse des allgemeinen Wohls ihre Kenntnisse und Erfahrungen sehr<lb/>
gerne mittheilen, so haben sie besonders viel zur Purificirnng unserer Hoch¬<lb/>
schule beigetragen. &#x2014; Ja bei einem unserer Professoren ist das Auffassungs¬<lb/>
vermögen so sehr gesteigert, daß er unlängst, als ein bekannter hiesiger Kunst¬<lb/>
händler &#x2014; der, wie es heißt, auch zur rebellischen Majorität unserer verderbten<lb/>
Stadt gehören soll &#x2014; vor ihm ans der Straße herging, jedes Wort, welches<lb/>
dieser zu seinem Freunde über Politik sprach, auffaßte und gleich darauf bei der<lb/>
Polizei, wenigstens nicht weniger anzugeben wußte, als der Kunsthändler ge¬<lb/>
sprochen hatte u. s. w.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_93"> Allein all dieser schöne Eifer reicht nicht hin, den revolutionären Geist ans<lb/>
uuserer Jngend zu bannen; in deu Hörsälen der für Ruhe und Ordnung so sehr<lb/>
bestrebten Scholarchen herrscht zwar tiefe Ruhe und stille Ordnung, aber<lb/>
die Zuhörer, welche ihnen nicht zuhören, wagen es noch, an eine Zukunft Ungarns,<lb/>
an eine Zeit, wo der Belagerungszustand ausgehoben sein wird, u. s. w. zu<lb/>
denken, während sie überhaupt gar nicht denken sollten; unsere Professoren kamen<lb/>
also auf die glückliche Idee, die Universität aus der Kossuth'sehen Stadt in eine<lb/>
andere, loyale zu verlegen. -- Anfangs hieß es, sie soll nach der deutschen,<lb/>
als hyperloyal bekannten Stadt Ofen verlegt werden; allein ein kleines Experi¬<lb/>
mentchen mit einem Gymnasium hat leider zu der Ueberzeugung geführt, daß das<lb/>
Uebel sich bereits über die Kettenbrücke geschlichen habe. Neulich wurde das<lb/>
Archigymuasium zu Ofen für ein deutsches Gymnasium erklärt hier werden<lb/>
nämlich nach der neuesten Methode die Dinge für das erklärt, was sie sein<lb/>
sollen &#x2014; und siehe da, die loyalen gesammtöstreichischen Patrioten Ofens be¬<lb/>
hielten ihre Kinder zu Hause und entschlossen sich, dieselben in das Pesther<lb/>
ungarische Gymnasium zu schicken. Da erschien eines Abends der heilige Geist<lb/>
dem Herrn Vinozsil, einer berühmten vormärzlichen Capacität und dieser Zeit<lb/>
Rector uuserer Hochschule, in Gestalt eines Panslavisten, und Morgeus darauf<lb/>
begab sich der Herr Rector nach Wien, um bei der hohen Negierung die Verlegung<lb/>
der Universität nach Trenan zu erflehen, wo man zugleich den Vortheil hätte,<lb/>
mit der Hochschule eine slavische Musterschnle verbinden zu können. So<lb/><note type="byline"> ^</note> meint Herr Vinozsil. &#x2014; </p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0040] Ungarns sielen anch jene Professoren, welche von dem ungarischen Ministerium angestellt, oder anch nnr weiter befördert wurden, und sie, die „sich so sehr der neuen Errungenschaften frenren", beherrschen nnn wieder allein die Lehrstühle un¬ serer Hochschule, und dennoch ist diese in einem Zustande, gegen den der vormärz¬ liche ein göttlicher zu nennen ist. Damit will ich nicht gesagt haben, daß unsere Professoren ein schlechtes Ge- dächtniß oder ein schwaches Auffassungsvermögen hätten. Jul Gegentheil! Sie besitzen diese zwei Seelenfähigkeiten in so hohem Maße, daß sie sich noch jetzt alles dessen genan erinnern, was ihre von der ungarischen Regierung protegirten Collegen während der letzten zwei Jahre gethan und gesprochen haben, und da sie im Interesse des allgemeinen Wohls ihre Kenntnisse und Erfahrungen sehr gerne mittheilen, so haben sie besonders viel zur Purificirnng unserer Hoch¬ schule beigetragen. — Ja bei einem unserer Professoren ist das Auffassungs¬ vermögen so sehr gesteigert, daß er unlängst, als ein bekannter hiesiger Kunst¬ händler — der, wie es heißt, auch zur rebellischen Majorität unserer verderbten Stadt gehören soll — vor ihm ans der Straße herging, jedes Wort, welches dieser zu seinem Freunde über Politik sprach, auffaßte und gleich darauf bei der Polizei, wenigstens nicht weniger anzugeben wußte, als der Kunsthändler ge¬ sprochen hatte u. s. w. Allein all dieser schöne Eifer reicht nicht hin, den revolutionären Geist ans uuserer Jngend zu bannen; in deu Hörsälen der für Ruhe und Ordnung so sehr bestrebten Scholarchen herrscht zwar tiefe Ruhe und stille Ordnung, aber die Zuhörer, welche ihnen nicht zuhören, wagen es noch, an eine Zukunft Ungarns, an eine Zeit, wo der Belagerungszustand ausgehoben sein wird, u. s. w. zu denken, während sie überhaupt gar nicht denken sollten; unsere Professoren kamen also auf die glückliche Idee, die Universität aus der Kossuth'sehen Stadt in eine andere, loyale zu verlegen. -- Anfangs hieß es, sie soll nach der deutschen, als hyperloyal bekannten Stadt Ofen verlegt werden; allein ein kleines Experi¬ mentchen mit einem Gymnasium hat leider zu der Ueberzeugung geführt, daß das Uebel sich bereits über die Kettenbrücke geschlichen habe. Neulich wurde das Archigymuasium zu Ofen für ein deutsches Gymnasium erklärt hier werden nämlich nach der neuesten Methode die Dinge für das erklärt, was sie sein sollen — und siehe da, die loyalen gesammtöstreichischen Patrioten Ofens be¬ hielten ihre Kinder zu Hause und entschlossen sich, dieselben in das Pesther ungarische Gymnasium zu schicken. Da erschien eines Abends der heilige Geist dem Herrn Vinozsil, einer berühmten vormärzlichen Capacität und dieser Zeit Rector uuserer Hochschule, in Gestalt eines Panslavisten, und Morgeus darauf begab sich der Herr Rector nach Wien, um bei der hohen Negierung die Verlegung der Universität nach Trenan zu erflehen, wo man zugleich den Vortheil hätte, mit der Hochschule eine slavische Musterschnle verbinden zu können. So ^ meint Herr Vinozsil. —

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/40
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/40>, abgerufen am 24.08.2024.