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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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so schiebt man nicht etwa die Vollendung der Verfassung auf, sondern man wirft
sie über den Haufen. Daß man dadurch ein neues Rechtsverhältniß, auf
Eid und Treue gegründet, auf das Gröblichste verletzt, daß mau ein Rechts,
subject beschädigt, welches deun doch unendlich die Legitimität der sogenannten
Ritterschaft überragt, darauf wird keine Rücksicht genommen. -- Wenn also
die Höhe über Kurhessen verschiedeuer Ansicht sind, so ist es uicht ein Conflict
der Nechtspriucipien, sondern lediglich ein Conflict der Interessen. Der Bundes-
tag wird seinen Freund Hassenpflng unterstützen, die Union wird ihn -- -- in
ihren Blättern tadeln; in der Grundansicht sind sie einig, sie adoptiren Alle das
lächerliche Machwerk des Herrn Stüve, uach welchem es "Empörung" ist, wenn
Unterthanen ihre Rechte in Anwendung bringen. Auch einem Nero müssen die
Steuern gezahlt werden, deun jede Obrigkeit ist von Gott, nud mau soll dem
Kaiser geben, was des Kaisers ist. -- Sie vergessen, daß, wenn man das Volk
wirklich zu der Ueberzeugung bringt, es gebe für dasselbe keinen Rechtsweg zur
Abwehr auch der wahnsinnigsten Tyrannei, mau sich dadurch -- auf das Gebiet
der Thatsachen begibt. -- Dank dem Herrn v. Schleiuitz für diese Wendung! --
Wir gedenken jene Obrigkeit von Gott in Kurzem näher zu beleuchten.




Kleine Correspondenzen.

Unsere Professoren haben zwar wenig, sehr wenig gelernt, aber um so mehr
vergessen. So hatten sie im März 1848 ganz darau vergessen, daß die lümu. et
eelederrima, die in ihrer Verwaltung und in ihrem Lehrsysteme von der Wiener
Universität unabhängig sein sollte, uur ein Filialinstitnt dieses Jesuitencolleginms
bildete; daß die ungeheuern Einkünfte uuserer Hochschule -- sie ist nach der Or.-
forder die reichst dotirte in Europa -- Donau aufwärts wanderten, um in der
großen Stadt jenseits der Leitha Hofrathötitel und Ordensbänder für gewisse
Nectoren, Oekonomen und Decane einzusammeln; daß die einzige Hochschule Un¬
garns, trotz des mächtigen Aufschwunges, den bei uns die Wissenschaft und beson¬
ders die politische und vaterländische Literatur in den letzten Decennien genommen,
bei 18W stehen geblieben, und von manchen armen, nur von mittellosen pro¬
testantischen Gemeinden unterhaltenen Gymnasien hoch überragt worden ist; dies
Alles vergaßen sie, und betheuerten in Studentenversammlungen, in den Hörsälen
und in deu Zeitnngsblättern, daß nicht sie, sondern das -- System daran schuld
war, und daß kein Mensch ans dieser Erde sich der neuen Errungenschaften mehr
freue, als eben sie, da ihnen nun Gelegenheit gegeben ist, ihren Eifer für den
Fortschritt an den Tag zu legen. Jetzt zeigen sie, daß sie im März wieder nichts
gelernt und das damals Gesagte bereits vergessen haben; denn mit dem Falle


so schiebt man nicht etwa die Vollendung der Verfassung auf, sondern man wirft
sie über den Haufen. Daß man dadurch ein neues Rechtsverhältniß, auf
Eid und Treue gegründet, auf das Gröblichste verletzt, daß mau ein Rechts,
subject beschädigt, welches deun doch unendlich die Legitimität der sogenannten
Ritterschaft überragt, darauf wird keine Rücksicht genommen. — Wenn also
die Höhe über Kurhessen verschiedeuer Ansicht sind, so ist es uicht ein Conflict
der Nechtspriucipien, sondern lediglich ein Conflict der Interessen. Der Bundes-
tag wird seinen Freund Hassenpflng unterstützen, die Union wird ihn — — in
ihren Blättern tadeln; in der Grundansicht sind sie einig, sie adoptiren Alle das
lächerliche Machwerk des Herrn Stüve, uach welchem es „Empörung" ist, wenn
Unterthanen ihre Rechte in Anwendung bringen. Auch einem Nero müssen die
Steuern gezahlt werden, deun jede Obrigkeit ist von Gott, nud mau soll dem
Kaiser geben, was des Kaisers ist. — Sie vergessen, daß, wenn man das Volk
wirklich zu der Ueberzeugung bringt, es gebe für dasselbe keinen Rechtsweg zur
Abwehr auch der wahnsinnigsten Tyrannei, mau sich dadurch — auf das Gebiet
der Thatsachen begibt. — Dank dem Herrn v. Schleiuitz für diese Wendung! —
Wir gedenken jene Obrigkeit von Gott in Kurzem näher zu beleuchten.




Kleine Correspondenzen.

Unsere Professoren haben zwar wenig, sehr wenig gelernt, aber um so mehr
vergessen. So hatten sie im März 1848 ganz darau vergessen, daß die lümu. et
eelederrima, die in ihrer Verwaltung und in ihrem Lehrsysteme von der Wiener
Universität unabhängig sein sollte, uur ein Filialinstitnt dieses Jesuitencolleginms
bildete; daß die ungeheuern Einkünfte uuserer Hochschule — sie ist nach der Or.-
forder die reichst dotirte in Europa — Donau aufwärts wanderten, um in der
großen Stadt jenseits der Leitha Hofrathötitel und Ordensbänder für gewisse
Nectoren, Oekonomen und Decane einzusammeln; daß die einzige Hochschule Un¬
garns, trotz des mächtigen Aufschwunges, den bei uns die Wissenschaft und beson¬
ders die politische und vaterländische Literatur in den letzten Decennien genommen,
bei 18W stehen geblieben, und von manchen armen, nur von mittellosen pro¬
testantischen Gemeinden unterhaltenen Gymnasien hoch überragt worden ist; dies
Alles vergaßen sie, und betheuerten in Studentenversammlungen, in den Hörsälen
und in deu Zeitnngsblättern, daß nicht sie, sondern das — System daran schuld
war, und daß kein Mensch ans dieser Erde sich der neuen Errungenschaften mehr
freue, als eben sie, da ihnen nun Gelegenheit gegeben ist, ihren Eifer für den
Fortschritt an den Tag zu legen. Jetzt zeigen sie, daß sie im März wieder nichts
gelernt und das damals Gesagte bereits vergessen haben; denn mit dem Falle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/39>, abgerufen am 22.07.2024.